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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des
Auftritts gewesen. Sie brachte den Kindern Brätzeln
und fragte: ob sie schon Chocolate bekommen?

"Ach du mein Gott, die gestrenge Frau sind
auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte,
die sich umgedreht. Daß wir Ihnen auch so viel
Incommodität verursachen! Aber Kinder sind nun
mal Kinder, und wer weiß ob sie so was mal wie¬
dersehen, sagte meine Cousine, die Frau Hoflakir.
Ja sie gehn alle in den Tod."

"Giebt es einen schönern als fürs Vaterland!"
sprach die Geheimräthin mit Erhebung.

"Das sagte mein Wachtmeister auch, Frau Ge¬
heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod
ist doch Tod. Und eingebuddelt werden sie, ohne
Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg,
wo sie stehn und liegen. Und der Fritz will absolut
Soldat werden. Ist ein rabbiater Junge. Und mein
guter Herr Geheimrath, der die Güte selbst ist, Sie
glauben gar nicht, wie er ihm schon auf der Nase
spielt. Kinder sind Gottes Segen, o gewiß, aber sie
können auch Gottes Fluch werden, wenn sie aus¬
schlagen."

Die Geheimräthin streichelte die Köpfe der Klei¬
nen: "Geht liebe Kinder in die andre Stube und
laßt Euch Chocolate geben."

Warum erschrak Charlotte heute nicht vor der
Butterbrätzel, welche die Frau mit den spitzen Fingern
den Kleinen gab; warum kamen ihr diese Finger

Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des
Auftritts geweſen. Sie brachte den Kindern Brätzeln
und fragte: ob ſie ſchon Chocolate bekommen?

„Ach du mein Gott, die geſtrenge Frau ſind
auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte,
die ſich umgedreht. Daß wir Ihnen auch ſo viel
Incommodität verurſachen! Aber Kinder ſind nun
mal Kinder, und wer weiß ob ſie ſo was mal wie¬
derſehen, ſagte meine Couſine, die Frau Hoflakir.
Ja ſie gehn alle in den Tod.“

„Giebt es einen ſchönern als fürs Vaterland!“
ſprach die Geheimräthin mit Erhebung.

„Das ſagte mein Wachtmeiſter auch, Frau Ge¬
heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod
iſt doch Tod. Und eingebuddelt werden ſie, ohne
Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg,
wo ſie ſtehn und liegen. Und der Fritz will abſolut
Soldat werden. Iſt ein rabbiater Junge. Und mein
guter Herr Geheimrath, der die Güte ſelbſt iſt, Sie
glauben gar nicht, wie er ihm ſchon auf der Naſe
ſpielt. Kinder ſind Gottes Segen, o gewiß, aber ſie
können auch Gottes Fluch werden, wenn ſie aus¬
ſchlagen.“

Die Geheimräthin ſtreichelte die Köpfe der Klei¬
nen: „Geht liebe Kinder in die andre Stube und
laßt Euch Chocolate geben.“

Warum erſchrak Charlotte heute nicht vor der
Butterbrätzel, welche die Frau mit den ſpitzen Fingern
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[11/0021] Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des Auftritts geweſen. Sie brachte den Kindern Brätzeln und fragte: ob ſie ſchon Chocolate bekommen? „Ach du mein Gott, die geſtrenge Frau ſind auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte, die ſich umgedreht. Daß wir Ihnen auch ſo viel Incommodität verurſachen! Aber Kinder ſind nun mal Kinder, und wer weiß ob ſie ſo was mal wie¬ derſehen, ſagte meine Couſine, die Frau Hoflakir. Ja ſie gehn alle in den Tod.“ „Giebt es einen ſchönern als fürs Vaterland!“ ſprach die Geheimräthin mit Erhebung. „Das ſagte mein Wachtmeiſter auch, Frau Ge¬ heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod iſt doch Tod. Und eingebuddelt werden ſie, ohne Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg, wo ſie ſtehn und liegen. Und der Fritz will abſolut Soldat werden. Iſt ein rabbiater Junge. Und mein guter Herr Geheimrath, der die Güte ſelbſt iſt, Sie glauben gar nicht, wie er ihm ſchon auf der Naſe ſpielt. Kinder ſind Gottes Segen, o gewiß, aber ſie können auch Gottes Fluch werden, wenn ſie aus¬ ſchlagen.“ Die Geheimräthin ſtreichelte die Köpfe der Klei¬ nen: „Geht liebe Kinder in die andre Stube und laßt Euch Chocolate geben.“ Warum erſchrak Charlotte heute nicht vor der Butterbrätzel, welche die Frau mit den ſpitzen Fingern den Kleinen gab; warum kamen ihr dieſe Finger

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/21>, abgerufen am 23.11.2024.