sie soll aus ihrer Conversation lernen. Manches Eckige, Erdige wird sich abschleifen, um dem Sinni¬ gen Platz zu machen."
Die Fürstin sah sie verwundert an, aber die Mißbilligung, die in ihrem Blicke lag, ging in ein Lächeln über: "Nicht die Herz! Keine Hofmeisterin! Die Herz würde ihr schöne Maximen predigen! O keine Predigten! -- Sie zur Tugendpuppe erziehen, das heißt eine Natur verderben, wie sie nicht oft aus Gottes Schöpfung hervorgeht."
"Ich meinte auch nicht grade eine Kloster¬ erziehung."
"Dies pulsende Blut will sein Recht. Der Schöpfer träufte es in unsre Adern, wie er die Sonne in den Aetherbogen warf, wie er der Traube würzi¬ ges Blut gab, uns zu berauschen. Wer nie berauscht war, nie im Wirbel der Leidenschaft taumelte, wer nie die Wonne dieser Erde kostete, der kann auch nicht die Wonne der himmlischen Seligkeit empfinden."
Ihr schönes Auge glänzte so seltsam dabei, wäh¬ rend sie starr nach der Decke sah. Nach einer langen Pause stand sie auf, und strich tief aufathmend ihren Scheitel mit beiden Händen. Sie lächelte schelmisch die Geheimräthin an:
"Nicht wahr, ich habe recht viel dummes Zeug gesprochen? Vergessen Sie es und entschuldigen mich. -- Aber als ob ich mich vor Ihnen zu entschuldigen brauchte, vor einer Frau, die ja auch weiß, wie der Geist so oft sich von dem Körper trennt, und die
ſie ſoll aus ihrer Converſation lernen. Manches Eckige, Erdige wird ſich abſchleifen, um dem Sinni¬ gen Platz zu machen.“
Die Fürſtin ſah ſie verwundert an, aber die Mißbilligung, die in ihrem Blicke lag, ging in ein Lächeln über: „Nicht die Herz! Keine Hofmeiſterin! Die Herz würde ihr ſchöne Maximen predigen! O keine Predigten! — Sie zur Tugendpuppe erziehen, das heißt eine Natur verderben, wie ſie nicht oft aus Gottes Schöpfung hervorgeht.“
„Ich meinte auch nicht grade eine Kloſter¬ erziehung.“
„Dies pulſende Blut will ſein Recht. Der Schöpfer träufte es in unſre Adern, wie er die Sonne in den Aetherbogen warf, wie er der Traube würzi¬ ges Blut gab, uns zu berauſchen. Wer nie berauſcht war, nie im Wirbel der Leidenſchaft taumelte, wer nie die Wonne dieſer Erde koſtete, der kann auch nicht die Wonne der himmliſchen Seligkeit empfinden.“
Ihr ſchönes Auge glänzte ſo ſeltſam dabei, wäh¬ rend ſie ſtarr nach der Decke ſah. Nach einer langen Pauſe ſtand ſie auf, und ſtrich tief aufathmend ihren Scheitel mit beiden Händen. Sie lächelte ſchelmiſch die Geheimräthin an:
„Nicht wahr, ich habe recht viel dummes Zeug geſprochen? Vergeſſen Sie es und entſchuldigen mich. — Aber als ob ich mich vor Ihnen zu entſchuldigen brauchte, vor einer Frau, die ja auch weiß, wie der Geiſt ſo oft ſich von dem Körper trennt, und die
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ſie ſoll aus ihrer Converſation lernen. Manches
Eckige, Erdige wird ſich abſchleifen, um dem Sinni¬
gen Platz zu machen.“
Die Fürſtin ſah ſie verwundert an, aber die
Mißbilligung, die in ihrem Blicke lag, ging in ein
Lächeln über: „Nicht die Herz! Keine Hofmeiſterin!
Die Herz würde ihr ſchöne Maximen predigen! O
keine Predigten! — Sie zur Tugendpuppe erziehen,
das heißt eine Natur verderben, wie ſie nicht oft aus
Gottes Schöpfung hervorgeht.“
„Ich meinte auch nicht grade eine Kloſter¬
erziehung.“
„Dies pulſende Blut will ſein Recht. Der
Schöpfer träufte es in unſre Adern, wie er die Sonne
in den Aetherbogen warf, wie er der Traube würzi¬
ges Blut gab, uns zu berauſchen. Wer nie berauſcht
war, nie im Wirbel der Leidenſchaft taumelte, wer
nie die Wonne dieſer Erde koſtete, der kann auch
nicht die Wonne der himmliſchen Seligkeit empfinden.“
Ihr ſchönes Auge glänzte ſo ſeltſam dabei, wäh¬
rend ſie ſtarr nach der Decke ſah. Nach einer langen
Pauſe ſtand ſie auf, und ſtrich tief aufathmend ihren
Scheitel mit beiden Händen. Sie lächelte ſchelmiſch
die Geheimräthin an:
„Nicht wahr, ich habe recht viel dummes Zeug
geſprochen? Vergeſſen Sie es und entſchuldigen mich.
— Aber als ob ich mich vor Ihnen zu entſchuldigen
brauchte, vor einer Frau, die ja auch weiß, wie der
Geiſt ſo oft ſich von dem Körper trennt, und die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/140>, abgerufen am 01.08.2024.
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