Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

umherschweiften, fuhr ihr ein stechendes kleines Augen¬
paar entgegen. Die Geheimräthin Lupinus war
ungemeldet eingetreten.

"Mein Gott, welche Ueberraschung!"

Die Gargazin spielte hier keine Rolle, als sie
mit den geöffneten Armen zurück fuhr. Es war eine
vollkommene natürliche Ueberraschung; denn sie war
jedes andern Besuches gewärtig, als der Lupinus,
die zwar zu ihren Soireen ein für alle Mal formell
eingeladen, aber noch nie gekommen, auch nie er¬
wartet war. Ob sie aus Nachlässigkeit der Domestiken
ungemeldet bis in das Zimmer gedrungen, ob die
Fürstin im Eifer des Gespräches die Meldung nicht
gehört, lassen wir unentschieden, aber Thatsache war,
daß sie unbemerkt mitten im Zimmer stand und der
Wirthin in dem Augenblick sich näherte, als die
Comteß durch eine Seitenbewegung sich den Armen
der zu gütigen Fürstin entwunden hatte.

Alle waren überrascht; nur die Ueberraschende
schien sich in der Wirkung, die ihre Erscheinung her¬
vorrief, zu gefallen. Sie hatte etwas gestört, vielleicht
zerstört, eine Gruppe voll Liebe und Einigkeit. Die
Lust, welche das Zerstören veranlaßt, wird von Vielen
als eine Wollust geschildert.

Die Lupinus war eine andere geworden, als
wir sie kennen gelernt. Die bunten Farben waren
aus ihrer Kleidung verschwunden, aus ihren Zügen
der Liebreiz, der noch fesseln konnte, während die
Schärfe derselben zurückschreckte. Ihre Augen konnte

umherſchweiften, fuhr ihr ein ſtechendes kleines Augen¬
paar entgegen. Die Geheimräthin Lupinus war
ungemeldet eingetreten.

„Mein Gott, welche Ueberraſchung!“

Die Gargazin ſpielte hier keine Rolle, als ſie
mit den geöffneten Armen zurück fuhr. Es war eine
vollkommene natürliche Ueberraſchung; denn ſie war
jedes andern Beſuches gewärtig, als der Lupinus,
die zwar zu ihren Soireen ein für alle Mal formell
eingeladen, aber noch nie gekommen, auch nie er¬
wartet war. Ob ſie aus Nachläſſigkeit der Domeſtiken
ungemeldet bis in das Zimmer gedrungen, ob die
Fürſtin im Eifer des Geſpräches die Meldung nicht
gehört, laſſen wir unentſchieden, aber Thatſache war,
daß ſie unbemerkt mitten im Zimmer ſtand und der
Wirthin in dem Augenblick ſich näherte, als die
Comteß durch eine Seitenbewegung ſich den Armen
der zu gütigen Fürſtin entwunden hatte.

Alle waren überraſcht; nur die Ueberraſchende
ſchien ſich in der Wirkung, die ihre Erſcheinung her¬
vorrief, zu gefallen. Sie hatte etwas geſtört, vielleicht
zerſtört, eine Gruppe voll Liebe und Einigkeit. Die
Luſt, welche das Zerſtören veranlaßt, wird von Vielen
als eine Wolluſt geſchildert.

