Der Geheimrath schien vergnügt, von dem ihm sichtlich unangenehmen Gegenstande abgelenkt zu ha¬ ben, während der Kammerherr mit eben so sicht¬ licher Ungeduld meinte, man komme ja ganz von der Hauptsache ab.
"Mademoiselle Alltag bleibt indeß immer eine sehr interessante Nebensache," lächelte der Legationsrath.
Bovillard stichelte, er hege den Verdacht, daß sein Freund eine noch vornehmere Agentin in Con¬ tribution gesetzt. Wandels Stirn legte sich dies¬ mal nicht in officiöse Falten, sie blieb ganz glatt, als er erwiederte:
"Herr von Bovillard will damit andeuten, was Herr von Laforest dazu sagen dürfte, wenn ich mit der russischen Fürstin communicire. Laforest weiß, daß ich Kosmopolit, und die Prinzeß, daß ich ein Sünder bin. Der Unterschied ist nur, daß Herr von Laforest es aufgiebt, die Fürstin aber noch nicht, mich zu ihrem Glauben zu bekehren."
"O der Verräther! Nun ist er auch geständig, unsre Geheimnisse an Rußland verrathen zu haben!"
"Hat aber damit den Beistand seiner Diplomatie er¬ kauft. Schlagen Sie diesen Beistand nicht zu gering an, meine Herren. Ihre Erlaucht interessirt sich wirk¬ lich en passant für die Baronin Eitelbach."
"Sie will sie zur Sünderin machen, um sie nachher zur Heiligen zu bekehren. Delicieur! Mag¬ nisique der Gedanke!"
"Meine Herren, sagte der Legationsrath sich ver¬
Der Geheimrath ſchien vergnügt, von dem ihm ſichtlich unangenehmen Gegenſtande abgelenkt zu ha¬ ben, während der Kammerherr mit eben ſo ſicht¬ licher Ungeduld meinte, man komme ja ganz von der Hauptſache ab.
„Mademoiſelle Alltag bleibt indeß immer eine ſehr intereſſante Nebenſache,“ lächelte der Legationsrath.
Bovillard ſtichelte, er hege den Verdacht, daß ſein Freund eine noch vornehmere Agentin in Con¬ tribution geſetzt. Wandels Stirn legte ſich dies¬ mal nicht in officiöſe Falten, ſie blieb ganz glatt, als er erwiederte:
„Herr von Bovillard will damit andeuten, was Herr von Laforeſt dazu ſagen dürfte, wenn ich mit der ruſſiſchen Fürſtin communicire. Laforeſt weiß, daß ich Kosmopolit, und die Prinzeß, daß ich ein Sünder bin. Der Unterſchied iſt nur, daß Herr von Laforeſt es aufgiebt, die Fürſtin aber noch nicht, mich zu ihrem Glauben zu bekehren.“
„O der Verräther! Nun iſt er auch geſtändig, unſre Geheimniſſe an Rußland verrathen zu haben!“
„Hat aber damit den Beiſtand ſeiner Diplomatie er¬ kauft. Schlagen Sie dieſen Beiſtand nicht zu gering an, meine Herren. Ihre Erlaucht intereſſirt ſich wirk¬ lich en passant für die Baronin Eitelbach.“
„Sie will ſie zur Sünderin machen, um ſie nachher zur Heiligen zu bekehren. Delicieur! Mag¬ niſique der Gedanke!“
„Meine Herren, ſagte der Legationsrath ſich ver¬
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Der Geheimrath ſchien vergnügt, von dem ihm
ſichtlich unangenehmen Gegenſtande abgelenkt zu ha¬
ben, während der Kammerherr mit eben ſo ſicht¬
licher Ungeduld meinte, man komme ja ganz von der
Hauptſache ab.
„Mademoiſelle Alltag bleibt indeß immer eine
ſehr intereſſante Nebenſache,“ lächelte der Legationsrath.
Bovillard ſtichelte, er hege den Verdacht, daß
ſein Freund eine noch vornehmere Agentin in Con¬
tribution geſetzt. Wandels Stirn legte ſich dies¬
mal nicht in officiöſe Falten, ſie blieb ganz glatt,
als er erwiederte:
„Herr von Bovillard will damit andeuten, was
Herr von Laforeſt dazu ſagen dürfte, wenn ich mit
der ruſſiſchen Fürſtin communicire. Laforeſt weiß,
daß ich Kosmopolit, und die Prinzeß, daß ich ein
Sünder bin. Der Unterſchied iſt nur, daß Herr
von Laforeſt es aufgiebt, die Fürſtin aber noch nicht,
mich zu ihrem Glauben zu bekehren.“
„O der Verräther! Nun iſt er auch geſtändig,
unſre Geheimniſſe an Rußland verrathen zu haben!“
„Hat aber damit den Beiſtand ſeiner Diplomatie er¬
kauft. Schlagen Sie dieſen Beiſtand nicht zu gering
an, meine Herren. Ihre Erlaucht intereſſirt ſich wirk¬
lich en passant für die Baronin Eitelbach.“
„Sie will ſie zur Sünderin machen, um ſie
nachher zur Heiligen zu bekehren. Delicieur! Mag¬
niſique der Gedanke!“
„Meine Herren, ſagte der Legationsrath ſich ver¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/312>, abgerufen am 16.07.2024.
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