heilig, es gilt ja das Volk, nicht uns. Ihm sein Alles zu retten, seine Sitte, Sprache, Geschichte, sein selbst eigenes Leben, seine Zukunft. Denn alles das steht auf dem Spiel, nicht wenn wir geschlagen werden, wenn wir nicht schlagen. Wir gehn unter in uns, und vor uns selbst. Wem dies Schrecklichste der Schrecken klar ist, der kennt keine Rücksichten mehr!"
Während Fuchsius auf der Straße seinen Freund bitten mußte, sich zu mäßigen, um keine Aufmerksam¬ keit zu erregen, stand Walter van Asten vor dem Minister. Wenn er mit Feuer gekommen war, ver¬ loderte es vor dem aufrechten Mann, der ohne eine Miene zu verziehen seine Anrede angehört hatte. Er war ins Stocken gerathen, er hatte wenigstens nicht das gesagt, nicht alles, was noch auf der Schwelle zum Hotel, noch im Vorzimmer in seiner Brust, ein wohlgeordneter Strom der Ueberzeugung, fertig lag.
"Was wollen Sie eigentlich?" sagte der Minister.
"Ich habe es in der Druckschrift, welche ich meiner ehrfurchtsvollen Bitte um diese Audienz beilegte, dargelegt."
"Ich lese nichts Gedrucktes," sagte der Minister.
Es war ein kalter Blitzschlag. Aber er zündete in Walters Brust. Eine Pause, dann verbeugte er sich:
"So bitte ich um Verzeihung, daß ich an die unrechte Stelle mich wandte."
Walter hatte übersehen, daß der Olymp, aus dessen Wolken der Blitz kam, seine Stirn nicht kräu¬
heilig, es gilt ja das Volk, nicht uns. Ihm ſein Alles zu retten, ſeine Sitte, Sprache, Geſchichte, ſein ſelbſt eigenes Leben, ſeine Zukunft. Denn alles das ſteht auf dem Spiel, nicht wenn wir geſchlagen werden, wenn wir nicht ſchlagen. Wir gehn unter in uns, und vor uns ſelbſt. Wem dies Schrecklichſte der Schrecken klar iſt, der kennt keine Rückſichten mehr!“
Während Fuchſius auf der Straße ſeinen Freund bitten mußte, ſich zu mäßigen, um keine Aufmerkſam¬ keit zu erregen, ſtand Walter van Aſten vor dem Miniſter. Wenn er mit Feuer gekommen war, ver¬ loderte es vor dem aufrechten Mann, der ohne eine Miene zu verziehen ſeine Anrede angehört hatte. Er war ins Stocken gerathen, er hatte wenigſtens nicht das geſagt, nicht alles, was noch auf der Schwelle zum Hòtel, noch im Vorzimmer in ſeiner Bruſt, ein wohlgeordneter Strom der Ueberzeugung, fertig lag.
„Was wollen Sie eigentlich?“ ſagte der Miniſter.
„Ich habe es in der Druckſchrift, welche ich meiner ehrfurchtsvollen Bitte um dieſe Audienz beilegte, dargelegt.“
„Ich leſe nichts Gedrucktes,“ ſagte der Miniſter.
Es war ein kalter Blitzſchlag. Aber er zündete in Walters Bruſt. Eine Pauſe, dann verbeugte er ſich:
„So bitte ich um Verzeihung, daß ich an die unrechte Stelle mich wandte.“
Walter hatte überſehen, daß der Olymp, aus deſſen Wolken der Blitz kam, ſeine Stirn nicht kräu¬
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heilig, es gilt ja das Volk, nicht uns. Ihm ſein
Alles zu retten, ſeine Sitte, Sprache, Geſchichte, ſein
ſelbſt eigenes Leben, ſeine Zukunft. Denn alles das
ſteht auf dem Spiel, nicht wenn wir geſchlagen werden,
wenn wir nicht ſchlagen. Wir gehn unter in uns,
und vor uns ſelbſt. Wem dies Schrecklichſte der
Schrecken klar iſt, der kennt keine Rückſichten mehr!“
Während Fuchſius auf der Straße ſeinen Freund
bitten mußte, ſich zu mäßigen, um keine Aufmerkſam¬
keit zu erregen, ſtand Walter van Aſten vor dem
Miniſter. Wenn er mit Feuer gekommen war, ver¬
loderte es vor dem aufrechten Mann, der ohne eine
Miene zu verziehen ſeine Anrede angehört hatte. Er
war ins Stocken gerathen, er hatte wenigſtens nicht
das geſagt, nicht alles, was noch auf der Schwelle
zum Hòtel, noch im Vorzimmer in ſeiner Bruſt, ein
wohlgeordneter Strom der Ueberzeugung, fertig lag.
„Was wollen Sie eigentlich?“ ſagte der Miniſter.
„Ich habe es in der Druckſchrift, welche ich
meiner ehrfurchtsvollen Bitte um dieſe Audienz beilegte,
dargelegt.“
„Ich leſe nichts Gedrucktes,“ ſagte der Miniſter.
Es war ein kalter Blitzſchlag. Aber er zündete
in Walters Bruſt. Eine Pauſe, dann verbeugte
er ſich:
„So bitte ich um Verzeihung, daß ich an die
unrechte Stelle mich wandte.“
Walter hatte überſehen, daß der Olymp, aus
deſſen Wolken der Blitz kam, ſeine Stirn nicht kräu¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/293>, abgerufen am 16.07.2024.
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