behutsam jeden Schritt, jedes Wort, jeden Blick, den Hauch des Mundes abwägen muß. Unsre Politik ist, und kann, sie darf nicht anders sein, als hin¬ zaudern, abwarten, wie draußen die Würfel fallen --"
"Das ist Ihre Politik, Vater!"
"Aller Vernünftigen. Sieh Dich um, und höre die Stimmen in Berlin --"
"Das Ihre vernünftigen Freunde demoralisirt haben. Die Krämer- und Schreiberseelen zittern frei¬ lich vor jedem Feuerhauch. Er könnte diese Stickluft in Brand stecken. Ihr Ich ist ihr Vaterland, die Kunden, die morgen ausbleiben, wenn die Kriegs¬ trompete schmettert, sind ihre Brüder. Aber die Pro¬ vinzen, das Land urtheilt anders. Auch hier --"
"Giebt es Brauseköpfe, wie Du, Phantasten, Patrioten, leider sehr hohe und sehr gefährliche dar¬ unter, die das Schicksal des Staats auf eine Karte setzen möchten. Das Blut von Tausenden ist ihnen nichts, der Wohlstand und das häusliche Glück von Millionen, die Verwüstung und Vernichtung des Landes auf eine lange Zukunft hinaus, wenn sie nur ihrem Götzen Ehre opfern können. Der Krieg ist ihnen ein ritterliches Spiel, und um einzuhauen, um Lorbeern zu erndten, als Sieger zurück zu kehren --"
"Genug, mein Vater, sagte Louis Bovillard und nahm das Portefeuille vom Tische. Sie wollen nicht. Diese Depeschen sollen auch ruhen, wie des Königs Minister bis -- es morgen zu spät ist."
"Halt! mein Sohn, was ist denn zu spät? Ich
behutſam jeden Schritt, jedes Wort, jeden Blick, den Hauch des Mundes abwägen muß. Unſre Politik iſt, und kann, ſie darf nicht anders ſein, als hin¬ zaudern, abwarten, wie draußen die Würfel fallen —“
„Das iſt Ihre Politik, Vater!“
„Aller Vernünftigen. Sieh Dich um, und höre die Stimmen in Berlin —“
„Das Ihre vernünftigen Freunde demoraliſirt haben. Die Krämer- und Schreiberſeelen zittern frei¬ lich vor jedem Feuerhauch. Er könnte dieſe Stickluft in Brand ſtecken. Ihr Ich iſt ihr Vaterland, die Kunden, die morgen ausbleiben, wenn die Kriegs¬ trompete ſchmettert, ſind ihre Brüder. Aber die Pro¬ vinzen, das Land urtheilt anders. Auch hier —“
„Giebt es Brauſeköpfe, wie Du, Phantaſten, Patrioten, leider ſehr hohe und ſehr gefährliche dar¬ unter, die das Schickſal des Staats auf eine Karte ſetzen möchten. Das Blut von Tauſenden iſt ihnen nichts, der Wohlſtand und das häusliche Glück von Millionen, die Verwüſtung und Vernichtung des Landes auf eine lange Zukunft hinaus, wenn ſie nur ihrem Götzen Ehre opfern können. Der Krieg iſt ihnen ein ritterliches Spiel, und um einzuhauen, um Lorbeern zu erndten, als Sieger zurück zu kehren —“
„Genug, mein Vater, ſagte Louis Bovillard und nahm das Portefeuille vom Tiſche. Sie wollen nicht. Dieſe Depeſchen ſollen auch ruhen, wie des Königs Miniſter bis — es morgen zu ſpät iſt.“
„Halt! mein Sohn, was iſt denn zu ſpät? Ich
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behutſam jeden Schritt, jedes Wort, jeden Blick, den
Hauch des Mundes abwägen muß. Unſre Politik
iſt, und kann, ſie darf nicht anders ſein, als hin¬
zaudern, abwarten, wie draußen die Würfel fallen —“
„Das iſt Ihre Politik, Vater!“
„Aller Vernünftigen. Sieh Dich um, und höre
die Stimmen in Berlin —“
„Das Ihre vernünftigen Freunde demoraliſirt
haben. Die Krämer- und Schreiberſeelen zittern frei¬
lich vor jedem Feuerhauch. Er könnte dieſe Stickluft
in Brand ſtecken. Ihr Ich iſt ihr Vaterland, die
Kunden, die morgen ausbleiben, wenn die Kriegs¬
trompete ſchmettert, ſind ihre Brüder. Aber die Pro¬
vinzen, das Land urtheilt anders. Auch hier —“
„Giebt es Brauſeköpfe, wie Du, Phantaſten,
Patrioten, leider ſehr hohe und ſehr gefährliche dar¬
unter, die das Schickſal des Staats auf eine Karte
ſetzen möchten. Das Blut von Tauſenden iſt ihnen
nichts, der Wohlſtand und das häusliche Glück von
Millionen, die Verwüſtung und Vernichtung des
Landes auf eine lange Zukunft hinaus, wenn ſie
nur ihrem Götzen Ehre opfern können. Der Krieg
iſt ihnen ein ritterliches Spiel, und um einzuhauen,
um Lorbeern zu erndten, als Sieger zurück zu kehren —“
„Genug, mein Vater, ſagte Louis Bovillard
und nahm das Portefeuille vom Tiſche. Sie wollen
nicht. Dieſe Depeſchen ſollen auch ruhen, wie des
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„Halt! mein Sohn, was iſt denn zu ſpät? Ich
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/340>, abgerufen am 16.07.2024.
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