Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Er ging aus, sich einen Secundanten zu suchen!
Wen? -- Er sann umsonst nach. Den ersten besten,
der ihm auf der Straße nicht ausweichen würde, mit
einem Gesicht, auf dem geschrieben stände: Tritt mir
nicht in den Weg! Der Zufall führte ihn vor das
Haus, wo Walter van Asten wohnte. Er blieb zau¬
dernd stehen. Schon wollte er, kopfschüttelnd, weiter,
als er den Thorweg geöffnet hatte: "Er war in Halle
ein guter Schläger, und als Senior der Marchia
stand ich ihm oft zur Seite. Er ist mir noch Re¬
vanche schuldig und solche Auffrischung unter seinem
Bücherstaub wird ihm ganz zuträglich sein."

Die Freunde hatten sich lange nicht gesehen.
Walter sah jünger, frischer aus. Sein Händedruck war
elastisch, ein kräftiges Willkommen! tönte Louis entgegen.

"Du siehst ja wie das Morgenroth aus! Und
doch unter Büchern verpackt. -- Und da eine neue
literarische Arbeit!"

"Dazu ist nicht Zeit jetzt!"

"Nu, wozu denn?"

Louis warf sich auf den Stuhl am Arbeitstisch
und ergriff das Concept. Er las -- las weiter, und
warf plötzlich den Hut vom Kopf, daß er auf die
Erde rollte: "Plagt Dich der --! Lasten der Bauern,
Vorspann, Naturalverpflegung der Cavallerie! ""Und
alles das noch auf das verkümmerte Dasein einer
Menschenklasse geworfen, welche unter dem Joch der
Leibeigenschaft seufzt, die, wie milde sie auch immer¬
hin gehandhabt werde, das Gefühl der Menschen¬

Er ging aus, ſich einen Secundanten zu ſuchen!
Wen? — Er ſann umſonſt nach. Den erſten beſten,
der ihm auf der Straße nicht ausweichen würde, mit
einem Geſicht, auf dem geſchrieben ſtände: Tritt mir
nicht in den Weg! Der Zufall führte ihn vor das
Haus, wo Walter van Aſten wohnte. Er blieb zau¬
dernd ſtehen. Schon wollte er, kopfſchüttelnd, weiter,
als er den Thorweg geöffnet hatte: „Er war in Halle
ein guter Schläger, und als Senior der Marchia
ſtand ich ihm oft zur Seite. Er iſt mir noch Re¬
vanche ſchuldig und ſolche Auffriſchung unter ſeinem
Bücherſtaub wird ihm ganz zuträglich ſein.“

Die Freunde hatten ſich lange nicht geſehen.
Walter ſah jünger, friſcher aus. Sein Händedruck war
elaſtiſch, ein kräftiges Willkommen! tönte Louis entgegen.

„Du ſiehſt ja wie das Morgenroth aus! Und
doch unter Büchern verpackt. — Und da eine neue
literariſche Arbeit!“

