Berlin ist, wenn wir ankommen? Es sind Couriere mit neuen Marschordres schon diese Nacht abgegangen. Und er geht ohne zu wissen, was mich quält. Nein, er geht mit dem Gedanken, daß ich ihn verspottet. Die erste Kugel kann ihn treffen, und -- und in das Jenseits ist er, und weiß nicht --"
"Daß Sie ihn lieben! -- Meine theuerste Ba¬ ronin, wenn wir das nur geahnet hätten! Man hielt es für eine flüchtige Passion. Wie hier die Welt ist!"
"Ja diese schlechte Welt kenne ich. Glauben Sie nicht, daß ich mehr weiß? Man hat mit uns ein grausames Spiel getrieben. Man amüsirte sich, mich aufzuziehen, weil er mir damals unausstehlich war. Sie antworteten, ich war ja auch ihm zuwider! Das war recht von ihm. Wie sollte er eine Frau achten, so empfindlich um eitle Thorheiten. Er ist ein Deutscher Ehrenmann, wie die Ritter in alter Zeit müssen gewesen sein. Gnädigste Frau, Sie kennen dieses Gemüth nicht. Mit seinem ruhigen Auge hatte er meine wahren Gefühle erkannt, und das war es, was seinen Sinn änderte. Er sah mich an mit, nen¬ nen Sie's wie Sie wollen, Aufmerksamkeit, Theil¬ nahme, meinethalben Bedauern, Mitleid; seine Blicke verfolgten mich nun, er wollte mich prüfen, und im Augenblick, wo das Licht der Wahrheit durchschlug --"
Die Fürstin wußte in dem Augenblick nichts passenderes zu thun, als daß sie die Baronin an die Brust schloß. Die Baronin interessirte sie sehr wenig,
Berlin iſt, wenn wir ankommen? Es ſind Couriere mit neuen Marſchordres ſchon dieſe Nacht abgegangen. Und er geht ohne zu wiſſen, was mich quält. Nein, er geht mit dem Gedanken, daß ich ihn verſpottet. Die erſte Kugel kann ihn treffen, und — und in das Jenſeits iſt er, und weiß nicht —“
„Daß Sie ihn lieben! — Meine theuerſte Ba¬ ronin, wenn wir das nur geahnet hätten! Man hielt es für eine flüchtige Paſſion. Wie hier die Welt iſt!“
„Ja dieſe ſchlechte Welt kenne ich. Glauben Sie nicht, daß ich mehr weiß? Man hat mit uns ein grauſames Spiel getrieben. Man amüſirte ſich, mich aufzuziehen, weil er mir damals unausſtehlich war. Sie antworteten, ich war ja auch ihm zuwider! Das war recht von ihm. Wie ſollte er eine Frau achten, ſo empfindlich um eitle Thorheiten. Er iſt ein Deutſcher Ehrenmann, wie die Ritter in alter Zeit müſſen geweſen ſein. Gnädigſte Frau, Sie kennen dieſes Gemüth nicht. Mit ſeinem ruhigen Auge hatte er meine wahren Gefühle erkannt, und das war es, was ſeinen Sinn änderte. Er ſah mich an mit, nen¬ nen Sie's wie Sie wollen, Aufmerkſamkeit, Theil¬ nahme, meinethalben Bedauern, Mitleid; ſeine Blicke verfolgten mich nun, er wollte mich prüfen, und im Augenblick, wo das Licht der Wahrheit durchſchlug —“
Die Fürſtin wußte in dem Augenblick nichts paſſenderes zu thun, als daß ſie die Baronin an die Bruſt ſchloß. Die Baronin intereſſirte ſie ſehr wenig,
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Berlin iſt, wenn wir ankommen? Es ſind Couriere
mit neuen Marſchordres ſchon dieſe Nacht abgegangen.
Und er geht ohne zu wiſſen, was mich quält. Nein,
er geht mit dem Gedanken, daß ich ihn verſpottet.
Die erſte Kugel kann ihn treffen, und — und in
das Jenſeits iſt er, und weiß nicht —“
„Daß Sie ihn lieben! — Meine theuerſte Ba¬
ronin, wenn wir das nur geahnet hätten! Man
hielt es für eine flüchtige Paſſion. Wie hier die
Welt iſt!“
„Ja dieſe ſchlechte Welt kenne ich. Glauben
Sie nicht, daß ich mehr weiß? Man hat mit uns
ein grauſames Spiel getrieben. Man amüſirte ſich,
mich aufzuziehen, weil er mir damals unausſtehlich
war. Sie antworteten, ich war ja auch ihm zuwider!
Das war recht von ihm. Wie ſollte er eine Frau
achten, ſo empfindlich um eitle Thorheiten. Er iſt
ein Deutſcher Ehrenmann, wie die Ritter in alter Zeit
müſſen geweſen ſein. Gnädigſte Frau, Sie kennen
dieſes Gemüth nicht. Mit ſeinem ruhigen Auge hatte
er meine wahren Gefühle erkannt, und das war es,
was ſeinen Sinn änderte. Er ſah mich an mit, nen¬
nen Sie's wie Sie wollen, Aufmerkſamkeit, Theil¬
nahme, meinethalben Bedauern, Mitleid; ſeine Blicke
verfolgten mich nun, er wollte mich prüfen, und im
Augenblick, wo das Licht der Wahrheit durchſchlug —“
Die Fürſtin wußte in dem Augenblick nichts
paſſenderes zu thun, als daß ſie die Baronin an die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/180>, abgerufen am 25.11.2024.
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