dürstete nicht nach Eroberungen, die sich nicht halten lassen. Er mußte zurück. Konnte er die Kranken, die Verwundeten durch die glühende Sandwüste mit¬ schleppen; kaum seine Gesunden hielten die Strapatzen aus! Sollte er die Unglücklichen dem Grimm barbari¬ scher Feinde zurücklassen? Er war rasch entschlossen --"
"Sie nehmen das Gerücht für wahr an?"
"So wahr ich ihn ehre. Gewiß nach einem schweren Kampf. Wer trennt sich leichten Herzens von denen, die uns die Theuersten sind. Aber als es in ihm klar war, daß es sein mußte, zauderte er keinen Moment Hand ans Werk zu legen. Durfte er sie erschießen, erschlagen lassen? Das durfte er nicht vor dem Urtheil der unmündigen Welt, nicht vor ihnen selbst. In süße Illusionen ließ er sie ein¬ wiegen durch Opium bis -- bis sie in süßen Träu¬ men von dieser Welt schieden. Wie mancher der Soldaten mag auf dem sauren Rückweg, unter Durst und Sonnenstichen erliegend, hülflos vielleicht zurück¬ gelassen, weil er sich von der Colonne verirrt, im Angesicht des Tigers, der Hyäne, deren Geheul seiner Witterung nachging, wie mancher mag an die schnell und glücklich Gestorbenen in Accum zurückgedacht, ihr Loos beneidet haben! Napoleon ging an ihren Lagerstätten umher, seine Augen blitzten sie an; dem nickte er, dem drückte er die Hand, dem rief er ein baldiges Wiedersehn auf dem Felde der Ehre zu. Sie Alle richteten sich begeistert auf, und riefen ihrem großen General ein Vivat!"
dürſtete nicht nach Eroberungen, die ſich nicht halten laſſen. Er mußte zurück. Konnte er die Kranken, die Verwundeten durch die glühende Sandwüſte mit¬ ſchleppen; kaum ſeine Geſunden hielten die Strapatzen aus! Sollte er die Unglücklichen dem Grimm barbari¬ ſcher Feinde zurücklaſſen? Er war raſch entſchloſſen —“
„Sie nehmen das Gerücht für wahr an?“
„So wahr ich ihn ehre. Gewiß nach einem ſchweren Kampf. Wer trennt ſich leichten Herzens von denen, die uns die Theuerſten ſind. Aber als es in ihm klar war, daß es ſein mußte, zauderte er keinen Moment Hand ans Werk zu legen. Durfte er ſie erſchießen, erſchlagen laſſen? Das durfte er nicht vor dem Urtheil der unmündigen Welt, nicht vor ihnen ſelbſt. In ſüße Illuſionen ließ er ſie ein¬ wiegen durch Opium bis — bis ſie in ſüßen Träu¬ men von dieſer Welt ſchieden. Wie mancher der Soldaten mag auf dem ſauren Rückweg, unter Durſt und Sonnenſtichen erliegend, hülflos vielleicht zurück¬ gelaſſen, weil er ſich von der Colonne verirrt, im Angeſicht des Tigers, der Hyäne, deren Geheul ſeiner Witterung nachging, wie mancher mag an die ſchnell und glücklich Geſtorbenen in Accum zurückgedacht, ihr Loos beneidet haben! Napoleon ging an ihren Lagerſtätten umher, ſeine Augen blitzten ſie an; dem nickte er, dem drückte er die Hand, dem rief er ein baldiges Wiederſehn auf dem Felde der Ehre zu. Sie Alle richteten ſich begeiſtert auf, und riefen ihrem großen General ein Vivat!“
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dürſtete nicht nach Eroberungen, die ſich nicht halten
laſſen. Er mußte zurück. Konnte er die Kranken,
die Verwundeten durch die glühende Sandwüſte mit¬
ſchleppen; kaum ſeine Geſunden hielten die Strapatzen
aus! Sollte er die Unglücklichen dem Grimm barbari¬
ſcher Feinde zurücklaſſen? Er war raſch entſchloſſen —“
„Sie nehmen das Gerücht für wahr an?“
„So wahr ich ihn ehre. Gewiß nach einem
ſchweren Kampf. Wer trennt ſich leichten Herzens
von denen, die uns die Theuerſten ſind. Aber als
es in ihm klar war, daß es ſein mußte, zauderte er
keinen Moment Hand ans Werk zu legen. Durfte
er ſie erſchießen, erſchlagen laſſen? Das durfte er
nicht vor dem Urtheil der unmündigen Welt, nicht
vor ihnen ſelbſt. In ſüße Illuſionen ließ er ſie ein¬
wiegen durch Opium bis — bis ſie in ſüßen Träu¬
men von dieſer Welt ſchieden. Wie mancher der
Soldaten mag auf dem ſauren Rückweg, unter Durſt
und Sonnenſtichen erliegend, hülflos vielleicht zurück¬
gelaſſen, weil er ſich von der Colonne verirrt, im
Angeſicht des Tigers, der Hyäne, deren Geheul ſeiner
Witterung nachging, wie mancher mag an die ſchnell
und glücklich Geſtorbenen in Accum zurückgedacht,
ihr Loos beneidet haben! Napoleon ging an ihren
Lagerſtätten umher, ſeine Augen blitzten ſie an;
dem nickte er, dem drückte er die Hand, dem rief
er ein baldiges Wiederſehn auf dem Felde der
Ehre zu. Sie Alle richteten ſich begeiſtert auf, und
riefen ihrem großen General ein Vivat!“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/252>, abgerufen am 27.11.2024.
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