welches der einzige Weg zum Glück ist, sich zu finden in das was ist und -- nicht unnöthig Staub auf¬ rühren."
Alsdann pflegte eine Lobrede auf den Horaz zu folgen, die aber von der Geheimräthin an einem bestimmten Wendepunkte mit einer praktischen Bemer¬ kung auf etwas anderes übergeleitet ward. Der Ge¬ heimrath wußte es, lächelte, schwieg und war eigentlich zufrieden. In der Hauptsache aber waren sie zu einem Accord gekommen. Seine Ausgaben des Horaz, die auf einer Reihe niedrigerer Regale wie eine Art Schirmwand um den Arbeitstisch standen, durfte die Frau wöchentlich einmal abstäuben; aber nur sie selbst und mit einem weichen Pfauenwedel. Sie nahm jeden Band einzeln heraus, trug ihn in das Vor¬ zimmer und fegte ihn am geöffneten Fenster. Da lächelte er zufrieden, die andern Bücher, die großen schweinsledernen Folianten, die hinten bis an die Decke die Zimmerwände füllten, sollten nur dann und wann, und nur ganz oberflächlich abgestäubt werden. Auch sollten dazu sonnige Tage abgewartet werden, weil die Sonne den Staub niederdrückt. Die Horaz¬ regale sollten dabei mit Leinentüchern überdeckt, und der Geheimrath selbst jedesmal vorher avertirt werden, um zu untersuchen, ob es nöthig sei. -- Ob diese Bedingungen streng inne gehalten wurden, bleibt ein häusliches Geheimniß. Die letzte gewiß nicht, denn der Geheimrath hätte es nie für nöthig gefunden.
Aber der Eifer der Geheimräthin mußte nachge¬
welches der einzige Weg zum Glück iſt, ſich zu finden in das was iſt und — nicht unnöthig Staub auf¬ rühren.“
Alsdann pflegte eine Lobrede auf den Horaz zu folgen, die aber von der Geheimräthin an einem beſtimmten Wendepunkte mit einer praktiſchen Bemer¬ kung auf etwas anderes übergeleitet ward. Der Ge¬ heimrath wußte es, lächelte, ſchwieg und war eigentlich zufrieden. In der Hauptſache aber waren ſie zu einem Accord gekommen. Seine Ausgaben des Horaz, die auf einer Reihe niedrigerer Regale wie eine Art Schirmwand um den Arbeitstiſch ſtanden, durfte die Frau wöchentlich einmal abſtäuben; aber nur ſie ſelbſt und mit einem weichen Pfauenwedel. Sie nahm jeden Band einzeln heraus, trug ihn in das Vor¬ zimmer und fegte ihn am geöffneten Fenſter. Da lächelte er zufrieden, die andern Bücher, die großen ſchweinsledernen Folianten, die hinten bis an die Decke die Zimmerwände füllten, ſollten nur dann und wann, und nur ganz oberflächlich abgeſtäubt werden. Auch ſollten dazu ſonnige Tage abgewartet werden, weil die Sonne den Staub niederdrückt. Die Horaz¬ regale ſollten dabei mit Leinentüchern überdeckt, und der Geheimrath ſelbſt jedesmal vorher avertirt werden, um zu unterſuchen, ob es nöthig ſei. — Ob dieſe Bedingungen ſtreng inne gehalten wurden, bleibt ein häusliches Geheimniß. Die letzte gewiß nicht, denn der Geheimrath hätte es nie für nöthig gefunden.
Aber der Eifer der Geheimräthin mußte nachge¬
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welches der einzige Weg zum Glück iſt, ſich zu finden
in das was iſt und — nicht unnöthig Staub auf¬
rühren.“
Alsdann pflegte eine Lobrede auf den Horaz zu
folgen, die aber von der Geheimräthin an einem
beſtimmten Wendepunkte mit einer praktiſchen Bemer¬
kung auf etwas anderes übergeleitet ward. Der Ge¬
heimrath wußte es, lächelte, ſchwieg und war eigentlich
zufrieden. In der Hauptſache aber waren ſie zu einem
Accord gekommen. Seine Ausgaben des Horaz, die
auf einer Reihe niedrigerer Regale wie eine Art
Schirmwand um den Arbeitstiſch ſtanden, durfte die
Frau wöchentlich einmal abſtäuben; aber nur ſie ſelbſt
und mit einem weichen Pfauenwedel. Sie nahm
jeden Band einzeln heraus, trug ihn in das Vor¬
zimmer und fegte ihn am geöffneten Fenſter. Da
lächelte er zufrieden, die andern Bücher, die großen
ſchweinsledernen Folianten, die hinten bis an die
Decke die Zimmerwände füllten, ſollten nur dann und
wann, und nur ganz oberflächlich abgeſtäubt werden.
Auch ſollten dazu ſonnige Tage abgewartet werden,
weil die Sonne den Staub niederdrückt. Die Horaz¬
regale ſollten dabei mit Leinentüchern überdeckt, und
der Geheimrath ſelbſt jedesmal vorher avertirt werden,
um zu unterſuchen, ob es nöthig ſei. — Ob dieſe
Bedingungen ſtreng inne gehalten wurden, bleibt ein
häusliches Geheimniß. Die letzte gewiß nicht, denn
der Geheimrath hätte es nie für nöthig gefunden.
Aber der Eifer der Geheimräthin mußte nachge¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/15>, abgerufen am 23.11.2024.
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