man nie eigentlich schön nennen, aber es lag zuweilen etwas Schmachtendes, Sehnsüchtiges darin, was mit dem lauernden Aufblitzen versöhnen mochte. Man bedauerte sie, man las die Unbefriedigung, welche als Unruhe in ihr aufzückte. Diese Unruhe schien einer eiskalten Ruhe gewichen. Schien, sagen wir, so lange sie Herrin über sich blieb, aber in Momenten zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge schoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein sanftes Auge sich unwillkürlich schloß, wie ein keusches Gemüth vor einem Anblick, den es nie gesehen, und doch hat es die Empfindung, daß es so etwas nicht sehen darf. Und doch, wie schnell war die Ruhe wieder über das Gesicht ausgegossen und ein Lächeln schwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen zu den Umstehenden spricht: Es schmerzt nicht.
Die Fürstin und die Geheimräthin hatten einen Versuch gemacht sich zu embrassiren, ein Versuch, der, an irgend etwas gescheitert, in einem wiederholten Händeschütteln sich aufgelöst.
"Ich werde Ihnen das nie vergessen, da ich weiß, was Sie mir bringen," waren die nächsten Worte der Gargazin, und die Freude schien auf ihr Gesicht zurückgekehrt, als sie den neuen Gast neben sich auf's Canape gezogen. Ihr Auge streifte über die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an die Freundesgruppe, sich aufzulösen. Die Hofdame hatte sich mit dem Regierungsrath schon fortgeschlichen.
man nie eigentlich ſchön nennen, aber es lag zuweilen etwas Schmachtendes, Sehnſüchtiges darin, was mit dem lauernden Aufblitzen verſöhnen mochte. Man bedauerte ſie, man las die Unbefriedigung, welche als Unruhe in ihr aufzückte. Dieſe Unruhe ſchien einer eiskalten Ruhe gewichen. Schien, ſagen wir, ſo lange ſie Herrin über ſich blieb, aber in Momenten zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge ſchoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein ſanftes Auge ſich unwillkürlich ſchloß, wie ein keuſches Gemüth vor einem Anblick, den es nie geſehen, und doch hat es die Empfindung, daß es ſo etwas nicht ſehen darf. Und doch, wie ſchnell war die Ruhe wieder über das Geſicht ausgegoſſen und ein Lächeln ſchwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen zu den Umſtehenden ſpricht: Es ſchmerzt nicht.
Die Fürſtin und die Geheimräthin hatten einen Verſuch gemacht ſich zu embraſſiren, ein Verſuch, der, an irgend etwas geſcheitert, in einem wiederholten Händeſchütteln ſich aufgelöſt.
„Ich werde Ihnen das nie vergeſſen, da ich weiß, was Sie mir bringen,“ waren die nächſten Worte der Gargazin, und die Freude ſchien auf ihr Geſicht zurückgekehrt, als ſie den neuen Gaſt neben ſich auf's Canapé gezogen. Ihr Auge ſtreifte über die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an die Freundesgruppe, ſich aufzulöſen. Die Hofdame hatte ſich mit dem Regierungsrath ſchon fortgeſchlichen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0147"n="137"/>
man nie eigentlich ſchön nennen, aber es lag zuweilen<lb/>
etwas Schmachtendes, Sehnſüchtiges darin, was mit<lb/>
dem lauernden Aufblitzen verſöhnen mochte. Man<lb/>
bedauerte ſie, man las die Unbefriedigung, welche als<lb/>
Unruhe in ihr aufzückte. Dieſe Unruhe ſchien einer<lb/>
eiskalten Ruhe gewichen. <hirendition="#g">Schien</hi>, ſagen wir, ſo<lb/>
lange ſie Herrin über ſich blieb, aber in Momenten<lb/>
zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge<lb/>ſchoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein<lb/>ſanftes Auge ſich unwillkürlich ſchloß, wie ein keuſches<lb/>
Gemüth vor einem Anblick, den es nie geſehen, und<lb/>
doch hat es die Empfindung, daß es ſo etwas nicht<lb/>ſehen darf. Und doch, wie ſchnell war die Ruhe<lb/>
wieder über das Geſicht ausgegoſſen und ein Lächeln<lb/>ſchwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit<lb/>
dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen<lb/>
zu den Umſtehenden ſpricht: Es ſchmerzt nicht.</p><lb/><p>Die Fürſtin und die Geheimräthin hatten einen<lb/>
Verſuch gemacht ſich zu embraſſiren, ein Verſuch, der,<lb/>
an irgend etwas geſcheitert, in einem wiederholten<lb/>
Händeſchütteln ſich aufgelöſt.</p><lb/><p>„Ich werde Ihnen das nie vergeſſen, da ich<lb/>
weiß, was Sie mir bringen,“ waren die nächſten<lb/>
Worte der Gargazin, und die Freude ſchien auf ihr<lb/>
Geſicht zurückgekehrt, als ſie den neuen Gaſt neben<lb/>ſich auf's Canap<hirendition="#aq">é</hi> gezogen. Ihr Auge ſtreifte über<lb/>
die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an<lb/>
die Freundesgruppe, ſich aufzulöſen. Die Hofdame<lb/>
hatte ſich mit dem Regierungsrath ſchon fortgeſchlichen.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[137/0147]
man nie eigentlich ſchön nennen, aber es lag zuweilen
etwas Schmachtendes, Sehnſüchtiges darin, was mit
dem lauernden Aufblitzen verſöhnen mochte. Man
bedauerte ſie, man las die Unbefriedigung, welche als
Unruhe in ihr aufzückte. Dieſe Unruhe ſchien einer
eiskalten Ruhe gewichen. Schien, ſagen wir, ſo
lange ſie Herrin über ſich blieb, aber in Momenten
zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge
ſchoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein
ſanftes Auge ſich unwillkürlich ſchloß, wie ein keuſches
Gemüth vor einem Anblick, den es nie geſehen, und
doch hat es die Empfindung, daß es ſo etwas nicht
ſehen darf. Und doch, wie ſchnell war die Ruhe
wieder über das Geſicht ausgegoſſen und ein Lächeln
ſchwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit
dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen
zu den Umſtehenden ſpricht: Es ſchmerzt nicht.
Die Fürſtin und die Geheimräthin hatten einen
Verſuch gemacht ſich zu embraſſiren, ein Verſuch, der,
an irgend etwas geſcheitert, in einem wiederholten
Händeſchütteln ſich aufgelöſt.
„Ich werde Ihnen das nie vergeſſen, da ich
weiß, was Sie mir bringen,“ waren die nächſten
Worte der Gargazin, und die Freude ſchien auf ihr
Geſicht zurückgekehrt, als ſie den neuen Gaſt neben
ſich auf's Canapé gezogen. Ihr Auge ſtreifte über
die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an
die Freundesgruppe, ſich aufzulöſen. Die Hofdame
hatte ſich mit dem Regierungsrath ſchon fortgeſchlichen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/147>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.