kanntschaft ausgedrückt. Er that dies selten. Im Speisesaal grinste ihn die Verwüstung an. Es dampfte, fluthete, er mußte über umgeworfene Stühle, Tische, Scherben steigen. Wenn das in seiner Studirstube passirt wäre! Der blasse Geisterschreck, den dieser Gedanke auf sein Gesicht zauberte, trieb ihn zu einer ungewohnten Thätigkeit. Er rief den Dienern, den Mägden, er legte selbst Hand mit an.
Da flog ein erstes Lächeln über die weißen Lip¬ pen der Geheimräthin, und es zückte etwas von Leben in ihrem starren Blicke. Sie hatte bis da regungs¬ los auf dem Canape halb gesessen, halb gelegen, vielleicht im Gedränge von den Fortstürzenden dahin gestoßen. Das Eau de Cologne, was Lisette ihr in's Gesicht gesprengt, war ohne Wirkung geblieben. Jetzt, beim Anblick der Thätigkeit ihres Mannes kehrte das Leben zurück. Die Zunge löste sich, sie konnte sprechen, es platzte heraus wie ein Lachen: "Mit den Pan¬ toffeln! Sie erkälten sich ja im Wasser die Füße."
Der Geheimrath fühlte jetzt, was ihm ein Un¬ behagen verursacht, für das er sich keinen Grund anzugeben gewußt. Er ging im Wasser, seine Füße waren ganz naß.
"Aber es muß doch Ordnung geschafft werden, meine Liebe." Er sah sich um.
"Dafür wird Lisette sorgen, die versteht es besser. Gehn Sie in Ihre Stube und ziehen sich andere Strümpfe an, morgen ist alles wieder wie sonst."
kanntſchaft ausgedrückt. Er that dies ſelten. Im Speiſeſaal grinſte ihn die Verwüſtung an. Es dampfte, fluthete, er mußte über umgeworfene Stühle, Tiſche, Scherben ſteigen. Wenn das in ſeiner Studirſtube paſſirt wäre! Der blaſſe Geiſterſchreck, den dieſer Gedanke auf ſein Geſicht zauberte, trieb ihn zu einer ungewohnten Thätigkeit. Er rief den Dienern, den Mägden, er legte ſelbſt Hand mit an.
Da flog ein erſtes Lächeln über die weißen Lip¬ pen der Geheimräthin, und es zückte etwas von Leben in ihrem ſtarren Blicke. Sie hatte bis da regungs¬ los auf dem Canapé halb geſeſſen, halb gelegen, vielleicht im Gedränge von den Fortſtürzenden dahin geſtoßen. Das Eau de Cologne, was Liſette ihr in's Geſicht geſprengt, war ohne Wirkung geblieben. Jetzt, beim Anblick der Thätigkeit ihres Mannes kehrte das Leben zurück. Die Zunge löſte ſich, ſie konnte ſprechen, es platzte heraus wie ein Lachen: „Mit den Pan¬ toffeln! Sie erkälten ſich ja im Waſſer die Füße.“
Der Geheimrath fühlte jetzt, was ihm ein Un¬ behagen verurſacht, für das er ſich keinen Grund anzugeben gewußt. Er ging im Waſſer, ſeine Füße waren ganz naß.
„Aber es muß doch Ordnung geſchafft werden, meine Liebe.“ Er ſah ſich um.
„Dafür wird Liſette ſorgen, die verſteht es beſſer. Gehn Sie in Ihre Stube und ziehen ſich andere Strümpfe an, morgen iſt alles wieder wie ſonſt.“
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kanntſchaft ausgedrückt. Er that dies ſelten. Im
Speiſeſaal grinſte ihn die Verwüſtung an. Es dampfte,
fluthete, er mußte über umgeworfene Stühle, Tiſche,
Scherben ſteigen. Wenn das in ſeiner Studirſtube
paſſirt wäre! Der blaſſe Geiſterſchreck, den dieſer
Gedanke auf ſein Geſicht zauberte, trieb ihn zu einer
ungewohnten Thätigkeit. Er rief den Dienern, den
Mägden, er legte ſelbſt Hand mit an.
Da flog ein erſtes Lächeln über die weißen Lip¬
pen der Geheimräthin, und es zückte etwas von Leben
in ihrem ſtarren Blicke. Sie hatte bis da regungs¬
los auf dem Canapé halb geſeſſen, halb gelegen,
vielleicht im Gedränge von den Fortſtürzenden dahin
geſtoßen. Das Eau de Cologne, was Liſette ihr in's
Geſicht geſprengt, war ohne Wirkung geblieben. Jetzt,
beim Anblick der Thätigkeit ihres Mannes kehrte das
Leben zurück. Die Zunge löſte ſich, ſie konnte ſprechen,
es platzte heraus wie ein Lachen: „Mit den Pan¬
toffeln! Sie erkälten ſich ja im Waſſer die Füße.“
Der Geheimrath fühlte jetzt, was ihm ein Un¬
behagen verurſacht, für das er ſich keinen Grund
anzugeben gewußt. Er ging im Waſſer, ſeine Füße
waren ganz naß.
„Aber es muß doch Ordnung geſchafft werden,
meine Liebe.“ Er ſah ſich um.
„Dafür wird Liſette ſorgen, die verſteht es
beſſer. Gehn Sie in Ihre Stube und ziehen ſich
andere Strümpfe an, morgen iſt alles wieder
wie ſonſt.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/162>, abgerufen am 03.05.2024.
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