nein. Wie ein Purpurri 'rüber geschüttet, wie ich da in den Hausflur trat, es knickte mir in die Knie, und ich wollt's nicht glauben, und die Menschheit! Vom Gensdarmenmarkt, vom Fürstenhause her, die Polizei konnte gar nicht durch, daß die Leichenträger nur Platz hatten. Und da war doch nur eine Empfin¬ dung!"
"Er war ein treuer Diener, und wir sind alle Menschen."
"Aber doch mit Unterschied, Frau Geheimräthin. Und den Kranz von weißen Rosen, den Sie auf seine Todtenlocke gedrückt und sein bleiches Antlitz! Er war mein Cousin, schluchzte ich, und meine Cou¬ sine, die Frau Hoflakir, sprach: Ja das Leben ist doch schön! Nein, Frau Geheimräthin, und wenn Sie mich eine schlechte Person nennen, Sie haben ihn sterben lassen, daß mancher sagen möchte, so möchte ich auch sterben."
Wenn eine Emotion sich in dem halb geschlossenen Auge der Geheimräthin kund geben wollte, so bemerkte es Niemand, Charlotte am wenigsten, denn helle Trompetenstöße lockten jetzt aufs Neue und unwider¬ stehlich an die Fenster. Jeder stürzte dahin, wo er Platz fand; Charlotte hatte einen, der ihr wohl nicht zukam, eingenommen, Arm an Arm mit der Baronin Eitelbach. Keine sah die andre, keine gab auf die andre Acht.
"Ach da reitet er!" rief Charlotte, den Blick auf eine Schwadron der Gensdarmen gerichtet, die um
nein. Wie ein Purpurri 'rüber geſchüttet, wie ich da in den Hausflur trat, es knickte mir in die Knie, und ich wollt's nicht glauben, und die Menſchheit! Vom Gensdarmenmarkt, vom Fürſtenhauſe her, die Polizei konnte gar nicht durch, daß die Leichenträger nur Platz hatten. Und da war doch nur eine Empfin¬ dung!“
„Er war ein treuer Diener, und wir ſind alle Menſchen.“
„Aber doch mit Unterſchied, Frau Geheimräthin. Und den Kranz von weißen Roſen, den Sie auf ſeine Todtenlocke gedrückt und ſein bleiches Antlitz! Er war mein Couſin, ſchluchzte ich, und meine Cou¬ ſine, die Frau Hoflakir, ſprach: Ja das Leben iſt doch ſchön! Nein, Frau Geheimräthin, und wenn Sie mich eine ſchlechte Perſon nennen, Sie haben ihn ſterben laſſen, daß mancher ſagen möchte, ſo möchte ich auch ſterben.“
Wenn eine Emotion ſich in dem halb geſchloſſenen Auge der Geheimräthin kund geben wollte, ſo bemerkte es Niemand, Charlotte am wenigſten, denn helle Trompetenſtöße lockten jetzt aufs Neue und unwider¬ ſtehlich an die Fenſter. Jeder ſtürzte dahin, wo er Platz fand; Charlotte hatte einen, der ihr wohl nicht zukam, eingenommen, Arm an Arm mit der Baronin Eitelbach. Keine ſah die andre, keine gab auf die andre Acht.
„Ach da reitet er!“ rief Charlotte, den Blick auf eine Schwadron der Gensdarmen gerichtet, die um
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0023"n="13"/>
nein. Wie ein Purpurri 'rüber geſchüttet, wie ich da<lb/>
in den Hausflur trat, es knickte mir in die Knie, und<lb/>
ich wollt's nicht glauben, und die Menſchheit! Vom<lb/>
Gensdarmenmarkt, vom Fürſtenhauſe her, die Polizei<lb/>
konnte gar nicht durch, daß die Leichenträger nur<lb/>
Platz hatten. Und da war doch nur <hirendition="#g">eine</hi> Empfin¬<lb/>
dung!“</p><lb/><p>„Er war ein treuer Diener, und wir ſind alle<lb/>
Menſchen.“</p><lb/><p>„Aber doch mit Unterſchied, Frau Geheimräthin.<lb/>
Und den Kranz von weißen Roſen, den Sie auf<lb/>ſeine Todtenlocke gedrückt und ſein bleiches Antlitz!<lb/>
Er war mein Couſin, ſchluchzte ich, und meine Cou¬<lb/>ſine, die Frau Hoflakir, ſprach: Ja das Leben iſt doch<lb/>ſchön! Nein, Frau Geheimräthin, und wenn Sie mich<lb/>
eine ſchlechte Perſon nennen, Sie haben ihn ſterben<lb/>
laſſen, daß mancher ſagen möchte, ſo möchte ich auch<lb/>ſterben.“</p><lb/><p>Wenn eine Emotion ſich in dem halb geſchloſſenen<lb/>
Auge der Geheimräthin kund geben wollte, ſo bemerkte<lb/>
es Niemand, Charlotte am wenigſten, denn helle<lb/>
Trompetenſtöße lockten jetzt aufs Neue und unwider¬<lb/>ſtehlich an die Fenſter. Jeder ſtürzte dahin, wo er<lb/>
Platz fand; Charlotte hatte einen, der ihr wohl nicht<lb/>
zukam, eingenommen, Arm an Arm mit der Baronin<lb/>
Eitelbach. Keine ſah die andre, keine gab auf die<lb/>
andre Acht.</p><lb/><p>„Ach da reitet er!“ rief Charlotte, den Blick auf<lb/>
eine Schwadron der Gensdarmen gerichtet, die um<lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0023]
nein. Wie ein Purpurri 'rüber geſchüttet, wie ich da
in den Hausflur trat, es knickte mir in die Knie, und
ich wollt's nicht glauben, und die Menſchheit! Vom
Gensdarmenmarkt, vom Fürſtenhauſe her, die Polizei
konnte gar nicht durch, daß die Leichenträger nur
Platz hatten. Und da war doch nur eine Empfin¬
dung!“
„Er war ein treuer Diener, und wir ſind alle
Menſchen.“
„Aber doch mit Unterſchied, Frau Geheimräthin.
Und den Kranz von weißen Roſen, den Sie auf
ſeine Todtenlocke gedrückt und ſein bleiches Antlitz!
Er war mein Couſin, ſchluchzte ich, und meine Cou¬
ſine, die Frau Hoflakir, ſprach: Ja das Leben iſt doch
ſchön! Nein, Frau Geheimräthin, und wenn Sie mich
eine ſchlechte Perſon nennen, Sie haben ihn ſterben
laſſen, daß mancher ſagen möchte, ſo möchte ich auch
ſterben.“
Wenn eine Emotion ſich in dem halb geſchloſſenen
Auge der Geheimräthin kund geben wollte, ſo bemerkte
es Niemand, Charlotte am wenigſten, denn helle
Trompetenſtöße lockten jetzt aufs Neue und unwider¬
ſtehlich an die Fenſter. Jeder ſtürzte dahin, wo er
Platz fand; Charlotte hatte einen, der ihr wohl nicht
zukam, eingenommen, Arm an Arm mit der Baronin
Eitelbach. Keine ſah die andre, keine gab auf die
andre Acht.
„Ach da reitet er!“ rief Charlotte, den Blick auf
eine Schwadron der Gensdarmen gerichtet, die um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/23>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.