lassen haben; die Luft verrieth, daß die Fenster sehr lange nicht geöffnet worden. Der chromatische Far¬ benspiegel der Scheiben, und die Spinneweben an den Fensterecken gaben den vollgültigsten Beweis dafür, daß, wie alle Passionen, auch die des Rein¬ lichkeitssinnes einem Wechsel unterworfen sind. Oder es waren andere Gründe? Gerade diese Spinnen, der schillernde Glanz der Scheiben, der Duft des Unberührtseins war es, was dem Zimmer den Cha¬ racter sonntäglicher Heimlichkeit gab. Wohlverstan¬ den der sonntäglichen Heimlichkeit einer alten deut¬ schen Gelehrtenstube, in welche der Qualm des Ta¬ backs noch nicht eingedrungen und den Büchergeruch noch nicht niedergedrückt hat. Und ganz zu dieser Stube, will man sagen wie die Seele zum Körper, oder die Spinne in ihrem Netze, paßte die Gestalt des Geheimrathes, der den Kopf im Ellenbogen und den Ellenbogen auf einem Folianten in ihrer Mitte saß, wohlgefällig, zufrieden, schlau lächelnd.
So hatte er das Wort gesprochen: "Und wir behal¬ ten Frieden und Alles bleibt beim Alten!" als ein Seuf¬ zer aus der tiefen Stille des Zimmers ihm antwortete.
Der Geheimrath glaubte an keine Gespenster, er sah auch nach keinem, als sein schlauer Blick über das Regal, welches die Zweibrückner Horaze trug, auf die schweinslederne Hinterwand fiel, wo jemand auf der Leiter einen Folianten in der Hand wiegte.
"Gehören Sie auch zur Kriegspartei, mein Herr van Asten?"
laſſen haben; die Luft verrieth, daß die Fenſter ſehr lange nicht geöffnet worden. Der chromatiſche Far¬ benſpiegel der Scheiben, und die Spinneweben an den Fenſterecken gaben den vollgültigſten Beweis dafür, daß, wie alle Paſſionen, auch die des Rein¬ lichkeitsſinnes einem Wechſel unterworfen ſind. Oder es waren andere Gründe? Gerade dieſe Spinnen, der ſchillernde Glanz der Scheiben, der Duft des Unberührtſeins war es, was dem Zimmer den Cha¬ racter ſonntäglicher Heimlichkeit gab. Wohlverſtan¬ den der ſonntäglichen Heimlichkeit einer alten deut¬ ſchen Gelehrtenſtube, in welche der Qualm des Ta¬ backs noch nicht eingedrungen und den Büchergeruch noch nicht niedergedrückt hat. Und ganz zu dieſer Stube, will man ſagen wie die Seele zum Körper, oder die Spinne in ihrem Netze, paßte die Geſtalt des Geheimrathes, der den Kopf im Ellenbogen und den Ellenbogen auf einem Folianten in ihrer Mitte ſaß, wohlgefällig, zufrieden, ſchlau lächelnd.
So hatte er das Wort geſprochen: „Und wir behal¬ ten Frieden und Alles bleibt beim Alten!“ als ein Seuf¬ zer aus der tiefen Stille des Zimmers ihm antwortete.
Der Geheimrath glaubte an keine Geſpenſter, er ſah auch nach keinem, als ſein ſchlauer Blick über das Regal, welches die Zweibrückner Horaze trug, auf die ſchweinslederne Hinterwand fiel, wo jemand auf der Leiter einen Folianten in der Hand wiegte.
