Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Als ich sie vorgestern in die Hand bekam, war
ich entzückt. Der Anfang superbe. Das Vorwort
ist von Ihnen, das kann ein Geschäftsmann nicht.
So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬
bracht, so eingeleitet. Selbst die Perücken, durch die
ich mich schlagen muß, würden einigen Respect vor
dieser Ueberzeugungskraft, vor dieser Gesinnung in
blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen.
Das kommt von Ihnen? Nicht?"

"Wenn nicht ein unsichtbarer Geist es mir ein¬
gab, der sein Eigenthum reclamirt."

"Machen Sie Ihre Sache nicht schlechter, als sie
ist, junger Mann. Gestehen Sie offen Ihren Fehl¬
tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit
Sie geplagt -- Wort für Wort abgeschrieben."

"Von wem?"

"Ich will's noch glauben, daß Sie das Original
selbst nicht kannten."

Der Minister war, mit einem stummen Wink,
daß der Andere ihm folge, in sein Arbeitszimmer
getreten. Vom Schreibtisch nahm er ein sauber
mundirtes Promemoria und reichte es Walter: "Lesen
Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchsius,
welche dieser geschickte Arbeiter auf die von mir ihm
angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬
denheit, ganz in meine Ideen eingehend."

Walter las, blätterte, überflog mit steigender
Verwunderung. Das Thema dasselbe, die Einleitung
die formelle eines geübten Geschäftsmannes, die Ein¬

„Als ich ſie vorgeſtern in die Hand bekam, war
ich entzückt. Der Anfang ſuperbe. Das Vorwort
iſt von Ihnen, das kann ein Geſchäftsmann nicht.
So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬
bracht, ſo eingeleitet. Selbſt die Perücken, durch die
ich mich ſchlagen muß, würden einigen Reſpect vor
dieſer Ueberzeugungskraft, vor dieſer Geſinnung in
blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen.
Das kommt von Ihnen? Nicht?“

„Wenn nicht ein unſichtbarer Geiſt es mir ein¬
gab, der ſein Eigenthum reclamirt.“

„Machen Sie Ihre Sache nicht ſchlechter, als ſie
iſt, junger Mann. Geſtehen Sie offen Ihren Fehl¬
tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit
Sie geplagt — Wort für Wort abgeſchrieben.“

„Von wem?“

„Ich will's noch glauben, daß Sie das Original
ſelbſt nicht kannten.“

Der Miniſter war, mit einem ſtummen Wink,
daß der Andere ihm folge, in ſein Arbeitszimmer
getreten. Vom Schreibtiſch nahm er ein ſauber
mundirtes Promemoria und reichte es Walter: „Leſen
Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchſius,
welche dieſer geſchickte Arbeiter auf die von mir ihm
angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬
denheit, ganz in meine Ideen eingehend.“

Walter las, blätterte, überflog mit ſteigender
Verwunderung. Das Thema daſſelbe, die Einleitung
die formelle eines geübten Geſchäftsmannes, die Ein¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0199" n="189"/>
        <p>&#x201E;Als ich &#x017F;ie vorge&#x017F;tern in die Hand bekam, war<lb/>
ich entzückt. Der Anfang &#x017F;uperbe. Das Vorwort<lb/>
i&#x017F;t von Ihnen, das kann ein Ge&#x017F;chäftsmann nicht.<lb/>
So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬<lb/>
bracht, &#x017F;o eingeleitet. Selb&#x017F;t die Perücken, durch die<lb/>
ich mich &#x017F;chlagen muß, würden einigen Re&#x017F;pect vor<lb/>
die&#x017F;er Ueberzeugungskraft, vor die&#x017F;er Ge&#x017F;innung in<lb/>
blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen.<lb/>
Das kommt von Ihnen? Nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn nicht ein un&#x017F;ichtbarer Gei&#x017F;t es mir ein¬<lb/>
gab, der &#x017F;ein Eigenthum reclamirt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Machen Sie Ihre Sache nicht &#x017F;chlechter, als &#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t, junger Mann. Ge&#x017F;tehen Sie offen Ihren Fehl¬<lb/>
tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit<lb/>
Sie geplagt &#x2014; Wort für Wort abge&#x017F;chrieben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von wem?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich will's noch glauben, daß Sie das Original<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht kannten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Mini&#x017F;ter war, mit einem &#x017F;tummen Wink,<lb/>
daß der Andere ihm folge, in &#x017F;ein Arbeitszimmer<lb/>
getreten. Vom Schreibti&#x017F;ch nahm er ein &#x017F;auber<lb/>
mundirtes Promemoria und reichte es Walter: &#x201E;Le&#x017F;en<lb/>
Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuch&#x017F;ius,<lb/>
welche die&#x017F;er ge&#x017F;chickte Arbeiter auf die von mir ihm<lb/>
angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬<lb/>
denheit, ganz in meine Ideen eingehend.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Walter las, blätterte, überflog mit &#x017F;teigender<lb/>
Verwunderung. Das Thema da&#x017F;&#x017F;elbe, die Einleitung<lb/>
die formelle eines geübten Ge&#x017F;chäftsmannes, die Ein¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0199] „Als ich ſie vorgeſtern in die Hand bekam, war ich entzückt. Der Anfang ſuperbe. Das Vorwort iſt von Ihnen, das kann ein Geſchäftsmann nicht. So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬ bracht, ſo eingeleitet. Selbſt die Perücken, durch die ich mich ſchlagen muß, würden einigen Reſpect vor dieſer Ueberzeugungskraft, vor dieſer Geſinnung in blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen. Das kommt von Ihnen? Nicht?“ „Wenn nicht ein unſichtbarer Geiſt es mir ein¬ gab, der ſein Eigenthum reclamirt.“ „Machen Sie Ihre Sache nicht ſchlechter, als ſie iſt, junger Mann. Geſtehen Sie offen Ihren Fehl¬ tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit Sie geplagt — Wort für Wort abgeſchrieben.“ „Von wem?“ „Ich will's noch glauben, daß Sie das Original ſelbſt nicht kannten.“ Der Miniſter war, mit einem ſtummen Wink, daß der Andere ihm folge, in ſein Arbeitszimmer getreten. Vom Schreibtiſch nahm er ein ſauber mundirtes Promemoria und reichte es Walter: „Leſen Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchſius, welche dieſer geſchickte Arbeiter auf die von mir ihm angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬ denheit, ganz in meine Ideen eingehend.“ Walter las, blätterte, überflog mit ſteigender Verwunderung. Das Thema daſſelbe, die Einleitung die formelle eines geübten Geſchäftsmannes, die Ein¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/199
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/199>, abgerufen am 05.05.2024.