Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Mann mit Assa foetida und Valeriana behandeln,
und seine Krankheit ist rein eine des Gemüthes.
Der Geheimrath lebte längst nicht mehr, wenn sie
nicht eine geistige Atmosphäre um ihn zu bereiten
wüßte, worin er athmet."

"So schlimm stünde es mit dem Bücherwurm?"

"Sie sahen ja auch wohl ihren Bedienten, einen
Moribundus. Was quält sie sich ab, diesen Men¬
schen wieder auf die Beine zu bringen! Ich gebe
Ihnen zu, es ist vielleicht ein krankhafter Instinct,
der Natur in den Arm greifen zu wollen, aber sie
will's -- sie muß probiren. Die Doctoren haben
ihn längst aufgegeben, er ist ja nur ein Bediente,
aber denken Sie -- neulich fand ich sie, wie sie von
dem theuren Lebensäther, den Herr Flittner präparirt,
dem Menschen einflößte. Mein Gott, sagte ich, der
Aether ist immer nur ein Palliativ, er läßt die Le¬
bensflamme noch einmal auflodern, aber um so
schneller verzehrt sie. Man wendet ihn bei hohen
Personen an, wo die letzten Momente kostbar sind;
aber dieser Bediente, was kommt es da auf eine
Spanne Leben und Bewußtsein an. Er kann Ihnen
unter den Händen zusammensinken. Was würden
Sie dann sagen? -- Ich kann Ihnen das wunder¬
bare Lächeln nicht beschreiben, mit dem sie ant¬
wortete: Ich habe mir dann selbst genügt. So
ist sie --"

"Eine Schwärmerin! Gehn Sie mir vom Leibe
mit ihrem Lebensäther."

Mann mit Assa foetida und Valeriana behandeln,
und ſeine Krankheit iſt rein eine des Gemüthes.
Der Geheimrath lebte längſt nicht mehr, wenn ſie
nicht eine geiſtige Atmosphäre um ihn zu bereiten
wüßte, worin er athmet.“

„So ſchlimm ſtünde es mit dem Bücherwurm?“

„Sie ſahen ja auch wohl ihren Bedienten, einen
Moribundus. Was quält ſie ſich ab, dieſen Men¬
ſchen wieder auf die Beine zu bringen! Ich gebe
Ihnen zu, es iſt vielleicht ein krankhafter Inſtinct,
der Natur in den Arm greifen zu wollen, aber ſie
will's — ſie muß probiren. Die Doctoren haben
ihn längſt aufgegeben, er iſt ja nur ein Bediente,
aber denken Sie — neulich fand ich ſie, wie ſie von
dem theuren Lebensäther, den Herr Flittner präparirt,
dem Menſchen einflößte. Mein Gott, ſagte ich, der
Aether iſt immer nur ein Palliativ, er läßt die Le¬
bensflamme noch einmal auflodern, aber um ſo
ſchneller verzehrt ſie. Man wendet ihn bei hohen
Perſonen an, wo die letzten Momente koſtbar ſind;
aber dieſer Bediente, was kommt es da auf eine
Spanne Leben und Bewußtſein an. Er kann Ihnen
unter den Händen zuſammenſinken. Was würden
Sie dann ſagen? — Ich kann Ihnen das wunder¬
bare Lächeln nicht beſchreiben, mit dem ſie ant¬
wortete: Ich habe mir dann ſelbſt genügt. So
iſt ſie —“

