des Gedankens. Ich glaube, sie ist folgerichtig und nicht unglücklich."
"Ich glaube es auch," sagte der Minister. Es wetterleuchtete wieder. Er sprach rasch in abgestoßenen Sätzen: "Also Ihre Entwickelung? -- Mit Ihren Fingern geschrieben? -- Zweifle ich nicht. -- Und der Rittmeister, Ihres Vaters Freund, hat nicht mit Ihrem Wissen gehandelt? -- Ich will es glauben. -- Kennen Sie den Regierungsrath Fuchsius? -- Still! Es kommt nichts darauf an. -- Die Verlegenheit will ich Ihnen sparen. -- Gedanken fliegen nicht allein durch die Lüfte, auch durch die Finger von Abschreibern. -- Sind Sie ein Clairvoyant? Ja, ich hörte, aus der romantischen Schule. -- Sahen Sie die Ausführung, Seite für Seite, Satz für Satz, Wort für Wort durch die Mauer schimmern? Sie schrieben vermuthlich um Mitternacht, beim Vollmond. Sagen Sie ja. Auf eine Illusion mehr kommt es einem Romantiker nicht an, und wir scheiden in Freundschaft. Ich kann Sie noch als einen ehrlichen Menschen mir aus dem Sinn schlagen, wenn Sie mir ehrlich versprechen wollen, künftig zu wachen, wenn Sie über Dinge schreiben wollen, die Sie zu verstehen glauben."
"Ich bin kein Oedipus, Excellenz, und stehe sprachlos vor dieser Sphynx."
Der Minister nahm ihm die Brochure aus der Hand, aber indem er demonstriren wollte, zerdrückte er sie in der Heftigkeit seiner Gesticulation.
des Gedankens. Ich glaube, ſie iſt folgerichtig und nicht unglücklich.“
„Ich glaube es auch,“ ſagte der Miniſter. Es wetterleuchtete wieder. Er ſprach raſch in abgeſtoßenen Sätzen: „Alſo Ihre Entwickelung? — Mit Ihren Fingern geſchrieben? — Zweifle ich nicht. — Und der Rittmeiſter, Ihres Vaters Freund, hat nicht mit Ihrem Wiſſen gehandelt? — Ich will es glauben. — Kennen Sie den Regierungsrath Fuchſius? — Still! Es kommt nichts darauf an. — Die Verlegenheit will ich Ihnen ſparen. — Gedanken fliegen nicht allein durch die Lüfte, auch durch die Finger von Abſchreibern. — Sind Sie ein Clairvoyant? Ja, ich hörte, aus der romantiſchen Schule. — Sahen Sie die Ausführung, Seite für Seite, Satz für Satz, Wort für Wort durch die Mauer ſchimmern? Sie ſchrieben vermuthlich um Mitternacht, beim Vollmond. Sagen Sie ja. Auf eine Illuſion mehr kommt es einem Romantiker nicht an, und wir ſcheiden in Freundſchaft. Ich kann Sie noch als einen ehrlichen Menſchen mir aus dem Sinn ſchlagen, wenn Sie mir ehrlich verſprechen wollen, künftig zu wachen, wenn Sie über Dinge ſchreiben wollen, die Sie zu verſtehen glauben.“
„Ich bin kein Oedipus, Excellenz, und ſtehe ſprachlos vor dieſer Sphynx.“
Der Miniſter nahm ihm die Brochure aus der Hand, aber indem er demonſtriren wollte, zerdrückte er ſie in der Heftigkeit ſeiner Geſticulation.
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des Gedankens. Ich glaube, ſie iſt folgerichtig und
nicht unglücklich.“
„Ich glaube es auch,“ ſagte der Miniſter. Es
wetterleuchtete wieder. Er ſprach raſch in abgeſtoßenen
Sätzen: „Alſo Ihre Entwickelung? — Mit Ihren
Fingern geſchrieben? — Zweifle ich nicht. — Und
der Rittmeiſter, Ihres Vaters Freund, hat nicht mit
Ihrem Wiſſen gehandelt? — Ich will es glauben. —
Kennen Sie den Regierungsrath Fuchſius? — Still!
Es kommt nichts darauf an. — Die Verlegenheit
will ich Ihnen ſparen. — Gedanken fliegen nicht
allein durch die Lüfte, auch durch die Finger von
Abſchreibern. — Sind Sie ein Clairvoyant? Ja, ich
hörte, aus der romantiſchen Schule. — Sahen Sie
die Ausführung, Seite für Seite, Satz für Satz,
Wort für Wort durch die Mauer ſchimmern? Sie
ſchrieben vermuthlich um Mitternacht, beim Vollmond.
Sagen Sie ja. Auf eine Illuſion mehr kommt es
einem Romantiker nicht an, und wir ſcheiden in
Freundſchaft. Ich kann Sie noch als einen ehrlichen
Menſchen mir aus dem Sinn ſchlagen, wenn Sie
mir ehrlich verſprechen wollen, künftig zu wachen,
wenn Sie über Dinge ſchreiben wollen, die Sie zu
verſtehen glauben.“
„Ich bin kein Oedipus, Excellenz, und ſtehe
ſprachlos vor dieſer Sphynx.“
Der Miniſter nahm ihm die Brochure aus der
Hand, aber indem er demonſtriren wollte, zerdrückte
er ſie in der Heftigkeit ſeiner Geſticulation.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/198>, abgerufen am 23.11.2024.
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