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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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neigend, ich habe nun das Meine gethan. Die nächste
Action muß vom Rittmeister ausgehen."

Man ließ die Gläser auf den Strategen und
seine Agentinnen klingen. St. Real's Bericht war
kürzer:

"Sie glauben nicht, wie schwer es uns ward, den
Stier auf die Spur zu bringen. Als es indeß so
weit war, ging es auch wie ein Brummtriesel, der
nicht mehr zu sich kommt. Oder es überschauerte ihn
wie ein Donnerwetter mit Platzregen. Der Mann
ist vollkommen ausgetauscht, weich sage ich Ihnen,
wie Wachs. Sein Gewissen gerührt; er delirirt, ver¬
wünscht zuweilen seinen Knebelbart, ja es giebt
Augenblicke, wo er ihn abschneiden möchte. Nach
dem letzten Billet wollte er wirklich Urlaub nehmen.
Wir hatten Mühe, ihm begreiflich zu machen, daß
das jetzt als Feigheit ausgelegt werden könnte. Mit
einem Wort, er ist zu allem bereit, was das ver¬
ehrte Collegium über ihn beschließt. Nur muß man
ihm zu Hülfe kommen. Er ward ordentlich jung¬
fräulich schüchtern aus Gewissensbissen, daß er eine
schöne Dame, die ihn liebt, so lange und grausam
beleidigt hat."

Man schmunzelte stillen Beifall. Die moquante
Miene des Geheimraths sprach von einem aufsteigen¬
den Wetterleuchten: "Ein superber Mensch! Läßt sich
stellen und schicken, wo man will, alles aus Pflicht¬
gefühl. Statt solche Talente nun zu nutzen, läßt sie
der Staat in Wachtstuben verkommen!" Doppelte

neigend, ich habe nun das Meine gethan. Die nächſte
Action muß vom Rittmeiſter ausgehen.“

Man ließ die Gläſer auf den Strategen und
ſeine Agentinnen klingen. St. Real's Bericht war
kürzer:

„Sie glauben nicht, wie ſchwer es uns ward, den
Stier auf die Spur zu bringen. Als es indeß ſo
weit war, ging es auch wie ein Brummtrieſel, der
nicht mehr zu ſich kommt. Oder es überſchauerte ihn
wie ein Donnerwetter mit Platzregen. Der Mann
iſt vollkommen ausgetauſcht, weich ſage ich Ihnen,
wie Wachs. Sein Gewiſſen gerührt; er delirirt, ver¬
wünſcht zuweilen ſeinen Knebelbart, ja es giebt
Augenblicke, wo er ihn abſchneiden möchte. Nach
dem letzten Billet wollte er wirklich Urlaub nehmen.
Wir hatten Mühe, ihm begreiflich zu machen, daß
das jetzt als Feigheit ausgelegt werden könnte. Mit
einem Wort, er iſt zu allem bereit, was das ver¬
ehrte Collegium über ihn beſchließt. Nur muß man
ihm zu Hülfe kommen. Er ward ordentlich jung¬
fräulich ſchüchtern aus Gewiſſensbiſſen, daß er eine
ſchöne Dame, die ihn liebt, ſo lange und grauſam
beleidigt hat.“

Man ſchmunzelte ſtillen Beifall. Die moquante
Miene des Geheimraths ſprach von einem aufſteigen¬
den Wetterleuchten: „Ein ſuperber Menſch! Läßt ſich
ſtellen und ſchicken, wo man will, alles aus Pflicht¬
gefühl. Statt ſolche Talente nun zu nutzen, läßt ſie
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[303/0313] neigend, ich habe nun das Meine gethan. Die nächſte Action muß vom Rittmeiſter ausgehen.“ Man ließ die Gläſer auf den Strategen und ſeine Agentinnen klingen. St. Real's Bericht war kürzer: „Sie glauben nicht, wie ſchwer es uns ward, den Stier auf die Spur zu bringen. Als es indeß ſo weit war, ging es auch wie ein Brummtrieſel, der nicht mehr zu ſich kommt. Oder es überſchauerte ihn wie ein Donnerwetter mit Platzregen. Der Mann iſt vollkommen ausgetauſcht, weich ſage ich Ihnen, wie Wachs. Sein Gewiſſen gerührt; er delirirt, ver¬ wünſcht zuweilen ſeinen Knebelbart, ja es giebt Augenblicke, wo er ihn abſchneiden möchte. Nach dem letzten Billet wollte er wirklich Urlaub nehmen. Wir hatten Mühe, ihm begreiflich zu machen, daß das jetzt als Feigheit ausgelegt werden könnte. Mit einem Wort, er iſt zu allem bereit, was das ver¬ ehrte Collegium über ihn beſchließt. Nur muß man ihm zu Hülfe kommen. Er ward ordentlich jung¬ fräulich ſchüchtern aus Gewiſſensbiſſen, daß er eine ſchöne Dame, die ihn liebt, ſo lange und grauſam beleidigt hat.“ Man ſchmunzelte ſtillen Beifall. Die moquante Miene des Geheimraths ſprach von einem aufſteigen¬ den Wetterleuchten: „Ein ſuperber Menſch! Läßt ſich ſtellen und ſchicken, wo man will, alles aus Pflicht¬ gefühl. Statt ſolche Talente nun zu nutzen, läßt ſie der Staat in Wachtſtuben verkommen!“ Doppelte

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/313>, abgerufen am 28.11.2024.