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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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schrift in seiner Hand gab ihm den Muth zurück.
Er hielt das dicke Bravo! mit Rothstift dem Minister
entgegen:

"Hier fanden Excellenz --"

"Einen meiner Gedanken ausgeführt, wie es
mir gefiel. Nein, ich bekenne, mehr. Was ich erst
flüchtig hingeworfen, auf eine andere Zeit die Aus¬
führung versparend, fand ich so entwickelt, es bekam
Hand und Fuß, es ward durch die Wendung ein
neuer Gedanke. Es überraschte mich, und ich war
froh, daß Jemand mich verstanden hat, in meinem
Sinn gedacht, weiter gedacht als ich --"

"Gott sei Dank!" brach es von Walters Lippen.
Er vergaß in dem Augenblick seine Stellung, selbst
die peinliche Lage, in der er sich noch eben befand.
Er zückte mit der Hand, als wolle er nach der des
Ministers greifen. "Gott sei Dank, ich bin gerecht¬
fertigt. Diese Wendung werden Sie mir doch als
Eigenthum lassen!"

Indem der Staatsmann ihn unverwandt an¬
blickte, schien die Wolke von vorhin sich wieder auf
seinem Gesicht zu sammeln, aber es war eine Magie,
um nicht zu sagen Sympathie in Beider Augen,
welche den Ausbruch des Gewitters noch nicht zuließ.

"Auch die darauf folgenden Seiten? Sehn Sie
nach."

Walter blätterte. Sie waren mit Rothstift an der
Seite von oben bis unten angestrichen.

"Es ist nur die Entwickelung jener Wendung

ſchrift in ſeiner Hand gab ihm den Muth zurück.
Er hielt das dicke Bravo! mit Rothſtift dem Miniſter
entgegen:

„Hier fanden Excellenz —“

„Einen meiner Gedanken ausgeführt, wie es
mir gefiel. Nein, ich bekenne, mehr. Was ich erſt
flüchtig hingeworfen, auf eine andere Zeit die Aus¬
führung verſparend, fand ich ſo entwickelt, es bekam
Hand und Fuß, es ward durch die Wendung ein
neuer Gedanke. Es überraſchte mich, und ich war
froh, daß Jemand mich verſtanden hat, in meinem
Sinn gedacht, weiter gedacht als ich —“

„Gott ſei Dank!“ brach es von Walters Lippen.
Er vergaß in dem Augenblick ſeine Stellung, ſelbſt
die peinliche Lage, in der er ſich noch eben befand.
Er zückte mit der Hand, als wolle er nach der des
Miniſters greifen. „Gott ſei Dank, ich bin gerecht¬
fertigt. Dieſe Wendung werden Sie mir doch als
Eigenthum laſſen!“

Indem der Staatsmann ihn unverwandt an¬
blickte, ſchien die Wolke von vorhin ſich wieder auf
ſeinem Geſicht zu ſammeln, aber es war eine Magie,
um nicht zu ſagen Sympathie in Beider Augen,
welche den Ausbruch des Gewitters noch nicht zuließ.

„Auch die darauf folgenden Seiten? Sehn Sie
nach.“

Walter blätterte. Sie waren mit Rothſtift an der
Seite von oben bis unten angeſtrichen.

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[187/0197] ſchrift in ſeiner Hand gab ihm den Muth zurück. Er hielt das dicke Bravo! mit Rothſtift dem Miniſter entgegen: „Hier fanden Excellenz —“ „Einen meiner Gedanken ausgeführt, wie es mir gefiel. Nein, ich bekenne, mehr. Was ich erſt flüchtig hingeworfen, auf eine andere Zeit die Aus¬ führung verſparend, fand ich ſo entwickelt, es bekam Hand und Fuß, es ward durch die Wendung ein neuer Gedanke. Es überraſchte mich, und ich war froh, daß Jemand mich verſtanden hat, in meinem Sinn gedacht, weiter gedacht als ich —“ „Gott ſei Dank!“ brach es von Walters Lippen. Er vergaß in dem Augenblick ſeine Stellung, ſelbſt die peinliche Lage, in der er ſich noch eben befand. Er zückte mit der Hand, als wolle er nach der des Miniſters greifen. „Gott ſei Dank, ich bin gerecht¬ fertigt. Dieſe Wendung werden Sie mir doch als Eigenthum laſſen!“ Indem der Staatsmann ihn unverwandt an¬ blickte, ſchien die Wolke von vorhin ſich wieder auf ſeinem Geſicht zu ſammeln, aber es war eine Magie, um nicht zu ſagen Sympathie in Beider Augen, welche den Ausbruch des Gewitters noch nicht zuließ. „Auch die darauf folgenden Seiten? Sehn Sie nach.“ Walter blätterte. Sie waren mit Rothſtift an der Seite von oben bis unten angeſtrichen. „Es iſt nur die Entwickelung jener Wendung

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/197>, abgerufen am 23.11.2024.