unanständig!" -- "Nein, Mutter, sieh! der Karl! der Junge hält doch nie auf Reputation. Als ob er von 'ner Schusterfamilie wäre! Wie ein lebendiger Stra¬ ßenjunge!" -- "Warte nur, wenn der Vater!" -- "Du kriegst ja draußen Weißbier, Karl," rief die Mutter. "Wenn nur die wirklichen lebendigen Stra¬ ßenjungen es nicht gehört hätten. Es schnalzte und grinste: "Straßenjungen! Wer sind denn Eure Stra¬ ßenjungen!" -- "Und wer sind sie denn! Aus der Fischerstraße!" -- "Wenn man sie nicht kennte! Die näht Pantoffeln zu. Selbst Schuster!" -- "Und die Andre -- Schneidermamsell bei den Komödianten!" "Dicke thun hilft nichts." -- Hätten die geputzten Damen nur geschwiegen! Aber sie schwiegen nicht. Sie mußten ihre Ehre vertheidigen. Die Straßen¬ jungen ließen sich in Berlin nicht überschreien. Die corpulente Mutter ermahnte ihre Töchter, sich mit dem "Kropzeug" nicht abzugeben. "Selbst Krop¬ zeug!" war das Echo. Das war natürlich nicht zu ertragen. Die Frau rief aus Leibeskräften nach ihrem Manne: ob er das dulden wolle, seine Frau Kropzeug genannt! Der Mann schien sonst voraufgeschickt, das jüngste Kind auf dem Arm, damit die Ehre der geputzten Familie nicht compromittirt werde. Sein blauer Ueberrock mit dem hochstehenden Kragen, in den der Kopf beinahe versank, die groben Knie¬ stiefel und das weit aus ihnen vorblickende Pfeifenrohr paßten allerdings nicht zur Eleganz des weiblichen Theils der Familie, und man durfte an¬
unanſtändig!“ — „Nein, Mutter, ſieh! der Karl! der Junge hält doch nie auf Reputation. Als ob er von 'ner Schuſterfamilie wäre! Wie ein lebendiger Stra¬ ßenjunge!“ — „Warte nur, wenn der Vater!“ — „Du kriegſt ja draußen Weißbier, Karl,“ rief die Mutter. „Wenn nur die wirklichen lebendigen Stra¬ ßenjungen es nicht gehört hätten. Es ſchnalzte und grinſte: „Straßenjungen! Wer ſind denn Eure Stra¬ ßenjungen!“ — „Und wer ſind ſie denn! Aus der Fiſcherſtraße!“ — „Wenn man ſie nicht kennte! Die näht Pantoffeln zu. Selbſt Schuſter!“ — „Und die Andre — Schneidermamſell bei den Komödianten!“ „Dicke thun hilft nichts.“ — Hätten die geputzten Damen nur geſchwiegen! Aber ſie ſchwiegen nicht. Sie mußten ihre Ehre vertheidigen. Die Straßen¬ jungen ließen ſich in Berlin nicht überſchreien. Die corpulente Mutter ermahnte ihre Töchter, ſich mit dem „Kropzeug“ nicht abzugeben. „Selbſt Krop¬ zeug!“ war das Echo. Das war natürlich nicht zu ertragen. Die Frau rief aus Leibeskräften nach ihrem Manne: ob er das dulden wolle, ſeine Frau Kropzeug genannt! Der Mann ſchien ſonſt voraufgeſchickt, das jüngſte Kind auf dem Arm, damit die Ehre der geputzten Familie nicht compromittirt werde. Sein blauer Ueberrock mit dem hochſtehenden Kragen, in den der Kopf beinahe verſank, die groben Knie¬ ſtiefel und das weit aus ihnen vorblickende Pfeifenrohr paßten allerdings nicht zur Eleganz des weiblichen Theils der Familie, und man durfte an¬
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unanſtändig!“ — „Nein, Mutter, ſieh! der Karl! der
Junge hält doch nie auf Reputation. Als ob er von
'ner Schuſterfamilie wäre! Wie ein lebendiger Stra¬
ßenjunge!“ — „Warte nur, wenn der Vater!“ —
„Du kriegſt ja draußen Weißbier, Karl,“ rief die
Mutter. „Wenn nur die wirklichen lebendigen Stra¬
ßenjungen es nicht gehört hätten. Es ſchnalzte und
grinſte: „Straßenjungen! Wer ſind denn Eure Stra¬
ßenjungen!“ — „Und wer ſind ſie denn! Aus der
Fiſcherſtraße!“ — „Wenn man ſie nicht kennte! Die
näht Pantoffeln zu. Selbſt Schuſter!“ — „Und die
Andre — Schneidermamſell bei den Komödianten!“
„Dicke thun hilft nichts.“ — Hätten die geputzten
Damen nur geſchwiegen! Aber ſie ſchwiegen nicht.
Sie mußten ihre Ehre vertheidigen. Die Straßen¬
jungen ließen ſich in Berlin nicht überſchreien. Die
corpulente Mutter ermahnte ihre Töchter, ſich mit
dem „Kropzeug“ nicht abzugeben. „Selbſt Krop¬
zeug!“ war das Echo. Das war natürlich nicht zu
ertragen. Die Frau rief aus Leibeskräften nach ihrem
Manne: ob er das dulden wolle, ſeine Frau Kropzeug
genannt! Der Mann ſchien ſonſt voraufgeſchickt,
das jüngſte Kind auf dem Arm, damit die Ehre
der geputzten Familie nicht compromittirt werde.
Sein blauer Ueberrock mit dem hochſtehenden Kragen,
in den der Kopf beinahe verſank, die groben Knie¬
ſtiefel und das weit aus ihnen vorblickende
Pfeifenrohr paßten allerdings nicht zur Eleganz des
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/207>, abgerufen am 25.11.2024.
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