"Ich gebe Ihnen gewissermaaßen recht, Herr von Bovillard. Das Verhalten zu ihrem Pflegekind könnten strenge Moralisten auch eine Schwärmerei nennen. Sie opfert sich ihm ganz und warum? und wie wird es ihr belohnt! Sie wissen von der soit disant Verlobung mit dem jungen Schulmeister. Eine andre Frau würde außer sich sein. Welche Pläne sind ihr vereitelt. Sie lächelt als Philosophin."
"Es giebt Personen, auf die alles Mißgeschick zusammenstürmt," fuhr er den Kopf schüttelnd nach einer Pause fort, wo die andern geschwiegen; der Abstecher, in welchem der Legationsrath sich so zu gefallen schien, kam Beiden ungelegen. "Der Vater des Lehrers, der alte van Asten, höre ich, brummt über die Sache, und ist sogar auf die Geheimräthin ungehalten."
Bovillard fiel ein: "Die Ehrbarkeit seines alten Hauses fühlt sich touchirt. Was ist natürlicher, er sah sie mal aus einem andern Hause kommen. Um das Renommee eines Hauses und die Ehrbarkeit ist's doch eine köstliche Sache! Was macht der Alte für Geschäfte damit, mit dem verräucherten Steinhaufen in der Spandauerstraße, mit dem glatt gepuderten Kopfe, der Catomiene, die sich nie verzieht, auch nicht wenn er das große Loos gewinnt, mit seinen rinds¬ ledernen Schuhen, die schon eine Viertelmeile weit knarren! Das ist ein Respect auf dem Markte, an der Börse, wenn der alte van Asten mit seinem Bambusstocke heranhustet. Und das nennt die Ca¬ naille nicht Diplomatie."
„Ich gebe Ihnen gewiſſermaaßen recht, Herr von Bovillard. Das Verhalten zu ihrem Pflegekind könnten ſtrenge Moraliſten auch eine Schwärmerei nennen. Sie opfert ſich ihm ganz und warum? und wie wird es ihr belohnt! Sie wiſſen von der soit disant Verlobung mit dem jungen Schulmeiſter. Eine andre Frau würde außer ſich ſein. Welche Pläne ſind ihr vereitelt. Sie lächelt als Philoſophin.“
„Es giebt Perſonen, auf die alles Mißgeſchick zuſammenſtürmt,“ fuhr er den Kopf ſchüttelnd nach einer Pauſe fort, wo die andern geſchwiegen; der Abſtecher, in welchem der Legationsrath ſich ſo zu gefallen ſchien, kam Beiden ungelegen. „Der Vater des Lehrers, der alte van Aſten, höre ich, brummt über die Sache, und iſt ſogar auf die Geheimräthin ungehalten.“
Bovillard fiel ein: „Die Ehrbarkeit ſeines alten Hauſes fühlt ſich touchirt. Was iſt natürlicher, er ſah ſie mal aus einem andern Hauſe kommen. Um das Renommée eines Hauſes und die Ehrbarkeit iſt's doch eine köſtliche Sache! Was macht der Alte für Geſchäfte damit, mit dem verräucherten Steinhaufen in der Spandauerſtraße, mit dem glatt gepuderten Kopfe, der Catomiene, die ſich nie verzieht, auch nicht wenn er das große Loos gewinnt, mit ſeinen rinds¬ ledernen Schuhen, die ſchon eine Viertelmeile weit knarren! Das iſt ein Reſpect auf dem Markte, an der Börſe, wenn der alte van Aſten mit ſeinem Bambusſtocke heranhuſtet. Und das nennt die Ca¬ naille nicht Diplomatie.“
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„Ich gebe Ihnen gewiſſermaaßen recht, Herr von
Bovillard. Das Verhalten zu ihrem Pflegekind
könnten ſtrenge Moraliſten auch eine Schwärmerei
nennen. Sie opfert ſich ihm ganz und warum? und
wie wird es ihr belohnt! Sie wiſſen von der soit
disant Verlobung mit dem jungen Schulmeiſter. Eine
andre Frau würde außer ſich ſein. Welche Pläne
ſind ihr vereitelt. Sie lächelt als Philoſophin.“
„Es giebt Perſonen, auf die alles Mißgeſchick
zuſammenſtürmt,“ fuhr er den Kopf ſchüttelnd nach
einer Pauſe fort, wo die andern geſchwiegen; der
Abſtecher, in welchem der Legationsrath ſich ſo zu
gefallen ſchien, kam Beiden ungelegen. „Der Vater des
Lehrers, der alte van Aſten, höre ich, brummt über die
Sache, und iſt ſogar auf die Geheimräthin ungehalten.“
Bovillard fiel ein: „Die Ehrbarkeit ſeines alten
Hauſes fühlt ſich touchirt. Was iſt natürlicher, er
ſah ſie mal aus einem andern Hauſe kommen. Um
das Renommée eines Hauſes und die Ehrbarkeit iſt's
doch eine köſtliche Sache! Was macht der Alte für
Geſchäfte damit, mit dem verräucherten Steinhaufen
in der Spandauerſtraße, mit dem glatt gepuderten
Kopfe, der Catomiene, die ſich nie verzieht, auch nicht
wenn er das große Loos gewinnt, mit ſeinen rinds¬
ledernen Schuhen, die ſchon eine Viertelmeile weit
knarren! Das iſt ein Reſpect auf dem Markte, an
der Börſe, wenn der alte van Aſten mit ſeinem
Bambusſtocke heranhuſtet. Und das nennt die Ca¬
naille nicht Diplomatie.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/311>, abgerufen am 28.11.2024.
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