„Gehören Sie auch zur Kriegspartei, mein Herr van Aſten?“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="6"/>
laſſen haben; die Luft verrieth, daß die Fenſter ſehr<lb/>
lange nicht geöffnet worden. Der chromatiſche Far¬<lb/>
benſpiegel der Scheiben, und die Spinneweben an<lb/>
den Fenſterecken gaben den vollgültigſten Beweis<lb/>
dafür, daß, wie alle Paſſionen, auch die des Rein¬<lb/>
lichkeitsſinnes einem Wechſel unterworfen ſind. Oder<lb/>
es waren andere Gründe? Gerade dieſe Spinnen,<lb/>
der ſchillernde Glanz der Scheiben, der Duft des<lb/>
Unberührtſeins war es, was dem Zimmer den Cha¬<lb/>
racter ſonntäglicher Heimlichkeit gab. Wohlverſtan¬<lb/>
den der ſonntäglichen Heimlichkeit einer alten deut¬<lb/>ſchen Gelehrtenſtube, in welche der Qualm des Ta¬<lb/>
backs noch nicht eingedrungen und den Büchergeruch<lb/>
noch nicht niedergedrückt hat. Und ganz zu dieſer<lb/>
Stube, will man ſagen wie die Seele zum Körper,<lb/>
oder die Spinne in ihrem Netze, paßte die Geſtalt<lb/>
des Geheimrathes, der den Kopf im Ellenbogen und<lb/>
den Ellenbogen auf einem Folianten in ihrer Mitte<lb/>ſaß, wohlgefällig, zufrieden, ſchlau lächelnd.</p><lb/><p>So hatte er das Wort geſprochen: „Und wir behal¬<lb/>
ten Frieden und Alles bleibt beim Alten!“ als ein Seuf¬<lb/>
zer aus der tiefen Stille des Zimmers ihm antwortete.</p><lb/><p>Der Geheimrath glaubte an keine Geſpenſter,<lb/>
er ſah auch nach keinem, als ſein ſchlauer Blick<lb/>
über das Regal, welches die Zweibrückner Horaze<lb/>
trug, auf die ſchweinslederne Hinterwand fiel, wo<lb/>
jemand auf der Leiter einen Folianten in der Hand wiegte.</p><lb/><p>„Gehören Sie auch zur Kriegspartei, mein Herr<lb/>
van Aſten?“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[6/0016]
laſſen haben; die Luft verrieth, daß die Fenſter ſehr
lange nicht geöffnet worden. Der chromatiſche Far¬
benſpiegel der Scheiben, und die Spinneweben an
den Fenſterecken gaben den vollgültigſten Beweis
dafür, daß, wie alle Paſſionen, auch die des Rein¬
lichkeitsſinnes einem Wechſel unterworfen ſind. Oder
es waren andere Gründe? Gerade dieſe Spinnen,
der ſchillernde Glanz der Scheiben, der Duft des
Unberührtſeins war es, was dem Zimmer den Cha¬
racter ſonntäglicher Heimlichkeit gab. Wohlverſtan¬
den der ſonntäglichen Heimlichkeit einer alten deut¬
ſchen Gelehrtenſtube, in welche der Qualm des Ta¬
backs noch nicht eingedrungen und den Büchergeruch
noch nicht niedergedrückt hat. Und ganz zu dieſer
Stube, will man ſagen wie die Seele zum Körper,
oder die Spinne in ihrem Netze, paßte die Geſtalt
des Geheimrathes, der den Kopf im Ellenbogen und
den Ellenbogen auf einem Folianten in ihrer Mitte
ſaß, wohlgefällig, zufrieden, ſchlau lächelnd.
So hatte er das Wort geſprochen: „Und wir behal¬
ten Frieden und Alles bleibt beim Alten!“ als ein Seuf¬
zer aus der tiefen Stille des Zimmers ihm antwortete.
Der Geheimrath glaubte an keine Geſpenſter,
er ſah auch nach keinem, als ſein ſchlauer Blick
über das Regal, welches die Zweibrückner Horaze
trug, auf die ſchweinslederne Hinterwand fiel, wo
jemand auf der Leiter einen Folianten in der Hand wiegte.
„Gehören Sie auch zur Kriegspartei, mein Herr
van Aſten?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/16>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.