Die Lupinus war eine andere geworden, als
wir ſie kennen gelernt. Die bunten Farben waren
aus ihrer Kleidung verſchwunden, aus ihren Zügen
der Liebreiz, der noch feſſeln konnte, während die
Schärfe derſelben zurückſchreckte. Ihre Augen konnte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="136"/>
umher&#x017F;chweiften, fuhr ihr ein &#x017F;techendes kleines Augen¬<lb/>
paar entgegen. Die Geheimräthin Lupinus war<lb/>
ungemeldet eingetreten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott, welche Ueberra&#x017F;chung!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Gargazin &#x017F;pielte hier keine Rolle, als &#x017F;ie<lb/>
mit den geöffneten Armen zurück fuhr. Es war eine<lb/>
vollkommene natürliche Ueberra&#x017F;chung; denn &#x017F;ie war<lb/>
jedes andern Be&#x017F;uches gewärtig, als der Lupinus,<lb/>
die zwar zu ihren Soireen ein für alle Mal formell<lb/>
eingeladen, aber noch nie gekommen, auch nie er¬<lb/>
wartet war. Ob &#x017F;ie aus Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeit der Dome&#x017F;tiken<lb/>
ungemeldet bis in das Zimmer gedrungen, ob die<lb/>
Für&#x017F;tin im Eifer des Ge&#x017F;präches die Meldung nicht<lb/>
gehört, la&#x017F;&#x017F;en wir unent&#x017F;chieden, aber That&#x017F;ache war,<lb/>
daß &#x017F;ie unbemerkt mitten im Zimmer &#x017F;tand und der<lb/>
Wirthin in dem Augenblick &#x017F;ich näherte, als die<lb/>
Comteß durch eine Seitenbewegung &#x017F;ich den Armen<lb/>
der zu gütigen Für&#x017F;tin entwunden hatte.</p><lb/>
        <p>Alle waren überra&#x017F;cht; nur die Ueberra&#x017F;chende<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;ich in der Wirkung, die ihre Er&#x017F;cheinung her¬<lb/>
vorrief, zu gefallen. Sie hatte etwas ge&#x017F;tört, vielleicht<lb/>
zer&#x017F;tört, eine Gruppe voll Liebe und Einigkeit. Die<lb/>
Lu&#x017F;t, welche das Zer&#x017F;tören veranlaßt, wird von Vielen<lb/>
als eine Wollu&#x017F;t ge&#x017F;childert.</p><lb/>
        <p>Die Lupinus war eine andere geworden, als<lb/>
wir &#x017F;ie kennen gelernt. Die bunten Farben waren<lb/>
aus ihrer Kleidung ver&#x017F;chwunden, aus ihren Zügen<lb/>
der Liebreiz, der noch fe&#x017F;&#x017F;eln konnte, während die<lb/>
Schärfe der&#x017F;elben zurück&#x017F;chreckte. Ihre Augen konnte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0146] umherſchweiften, fuhr ihr ein ſtechendes kleines Augen¬ paar entgegen. Die Geheimräthin Lupinus war ungemeldet eingetreten. „Mein Gott, welche Ueberraſchung!“ Die Gargazin ſpielte hier keine Rolle, als ſie mit den geöffneten Armen zurück fuhr. Es war eine vollkommene natürliche Ueberraſchung; denn ſie war jedes andern Beſuches gewärtig, als der Lupinus, die zwar zu ihren Soireen ein für alle Mal formell eingeladen, aber noch nie gekommen, auch nie er¬ wartet war. Ob ſie aus Nachläſſigkeit der Domeſtiken ungemeldet bis in das Zimmer gedrungen, ob die Fürſtin im Eifer des Geſpräches die Meldung nicht gehört, laſſen wir unentſchieden, aber Thatſache war, daß ſie unbemerkt mitten im Zimmer ſtand und der Wirthin in dem Augenblick ſich näherte, als die Comteß durch eine Seitenbewegung ſich den Armen der zu gütigen Fürſtin entwunden hatte. Alle waren überraſcht; nur die Ueberraſchende ſchien ſich in der Wirkung, die ihre Erſcheinung her¬ vorrief, zu gefallen. Sie hatte etwas geſtört, vielleicht zerſtört, eine Gruppe voll Liebe und Einigkeit. Die Luſt, welche das Zerſtören veranlaßt, wird von Vielen als eine Wolluſt geſchildert. Die Lupinus war eine andere geworden, als wir ſie kennen gelernt. Die bunten Farben waren aus ihrer Kleidung verſchwunden, aus ihren Zügen der Liebreiz, der noch feſſeln konnte, während die Schärfe derſelben zurückſchreckte. Ihre Augen konnte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/146
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/146>, abgerufen am 05.05.2024.