„Dazu iſt nicht Zeit jetzt!“

„Nu, wozu denn?“

Louis warf ſich auf den Stuhl am Arbeitstiſch
und ergriff das Concept. Er las — las weiter, und
warf plötzlich den Hut vom Kopf, daß er auf die
Erde rollte: „Plagt Dich der —! Laſten der Bauern,
Vorſpann, Naturalverpflegung der Cavallerie! „„Und
alles das noch auf das verkümmerte Daſein einer
Menſchenklaſſe geworfen, welche unter dem Joch der
Leibeigenſchaft ſeufzt, die, wie milde ſie auch immer¬
hin gehandhabt werde, das Gefühl der Menſchen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0184" n="174"/>
        <p>Er ging aus, &#x017F;ich einen Secundanten zu &#x017F;uchen!<lb/>
Wen? &#x2014; Er &#x017F;ann um&#x017F;on&#x017F;t nach. Den er&#x017F;ten be&#x017F;ten,<lb/>
der ihm auf der Straße nicht ausweichen würde, mit<lb/>
einem Ge&#x017F;icht, auf dem ge&#x017F;chrieben &#x017F;tände: Tritt mir<lb/>
nicht in den Weg! Der Zufall führte ihn vor das<lb/>
Haus, wo Walter van A&#x017F;ten wohnte. Er blieb zau¬<lb/>
dernd &#x017F;tehen. Schon wollte er, kopf&#x017F;chüttelnd, weiter,<lb/>
als er den Thorweg geöffnet hatte: &#x201E;Er war in Halle<lb/>
ein guter Schläger, und als Senior der Marchia<lb/>
&#x017F;tand ich ihm oft zur Seite. Er i&#x017F;t mir noch Re¬<lb/>
vanche &#x017F;chuldig und &#x017F;olche Auffri&#x017F;chung unter &#x017F;einem<lb/>
Bücher&#x017F;taub wird ihm ganz zuträglich &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Freunde hatten &#x017F;ich lange nicht ge&#x017F;ehen.<lb/>
Walter &#x017F;ah jünger, fri&#x017F;cher aus. Sein Händedruck war<lb/>
ela&#x017F;ti&#x017F;ch, ein kräftiges Willkommen! tönte Louis entgegen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du &#x017F;ieh&#x017F;t ja wie das Morgenroth aus! Und<lb/>
doch unter Büchern verpackt. &#x2014; Und da eine neue<lb/>
literari&#x017F;che Arbeit!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dazu i&#x017F;t nicht Zeit jetzt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nu, wozu denn?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Louis warf &#x017F;ich auf den Stuhl am Arbeitsti&#x017F;ch<lb/>
und ergriff das Concept. Er las &#x2014; las weiter, und<lb/>
warf plötzlich den Hut vom Kopf, daß er auf die<lb/>
Erde rollte: &#x201E;Plagt Dich der &#x2014;! La&#x017F;ten der Bauern,<lb/>
Vor&#x017F;pann, Naturalverpflegung der Cavallerie! &#x201E;&#x201E;Und<lb/>
alles das noch auf das verkümmerte Da&#x017F;ein einer<lb/>
Men&#x017F;chenkla&#x017F;&#x017F;e geworfen, welche unter dem Joch der<lb/>
Leibeigen&#x017F;chaft &#x017F;eufzt, die, wie milde &#x017F;ie auch immer¬<lb/>
hin gehandhabt werde, das Gefühl der Men&#x017F;chen¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0184] Er ging aus, ſich einen Secundanten zu ſuchen! Wen? — Er ſann umſonſt nach. Den erſten beſten, der ihm auf der Straße nicht ausweichen würde, mit einem Geſicht, auf dem geſchrieben ſtände: Tritt mir nicht in den Weg! Der Zufall führte ihn vor das Haus, wo Walter van Aſten wohnte. Er blieb zau¬ dernd ſtehen. Schon wollte er, kopfſchüttelnd, weiter, als er den Thorweg geöffnet hatte: „Er war in Halle ein guter Schläger, und als Senior der Marchia ſtand ich ihm oft zur Seite. Er iſt mir noch Re¬ vanche ſchuldig und ſolche Auffriſchung unter ſeinem Bücherſtaub wird ihm ganz zuträglich ſein.“ Die Freunde hatten ſich lange nicht geſehen. Walter ſah jünger, friſcher aus. Sein Händedruck war elaſtiſch, ein kräftiges Willkommen! tönte Louis entgegen. „Du ſiehſt ja wie das Morgenroth aus! Und doch unter Büchern verpackt. — Und da eine neue literariſche Arbeit!“ „Dazu iſt nicht Zeit jetzt!“ „Nu, wozu denn?“ Louis warf ſich auf den Stuhl am Arbeitstiſch und ergriff das Concept. Er las — las weiter, und warf plötzlich den Hut vom Kopf, daß er auf die Erde rollte: „Plagt Dich der —! Laſten der Bauern, Vorſpann, Naturalverpflegung der Cavallerie! „„Und alles das noch auf das verkümmerte Daſein einer Menſchenklaſſe geworfen, welche unter dem Joch der Leibeigenſchaft ſeufzt, die, wie milde ſie auch immer¬ hin gehandhabt werde, das Gefühl der Menſchen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/184
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/184>, abgerufen am 03.05.2024.