heut nicht spitz vor, als sie über die blonden Haare der Kleinen strich. Charlotte war auch jetzt in innerer Bewegung, aber es war eine andre, als sie plötzlich in Thränen ausbrechend den Saum des Kleides der Geheimräthin erfaßte und es an die Lippen drückte:
"Ach, Frau Geheimräthin, das müssen Sie mir schon erlauben. Es war doch zu schön. So einen ordinairen Dienstboten unter die Erde zu bringen, und seine eigne Herrschaft! Das wird Ihnen Gott lohnen. Er war mein Cousin, aber das ist es nicht. Er war meiner Mutter Onkel Schwesterkind, und angeheirathet nur, aber, und wenn er mir gar nichts gewesen wäre, das vergeß ich Ihnen nicht. Darüber ist auch nur eine Stimme in der Stadt. Und meine Cousine, die Frau Hoflakir, sagt, solch einen Sarg und von so schönem fetten Eichenholz, hat sie nicht gesehen, als ihr Mann seine Alte begrub, und das war ihr Glück, und ihr Mann versteht's; wenn der den Beutel aufthut, dann hält er nicht den Finger drauf. Und hat jetzt eigen Gespann; alle Sonntag fahren sie nach Charlottenburg, und haben mich auch schon mitgenommen, und ich habe auch mal die lieben Kleinen mitgenommen, daß sie doch auch ein Ver¬ gnügen haben, und ich kaufte ihnen für einen Dreier Semmel, daß sie die Karpfen füttern konnten. Na das war eine Herrlichkeit. Aber der Silberbeschlag! Nein Frau Geheimräthin, das ist es gar nicht. Was ist Silber? Unter der Erde rostet's, wir rosten Alle. Aber die Blumen, nein Du mein Himmel Jesus
heut nicht ſpitz vor, als ſie über die blonden Haare der Kleinen ſtrich. Charlotte war auch jetzt in innerer Bewegung, aber es war eine andre, als ſie plötzlich in Thränen ausbrechend den Saum des Kleides der Geheimräthin erfaßte und es an die Lippen drückte:
„Ach, Frau Geheimräthin, das müſſen Sie mir ſchon erlauben. Es war doch zu ſchön. So einen ordinairen Dienſtboten unter die Erde zu bringen, und ſeine eigne Herrſchaft! Das wird Ihnen Gott lohnen. Er war mein Couſin, aber das iſt es nicht. Er war meiner Mutter Onkel Schweſterkind, und angeheirathet nur, aber, und wenn er mir gar nichts geweſen wäre, das vergeß ich Ihnen nicht. Darüber iſt auch nur eine Stimme in der Stadt. Und meine Couſine, die Frau Hoflakir, ſagt, ſolch einen Sarg und von ſo ſchönem fetten Eichenholz, hat ſie nicht geſehen, als ihr Mann ſeine Alte begrub, und das war ihr Glück, und ihr Mann verſteht's; wenn der den Beutel aufthut, dann hält er nicht den Finger drauf. Und hat jetzt eigen Geſpann; alle Sonntag fahren ſie nach Charlottenburg, und haben mich auch ſchon mitgenommen, und ich habe auch mal die lieben Kleinen mitgenommen, daß ſie doch auch ein Ver¬ gnügen haben, und ich kaufte ihnen für einen Dreier Semmel, daß ſie die Karpfen füttern konnten. Na das war eine Herrlichkeit. Aber der Silberbeſchlag! Nein Frau Geheimräthin, das iſt es gar nicht. Was iſt Silber? Unter der Erde roſtet's, wir roſten Alle. Aber die Blumen, nein Du mein Himmel Jeſus
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heut nicht ſpitz vor, als ſie über die blonden Haare
der Kleinen ſtrich. Charlotte war auch jetzt in innerer
Bewegung, aber es war eine andre, als ſie plötzlich
in Thränen ausbrechend den Saum des Kleides der
Geheimräthin erfaßte und es an die Lippen drückte:
„Ach, Frau Geheimräthin, das müſſen Sie mir
ſchon erlauben. Es war doch zu ſchön. So einen
ordinairen Dienſtboten unter die Erde zu bringen,
und ſeine eigne Herrſchaft! Das wird Ihnen Gott
lohnen. Er war mein Couſin, aber das iſt es nicht.
Er war meiner Mutter Onkel Schweſterkind, und
angeheirathet nur, aber, und wenn er mir gar nichts
geweſen wäre, das vergeß ich Ihnen nicht. Darüber
iſt auch nur eine Stimme in der Stadt. Und meine
Couſine, die Frau Hoflakir, ſagt, ſolch einen Sarg
und von ſo ſchönem fetten Eichenholz, hat ſie nicht
geſehen, als ihr Mann ſeine Alte begrub, und das
war ihr Glück, und ihr Mann verſteht's; wenn der
den Beutel aufthut, dann hält er nicht den Finger
drauf. Und hat jetzt eigen Geſpann; alle Sonntag
fahren ſie nach Charlottenburg, und haben mich auch
ſchon mitgenommen, und ich habe auch mal die lieben
Kleinen mitgenommen, daß ſie doch auch ein Ver¬
gnügen haben, und ich kaufte ihnen für einen Dreier
Semmel, daß ſie die Karpfen füttern konnten. Na
das war eine Herrlichkeit. Aber der Silberbeſchlag!
Nein Frau Geheimräthin, das iſt es gar nicht. Was
iſt Silber? Unter der Erde roſtet's, wir roſten Alle.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/22>, abgerufen am 23.11.2024.
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