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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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man nie eigentlich schön nennen, aber es lag zuweilen
etwas Schmachtendes, Sehnsüchtiges darin, was mit
dem lauernden Aufblitzen versöhnen mochte. Man
bedauerte sie, man las die Unbefriedigung, welche als
Unruhe in ihr aufzückte. Diese Unruhe schien einer
eiskalten Ruhe gewichen. Schien, sagen wir, so
lange sie Herrin über sich blieb, aber in Momenten
zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge
schoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein
sanftes Auge sich unwillkürlich schloß, wie ein keusches
Gemüth vor einem Anblick, den es nie gesehen, und
doch hat es die Empfindung, daß es so etwas nicht
sehen darf. Und doch, wie schnell war die Ruhe
wieder über das Gesicht ausgegossen und ein Lächeln
schwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit
dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen
zu den Umstehenden spricht: Es schmerzt nicht.

Die Fürstin und die Geheimräthin hatten einen
Versuch gemacht sich zu embrassiren, ein Versuch, der,
an irgend etwas gescheitert, in einem wiederholten
Händeschütteln sich aufgelöst.

"Ich werde Ihnen das nie vergessen, da ich
weiß, was Sie mir bringen," waren die nächsten
Worte der Gargazin, und die Freude schien auf ihr
Gesicht zurückgekehrt, als sie den neuen Gast neben
sich auf's Canape gezogen. Ihr Auge streifte über
die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an
die Freundesgruppe, sich aufzulösen. Die Hofdame
hatte sich mit dem Regierungsrath schon fortgeschlichen.

man nie eigentlich ſchön nennen, aber es lag zuweilen
etwas Schmachtendes, Sehnſüchtiges darin, was mit
dem lauernden Aufblitzen verſöhnen mochte. Man
bedauerte ſie, man las die Unbefriedigung, welche als
Unruhe in ihr aufzückte. Dieſe Unruhe ſchien einer
eiskalten Ruhe gewichen. Schien, ſagen wir, ſo
lange ſie Herrin über ſich blieb, aber in Momenten
zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge
ſchoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein
ſanftes Auge ſich unwillkürlich ſchloß, wie ein keuſches
Gemüth vor einem Anblick, den es nie geſehen, und
doch hat es die Empfindung, daß es ſo etwas nicht
ſehen darf. Und doch, wie ſchnell war die Ruhe
wieder über das Geſicht ausgegoſſen und ein Lächeln
ſchwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit
dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen
zu den Umſtehenden ſpricht: Es ſchmerzt nicht.

Die Fürſtin und die Geheimräthin hatten einen
Verſuch gemacht ſich zu embraſſiren, ein Verſuch, der,
an irgend etwas geſcheitert, in einem wiederholten
Händeſchütteln ſich aufgelöſt.

„Ich werde Ihnen das nie vergeſſen, da ich
weiß, was Sie mir bringen,“ waren die nächſten
Worte der Gargazin, und die Freude ſchien auf ihr
Geſicht zurückgekehrt, als ſie den neuen Gaſt neben
ſich auf's Canapé gezogen. Ihr Auge ſtreifte über
die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an
die Freundesgruppe, ſich aufzulöſen. Die Hofdame
hatte ſich mit dem Regierungsrath ſchon fortgeſchlichen.

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[137/0147] man nie eigentlich ſchön nennen, aber es lag zuweilen etwas Schmachtendes, Sehnſüchtiges darin, was mit dem lauernden Aufblitzen verſöhnen mochte. Man bedauerte ſie, man las die Unbefriedigung, welche als Unruhe in ihr aufzückte. Dieſe Unruhe ſchien einer eiskalten Ruhe gewichen. Schien, ſagen wir, ſo lange ſie Herrin über ſich blieb, aber in Momenten zückte das Feuer der Unruhe wieder heraus, ihr Auge ſchoß Blitze, die wehe thun konnten, vor denen ein ſanftes Auge ſich unwillkürlich ſchloß, wie ein keuſches Gemüth vor einem Anblick, den es nie geſehen, und doch hat es die Empfindung, daß es ſo etwas nicht ſehen darf. Und doch, wie ſchnell war die Ruhe wieder über das Geſicht ausgegoſſen und ein Lächeln ſchwebte um die Lippen, das ein Maler vielleicht mit dem einer Heiligen verglichen, die unter Folterqualen zu den Umſtehenden ſpricht: Es ſchmerzt nicht. Die Fürſtin und die Geheimräthin hatten einen Verſuch gemacht ſich zu embraſſiren, ein Verſuch, der, an irgend etwas geſcheitert, in einem wiederholten Händeſchütteln ſich aufgelöſt. „Ich werde Ihnen das nie vergeſſen, da ich weiß, was Sie mir bringen,“ waren die nächſten Worte der Gargazin, und die Freude ſchien auf ihr Geſicht zurückgekehrt, als ſie den neuen Gaſt neben ſich auf's Canapé gezogen. Ihr Auge ſtreifte über die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an die Freundesgruppe, ſich aufzulöſen. Die Hofdame hatte ſich mit dem Regierungsrath ſchon fortgeſchlichen.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/147>, abgerufen am 25.11.2024.