Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

mern mich die Aeußerlichkeiten! Er hat in seiner
Kaserne keine weibliche Pflege. Da hängt manches
am unrechten Ort und geschieht nicht wie es sollte.
Er fühlt es wohl, kann sich aber nicht klar darüber
machen. Er fühlt, er muß sich herausreißen, weil
er sonst unterginge."

"Das wissen Sie alles?" rief die Fürstin über
die neue Clairvoyance verwundert. Es ging ihr wie
der Lupinus: die Eigenschaft, die sie für sich liebte,
ward ihr bei andern unbequem.

"Ich weiß noch mehr. Ja, er ist -- er hat
Vertrauen zu mir -- er wollte sich mit mir verstän¬
digen -- er hat wie ich das Bedürfniß gefühlt das
unselige Mißverständniß aufzuklären, er hatte einen
männlichen Entschluß gefaßt; mit einem Wort, theuerste
Freundin, er wollte an jenem Nachmittage zu mir,
weil er es nicht länger in der Ungewißheit aushalten
konnte, und da --"

"Kam etwas dazwischen; jetzt verstehe ich Sie!
Aber dann läßt sich ja der Schade leicht wieder gut
machen."

"Sieht er mir denn ins Herz!" rief die Ba¬
ronin.

"Man kann ihn langsam sondiren --"

"Langsam! Und es geht los! Er muß mit!"
Sie sah die Fürstin mit stieren Augen an, und jetzt
brach das lang Verhaltene unwiderstehlich heraus:
"Langsam! und Sie waren zugegen, wo sie den
Krieg beschlossen haben. Weiß ich, ob er noch in

mern mich die Aeußerlichkeiten! Er hat in ſeiner
Kaſerne keine weibliche Pflege. Da hängt manches
am unrechten Ort und geſchieht nicht wie es ſollte.
Er fühlt es wohl, kann ſich aber nicht klar darüber
machen. Er fühlt, er muß ſich herausreißen, weil
er ſonſt unterginge.“

„Das wiſſen Sie alles?“ rief die Fürſtin über
die neue Clairvoyance verwundert. Es ging ihr wie
der Lupinus: die Eigenſchaft, die ſie für ſich liebte,
ward ihr bei andern unbequem.

„Ich weiß noch mehr. Ja, er iſt — er hat
Vertrauen zu mir — er wollte ſich mit mir verſtän¬
digen — er hat wie ich das Bedürfniß gefühlt das
unſelige Mißverſtändniß aufzuklären, er hatte einen
männlichen Entſchluß gefaßt; mit einem Wort, theuerſte
Freundin, er wollte an jenem Nachmittage zu mir,
weil er es nicht länger in der Ungewißheit aushalten
konnte, und da —“

„Kam etwas dazwiſchen; jetzt verſtehe ich Sie!
Aber dann läßt ſich ja der Schade leicht wieder gut
machen.“

„Sieht er mir denn ins Herz!“ rief die Ba¬
ronin.

„Man kann ihn langſam ſondiren —“

„Langſam! Und es geht los! Er muß mit!“
Sie ſah die Fürſtin mit ſtieren Augen an, und jetzt
brach das lang Verhaltene unwiderſtehlich heraus:
„Langſam! und Sie waren zugegen, wo ſie den
Krieg beſchloſſen haben. Weiß ich, ob er noch in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="169"/>
mern mich die Aeußerlichkeiten! Er hat in &#x017F;einer<lb/>
Ka&#x017F;erne keine weibliche Pflege. Da hängt manches<lb/>
am unrechten Ort und ge&#x017F;chieht nicht wie es &#x017F;ollte.<lb/>
Er fühlt es wohl, kann &#x017F;ich aber nicht klar darüber<lb/>
machen. Er fühlt, er muß &#x017F;ich herausreißen, weil<lb/>
er &#x017F;on&#x017F;t unterginge.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das wi&#x017F;&#x017F;en Sie alles?&#x201C; rief die Für&#x017F;tin über<lb/>
die neue Clairvoyance verwundert. Es ging ihr wie<lb/>
der Lupinus: die Eigen&#x017F;chaft, die &#x017F;ie für &#x017F;ich liebte,<lb/>
ward ihr bei andern unbequem.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß noch mehr. Ja, er i&#x017F;t &#x2014; er hat<lb/>
Vertrauen zu mir &#x2014; er wollte &#x017F;ich mit mir ver&#x017F;tän¬<lb/>
digen &#x2014; er hat wie ich das Bedürfniß gefühlt das<lb/>
un&#x017F;elige Mißver&#x017F;tändniß aufzuklären, er hatte einen<lb/>
männlichen Ent&#x017F;chluß gefaßt; mit einem Wort, theuer&#x017F;te<lb/>
Freundin, er wollte an jenem Nachmittage zu mir,<lb/>
weil er es nicht länger in der Ungewißheit aushalten<lb/>
konnte, und da &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kam etwas dazwi&#x017F;chen; jetzt ver&#x017F;tehe ich Sie!<lb/>
Aber dann läßt &#x017F;ich ja der Schade leicht wieder gut<lb/>
machen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sieht <hi rendition="#g">er</hi> mir denn ins Herz!&#x201C; rief die Ba¬<lb/>
ronin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Man kann ihn lang&#x017F;am &#x017F;ondiren &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lang&#x017F;am! Und es geht los! Er muß mit!&#x201C;<lb/>
Sie &#x017F;ah die Für&#x017F;tin mit &#x017F;tieren Augen an, und jetzt<lb/>
brach das lang Verhaltene unwider&#x017F;tehlich heraus:<lb/>
&#x201E;Lang&#x017F;am! und Sie waren zugegen, wo &#x017F;ie den<lb/>
Krieg be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en haben. Weiß ich, ob er noch in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0179] mern mich die Aeußerlichkeiten! Er hat in ſeiner Kaſerne keine weibliche Pflege. Da hängt manches am unrechten Ort und geſchieht nicht wie es ſollte. Er fühlt es wohl, kann ſich aber nicht klar darüber machen. Er fühlt, er muß ſich herausreißen, weil er ſonſt unterginge.“ „Das wiſſen Sie alles?“ rief die Fürſtin über die neue Clairvoyance verwundert. Es ging ihr wie der Lupinus: die Eigenſchaft, die ſie für ſich liebte, ward ihr bei andern unbequem. „Ich weiß noch mehr. Ja, er iſt — er hat Vertrauen zu mir — er wollte ſich mit mir verſtän¬ digen — er hat wie ich das Bedürfniß gefühlt das unſelige Mißverſtändniß aufzuklären, er hatte einen männlichen Entſchluß gefaßt; mit einem Wort, theuerſte Freundin, er wollte an jenem Nachmittage zu mir, weil er es nicht länger in der Ungewißheit aushalten konnte, und da —“ „Kam etwas dazwiſchen; jetzt verſtehe ich Sie! Aber dann läßt ſich ja der Schade leicht wieder gut machen.“ „Sieht er mir denn ins Herz!“ rief die Ba¬ ronin. „Man kann ihn langſam ſondiren —“ „Langſam! Und es geht los! Er muß mit!“ Sie ſah die Fürſtin mit ſtieren Augen an, und jetzt brach das lang Verhaltene unwiderſtehlich heraus: „Langſam! und Sie waren zugegen, wo ſie den Krieg beſchloſſen haben. Weiß ich, ob er noch in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/179
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/179>, abgerufen am 24.11.2024.