und Sie sind eine nobel gesinnte Dame, und wer Domestiken behandelt, wie er es selbst verdient, der ist rechtschaffen vor Gott und vor den Menschen. Denn wir Domestiken sind auch Menschen vor Gott und unsrer Herrschaft, und ich brauchte es ja nicht zu sein, sagt mein Cousin, der Herr Hoflakir. Ja wenn der nur hier wäre! Der würde ein Wort sprechen, aber ich bin eine vereinzelte unglückliche ledige Person. Und darum sind der Herr Geheimrath so ausver¬ schämt. Hab ich denn die Chocolate gesoffen?"
"Charlotte!" wiederholte die Geheimräthin.
Der Vogtei-Lupinus war auf dem Gipfelpunkt seines Zornes: "Sie soll mir nicht wieder vor's Gesicht."
"Das will ich auch gar nicht. I bilden Sie sich das nur nicht ein. Und wenn Sie's mir auch nicht sagten. Gott bewahre, daß ich noch einen Fuß in das Haus thäte, wo man eine rechtschaffne Person so maltraitirt. Meine Cousine, die Frau Hoflakir, hat auch gesagt, sie könnt's nicht begreifen, warum ich's so lange ausgehalten. Ja, was thut der Mensch nicht, wenn die Kinder uns ans Herz gewachsen sind. Und nun soll ich die Schuld sein! O du gerechte Güte! Hab ich sie zur Chocolate invitirt? Hab ich die Brätzeln gebacken? Wer weiß denn, was der Kuchenbäcker rein gethan."
"Charlotte, ich bitte Sie, sei Sie stille, sprach die Geheimräthin, die Hand am Herzen. Sie weiß nicht was Sie redet. Sie ließ die Kinder außer Acht."
und Sie ſind eine nobel geſinnte Dame, und wer Domeſtiken behandelt, wie er es ſelbſt verdient, der iſt rechtſchaffen vor Gott und vor den Menſchen. Denn wir Domeſtiken ſind auch Menſchen vor Gott und unſrer Herrſchaft, und ich brauchte es ja nicht zu ſein, ſagt mein Couſin, der Herr Hoflakir. Ja wenn der nur hier wäre! Der würde ein Wort ſprechen, aber ich bin eine vereinzelte unglückliche ledige Perſon. Und darum ſind der Herr Geheimrath ſo ausver¬ ſchämt. Hab ich denn die Chocolate geſoffen?“
„Charlotte!“ wiederholte die Geheimräthin.
Der Vogtei-Lupinus war auf dem Gipfelpunkt ſeines Zornes: „Sie ſoll mir nicht wieder vor's Geſicht.“
„Das will ich auch gar nicht. I bilden Sie ſich das nur nicht ein. Und wenn Sie's mir auch nicht ſagten. Gott bewahre, daß ich noch einen Fuß in das Haus thäte, wo man eine rechtſchaffne Perſon ſo maltraitirt. Meine Couſine, die Frau Hoflakir, hat auch geſagt, ſie könnt's nicht begreifen, warum ich's ſo lange ausgehalten. Ja, was thut der Menſch nicht, wenn die Kinder uns ans Herz gewachſen ſind. Und nun ſoll ich die Schuld ſein! O du gerechte Güte! Hab ich ſie zur Chocolate invitirt? Hab ich die Brätzeln gebacken? Wer weiß denn, was der Kuchenbäcker rein gethan.“
„Charlotte, ich bitte Sie, ſei Sie ſtille, ſprach die Geheimräthin, die Hand am Herzen. Sie weiß nicht was Sie redet. Sie ließ die Kinder außer Acht.“
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und Sie ſind eine nobel geſinnte Dame, und wer
Domeſtiken behandelt, wie er es ſelbſt verdient, der
iſt rechtſchaffen vor Gott und vor den Menſchen.
Denn wir Domeſtiken ſind auch Menſchen vor Gott
und unſrer Herrſchaft, und ich brauchte es ja nicht
zu ſein, ſagt mein Couſin, der Herr Hoflakir. Ja
wenn der nur hier wäre! Der würde ein Wort ſprechen,
aber ich bin eine vereinzelte unglückliche ledige Perſon.
Und darum ſind der Herr Geheimrath ſo ausver¬
ſchämt. Hab ich denn die Chocolate geſoffen?“
„Charlotte!“ wiederholte die Geheimräthin.
Der Vogtei-Lupinus war auf dem Gipfelpunkt
ſeines Zornes: „Sie ſoll mir nicht wieder vor's
Geſicht.“
„Das will ich auch gar nicht. I bilden Sie ſich
das nur nicht ein. Und wenn Sie's mir auch nicht
ſagten. Gott bewahre, daß ich noch einen Fuß in
das Haus thäte, wo man eine rechtſchaffne Perſon
ſo maltraitirt. Meine Couſine, die Frau Hoflakir,
hat auch geſagt, ſie könnt's nicht begreifen, warum
ich's ſo lange ausgehalten. Ja, was thut der Menſch
nicht, wenn die Kinder uns ans Herz gewachſen ſind.
Und nun ſoll ich die Schuld ſein! O du gerechte
Güte! Hab ich ſie zur Chocolate invitirt? Hab ich
die Brätzeln gebacken? Wer weiß denn, was der
Kuchenbäcker rein gethan.“
„Charlotte, ich bitte Sie, ſei Sie ſtille, ſprach die
Geheimräthin, die Hand am Herzen. Sie weiß nicht
was Sie redet. Sie ließ die Kinder außer Acht.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/39>, abgerufen am 08.07.2024.
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