Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

die Ecke schwenkte. Sie gab den durchmarschirenden
Dragonern nur das Geleit.

"Ach da reitet er!" tobte es in einer Brust
neben ihr, ohne daß die Lippen sich bewegten.

"Nein, wie viel schöner sehn doch unsre aus, als
die Dragoner!"

Wunderbare Sympathie! Dasselbe dachte die
Baronin.

"Es geht doch nichts über die Garde! -- Das
ist alles adrett. Und wie sitzen sie auf dem Pferde!
Hurrje! Das fühlt auch jeder."

Charlotte hatte recht; einer spricht es, der andre
fühlt es. Die Tücher fingen wieder an zu wehen.

"Wem gilt dieser Jubel!" fragte am andern
Fenster die Fürstin.

"Den neuen Uniformen, Erlaucht," flüsterte Je¬
mand hinter ihr.

"Die bleiben in Berlin?"

"Es wäre schade sie dem Herbstwetter auszu¬
setzen."

"Aber die armen marauden Truppen, die ins
Feld müssen, werden es übel nehmen."

"Erlaucht! Das Futter fürs Pulver darf nichts
übel nehmen."

Am Zwischenfenster schluchzte plötzlich die Kriegs¬
räthin: "Und alle diese jungen schönen Leute werden
auch todt geschossen!"

"Nur ihre Pflicht, sagte der Kriegsrath. Wenn
der König befiehlt, muß jeder sterben."

die Ecke ſchwenkte. Sie gab den durchmarſchirenden
Dragonern nur das Geleit.

„Ach da reitet er!“ tobte es in einer Bruſt
neben ihr, ohne daß die Lippen ſich bewegten.

„Nein, wie viel ſchöner ſehn doch unſre aus, als
die Dragoner!“

Wunderbare Sympathie! Daſſelbe dachte die
Baronin.

„Es geht doch nichts über die Garde! — Das
iſt alles adrett. Und wie ſitzen ſie auf dem Pferde!
Hurrje! Das fühlt auch jeder.“

Charlotte hatte recht; einer ſpricht es, der andre
fühlt es. Die Tücher fingen wieder an zu wehen.

„Wem gilt dieſer Jubel!“ fragte am andern
Fenſter die Fürſtin.

„Den neuen Uniformen, Erlaucht,“ flüſterte Je¬
mand hinter ihr.

„Die bleiben in Berlin?“

„Es wäre ſchade ſie dem Herbſtwetter auszu¬
ſetzen.“

„Aber die armen marauden Truppen, die ins
Feld müſſen, werden es übel nehmen.“

„Erlaucht! Das Futter fürs Pulver darf nichts
übel nehmen.“

Am Zwiſchenfenſter ſchluchzte plötzlich die Kriegs¬
räthin: „Und alle dieſe jungen ſchönen Leute werden
auch todt geſchoſſen!“

„Nur ihre Pflicht, ſagte der Kriegsrath. Wenn
der König befiehlt, muß jeder ſterben.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="14"/>
die Ecke &#x017F;chwenkte. Sie gab den durchmar&#x017F;chirenden<lb/>
Dragonern nur das Geleit.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach da reitet er!&#x201C; tobte es in einer Bru&#x017F;t<lb/>
neben ihr, ohne daß die Lippen &#x017F;ich bewegten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, wie viel &#x017F;chöner &#x017F;ehn doch un&#x017F;re aus, als<lb/>
die Dragoner!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wunderbare Sympathie! Da&#x017F;&#x017F;elbe dachte die<lb/>
Baronin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es geht doch nichts über die Garde! &#x2014; Das<lb/>
i&#x017F;t alles adrett. Und wie &#x017F;itzen &#x017F;ie auf dem Pferde!<lb/>
Hurrje! Das fühlt auch jeder.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Charlotte hatte recht; einer &#x017F;pricht es, der andre<lb/>
fühlt es. Die Tücher fingen wieder an zu wehen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wem gilt die&#x017F;er Jubel!&#x201C; fragte am andern<lb/>
Fen&#x017F;ter die Für&#x017F;tin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Den neuen Uniformen, Erlaucht,&#x201C; flü&#x017F;terte Je¬<lb/>
mand hinter ihr.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die bleiben in Berlin?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es wäre &#x017F;chade &#x017F;ie dem Herb&#x017F;twetter auszu¬<lb/>
&#x017F;etzen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber die armen marauden Truppen, die ins<lb/>
Feld mü&#x017F;&#x017F;en, werden es übel nehmen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erlaucht! Das Futter fürs Pulver darf nichts<lb/>
übel nehmen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Am Zwi&#x017F;chenfen&#x017F;ter &#x017F;chluchzte plötzlich die Kriegs¬<lb/>
räthin: &#x201E;Und alle die&#x017F;e jungen &#x017F;chönen Leute werden<lb/>
auch todt ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nur ihre Pflicht, &#x017F;agte der Kriegsrath. Wenn<lb/>
der König befiehlt, muß jeder &#x017F;terben.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0024] die Ecke ſchwenkte. Sie gab den durchmarſchirenden Dragonern nur das Geleit. „Ach da reitet er!“ tobte es in einer Bruſt neben ihr, ohne daß die Lippen ſich bewegten. „Nein, wie viel ſchöner ſehn doch unſre aus, als die Dragoner!“ Wunderbare Sympathie! Daſſelbe dachte die Baronin. „Es geht doch nichts über die Garde! — Das iſt alles adrett. Und wie ſitzen ſie auf dem Pferde! Hurrje! Das fühlt auch jeder.“ Charlotte hatte recht; einer ſpricht es, der andre fühlt es. Die Tücher fingen wieder an zu wehen. „Wem gilt dieſer Jubel!“ fragte am andern Fenſter die Fürſtin. „Den neuen Uniformen, Erlaucht,“ flüſterte Je¬ mand hinter ihr. „Die bleiben in Berlin?“ „Es wäre ſchade ſie dem Herbſtwetter auszu¬ ſetzen.“ „Aber die armen marauden Truppen, die ins Feld müſſen, werden es übel nehmen.“ „Erlaucht! Das Futter fürs Pulver darf nichts übel nehmen.“ Am Zwiſchenfenſter ſchluchzte plötzlich die Kriegs¬ räthin: „Und alle dieſe jungen ſchönen Leute werden auch todt geſchoſſen!“ „Nur ihre Pflicht, ſagte der Kriegsrath. Wenn der König befiehlt, muß jeder ſterben.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/24
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/24>, abgerufen am 22.11.2024.