"Sie pflichtvergessenes -- schrie Lupinus -- derweil Sie am Fenster das Maul aufsperrte."
"Weil ich ein Gemüth habe, weil ich für meinen Gott und meinen König und unser herrliches Mili¬ tair zum Fenster raus sah, weil ich als eine gute Patriotin mein Herz ausschüttete! Nein, das geht mir doch über alles. Nu, kommen Sie mir wieder! Sag ich doch -- nu Kinder hin, nu alles hin, nu adjö sag ich Ihnen. Sie sollen mich nicht wieder sehn, Herr Geheimrath, nu mags gehn, wie es will, und wo ich hin will das weiß ich. In Ihr Haus zurück? -- I Gott bewahre! -- Sie können meine Sachen raus schmeißen lassen, auf den Schinkenplatz. Was Sie wollen, wie Sie wollen, immer zu! O das genirt mich noch nicht so viel, wie Ihre ganze Wirth¬ schaft nicht, mein Herr Geheimrath! Was ist für mich die Welt noch, wenn man so mit meinem Herzen umgeht! Aber nehmen Sie sich in Acht. Mein Cousin, der Herr Hoflakir, weiß was ich habe. Der zählt jedes Stück nach. -- Vor's hall'sche Thor will ich, aufs Grab der seligen Frau Geheimräthin, da will ich sprechen, da will ich mich ausweinen, da will ich klagen, da will ich mir ein Leids anthun -- denn ich kann nicht leben ohne die Kinder!"
Die Geheimräthin meinte, ihr Schwager solle seine Affecte moderiren. Er mußte es auch meinen; er hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und trocknete den Schweiß von der Stirn. "Eine erschreckliche Person!
„Wird mir das auch angerechnet!“
„Sie pflichtvergeſſenes — ſchrie Lupinus — derweil Sie am Fenſter das Maul aufſperrte.“
„Weil ich ein Gemüth habe, weil ich für meinen Gott und meinen König und unſer herrliches Mili¬ tair zum Fenſter raus ſah, weil ich als eine gute Patriotin mein Herz ausſchüttete! Nein, das geht mir doch über alles. Nu, kommen Sie mir wieder! Sag ich doch — nu Kinder hin, nu alles hin, nu adjö ſag ich Ihnen. Sie ſollen mich nicht wieder ſehn, Herr Geheimrath, nu mags gehn, wie es will, und wo ich hin will das weiß ich. In Ihr Haus zurück? — I Gott bewahre! — Sie können meine Sachen raus ſchmeißen laſſen, auf den Schinkenplatz. Was Sie wollen, wie Sie wollen, immer zu! O das genirt mich noch nicht ſo viel, wie Ihre ganze Wirth¬ ſchaft nicht, mein Herr Geheimrath! Was iſt für mich die Welt noch, wenn man ſo mit meinem Herzen umgeht! Aber nehmen Sie ſich in Acht. Mein Couſin, der Herr Hoflakir, weiß was ich habe. Der zählt jedes Stück nach. — Vor's hall'ſche Thor will ich, aufs Grab der ſeligen Frau Geheimräthin, da will ich ſprechen, da will ich mich ausweinen, da will ich klagen, da will ich mir ein Leids anthun — denn ich kann nicht leben ohne die Kinder!“
Die Geheimräthin meinte, ihr Schwager ſolle ſeine Affecte moderiren. Er mußte es auch meinen; er hatte ſich auf einen Stuhl geſetzt und trocknete den Schweiß von der Stirn. „Eine erſchreckliche Perſon!
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„Wird mir das auch angerechnet!“
„Sie pflichtvergeſſenes — ſchrie Lupinus —
derweil Sie am Fenſter das Maul aufſperrte.“
„Weil ich ein Gemüth habe, weil ich für meinen
Gott und meinen König und unſer herrliches Mili¬
tair zum Fenſter raus ſah, weil ich als eine gute
Patriotin mein Herz ausſchüttete! Nein, das geht mir
doch über alles. Nu, kommen Sie mir wieder! Sag
ich doch — nu Kinder hin, nu alles hin, nu adjö
ſag ich Ihnen. Sie ſollen mich nicht wieder ſehn,
Herr Geheimrath, nu mags gehn, wie es will, und
wo ich hin will das weiß ich. In Ihr Haus zurück?
— I Gott bewahre! — Sie können meine Sachen
raus ſchmeißen laſſen, auf den Schinkenplatz. Was
Sie wollen, wie Sie wollen, immer zu! O das
genirt mich noch nicht ſo viel, wie Ihre ganze Wirth¬
ſchaft nicht, mein Herr Geheimrath! Was iſt für
mich die Welt noch, wenn man ſo mit meinem Herzen
umgeht! Aber nehmen Sie ſich in Acht. Mein Couſin,
der Herr Hoflakir, weiß was ich habe. Der zählt
jedes Stück nach. — Vor's hall'ſche Thor will ich,
aufs Grab der ſeligen Frau Geheimräthin, da will
ich ſprechen, da will ich mich ausweinen, da will ich
klagen, da will ich mir ein Leids anthun — denn
ich kann nicht leben ohne die Kinder!“
Die Geheimräthin meinte, ihr Schwager ſolle
ſeine Affecte moderiren. Er mußte es auch meinen; er
hatte ſich auf einen Stuhl geſetzt und trocknete den
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/40>, abgerufen am 23.11.2024.
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