„Eine Schwärmerin! Gehn Sie mir vom Leibe
mit ihrem Lebensäther.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0310" n="300"/>
Mann mit <hi rendition="#aq">Assa foetida</hi> und <hi rendition="#aq">Valeriana</hi> behandeln,<lb/>
und &#x017F;eine Krankheit i&#x017F;t rein eine des Gemüthes.<lb/>
Der Geheimrath lebte läng&#x017F;t nicht mehr, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht eine gei&#x017F;tige Atmosphäre um ihn zu bereiten<lb/>
wüßte, worin er athmet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So &#x017F;chlimm &#x017F;tünde es mit dem Bücherwurm?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ahen ja auch wohl ihren Bedienten, einen<lb/>
Moribundus. Was quält &#x017F;ie &#x017F;ich ab, die&#x017F;en Men¬<lb/>
&#x017F;chen wieder auf die Beine zu bringen! Ich gebe<lb/>
Ihnen zu, es i&#x017F;t vielleicht ein krankhafter In&#x017F;tinct,<lb/>
der Natur in den Arm greifen zu wollen, aber &#x017F;ie<lb/>
will's &#x2014; &#x017F;ie muß probiren. Die Doctoren haben<lb/>
ihn läng&#x017F;t aufgegeben, er i&#x017F;t ja nur ein Bediente,<lb/>
aber denken Sie &#x2014; neulich fand ich &#x017F;ie, wie &#x017F;ie von<lb/>
dem theuren Lebensäther, den Herr Flittner präparirt,<lb/>
dem Men&#x017F;chen einflößte. Mein Gott, &#x017F;agte ich, der<lb/>
Aether i&#x017F;t immer nur ein Palliativ, er läßt die Le¬<lb/>
bensflamme noch einmal auflodern, aber um &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chneller verzehrt &#x017F;ie. Man wendet ihn bei hohen<lb/>
Per&#x017F;onen an, wo die letzten Momente ko&#x017F;tbar &#x017F;ind;<lb/>
aber die&#x017F;er Bediente, was kommt es da auf eine<lb/>
Spanne Leben und Bewußt&#x017F;ein an. Er kann Ihnen<lb/>
unter den Händen zu&#x017F;ammen&#x017F;inken. Was würden<lb/>
Sie dann &#x017F;agen? &#x2014; Ich kann Ihnen das wunder¬<lb/>
bare Lächeln nicht be&#x017F;chreiben, mit dem &#x017F;ie ant¬<lb/>
wortete: Ich habe mir dann &#x017F;elb&#x017F;t genügt. So<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Schwärmerin! Gehn Sie mir vom Leibe<lb/>
mit ihrem Lebensäther.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0310] Mann mit Assa foetida und Valeriana behandeln, und ſeine Krankheit iſt rein eine des Gemüthes. Der Geheimrath lebte längſt nicht mehr, wenn ſie nicht eine geiſtige Atmosphäre um ihn zu bereiten wüßte, worin er athmet.“ „So ſchlimm ſtünde es mit dem Bücherwurm?“ „Sie ſahen ja auch wohl ihren Bedienten, einen Moribundus. Was quält ſie ſich ab, dieſen Men¬ ſchen wieder auf die Beine zu bringen! Ich gebe Ihnen zu, es iſt vielleicht ein krankhafter Inſtinct, der Natur in den Arm greifen zu wollen, aber ſie will's — ſie muß probiren. Die Doctoren haben ihn längſt aufgegeben, er iſt ja nur ein Bediente, aber denken Sie — neulich fand ich ſie, wie ſie von dem theuren Lebensäther, den Herr Flittner präparirt, dem Menſchen einflößte. Mein Gott, ſagte ich, der Aether iſt immer nur ein Palliativ, er läßt die Le¬ bensflamme noch einmal auflodern, aber um ſo ſchneller verzehrt ſie. Man wendet ihn bei hohen Perſonen an, wo die letzten Momente koſtbar ſind; aber dieſer Bediente, was kommt es da auf eine Spanne Leben und Bewußtſein an. Er kann Ihnen unter den Händen zuſammenſinken. Was würden Sie dann ſagen? — Ich kann Ihnen das wunder¬ bare Lächeln nicht beſchreiben, mit dem ſie ant¬ wortete: Ich habe mir dann ſelbſt genügt. So iſt ſie —“ „Eine Schwärmerin! Gehn Sie mir vom Leibe mit ihrem Lebensäther.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/310
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/310>, abgerufen am 28.11.2024.