Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Lippen, das schwimmende, überwältigende Auge
schafft."

"Die Herz ist passiv, aber sehr intensiv."

"Qu'importe!"

"Und tugendhaft."

"C'est ca. Par son naturel. Aber sehn Sie,
trotz des orientalischen Nimbus, ich frage Sie, könnte
ein Maler aus dem Gesicht eine Heilige machen?
Nimmermehr, ihm fehlt die Sinnlichkeit. -- Sie be¬
wegt sich -- jetzt recht lebhaft -- drückt ihre Lippe
es aus? Verräth es das Auge? -- Und nun da¬
gegen Adelheid! Eine unwillkührliche Bewegung ihres
Füßchens, und die Lippe spricht es aus, das Grüb¬
chen am Kinn. Elastisch die ganze Figur, aber das
Gesicht die Blüthe. Wenn ich nichts als das Ge¬
sicht sähe, wollte ich mir ihre ganze Gestalt con¬
struiren. O Sie müssen eine wahre mütterliche Freude
an dieser Acquisition haben."

"Wenn sie meinen Erwartungen entspricht. Ihre
Erziehung entsprach den beschränkten Sphären ihres
elterlichen Hauses. Es müssen viele Gewöhnungen,
vulgäre Ansichten ausgetrieben werden --"

"Nichts austreiben, um Gottes willen nichts
austreiben, theure Frau!"

"Ihr fehlt das Sublime. Ich sehe noch immer
durch alle ihre Reize den Thon, aus dem sie ge¬
bildet. Aus ihren ästhetischen Urtheilen platzt zu¬
weilen eine Natürlichkeit, über die ich erschrecke. Daß
die Herz sich für sie interessirt ist mir lieb; ich hoffe,

II. 9

Lippen, das ſchwimmende, überwältigende Auge
ſchafft.“

„Die Herz iſt paſſiv, aber ſehr intenſiv.“

„Qu'importe!“

„Und tugendhaft.“

„C'est ça. Par son naturel. Aber ſehn Sie,
trotz des orientaliſchen Nimbus, ich frage Sie, könnte
ein Maler aus dem Geſicht eine Heilige machen?
Nimmermehr, ihm fehlt die Sinnlichkeit. — Sie be¬
wegt ſich — jetzt recht lebhaft — drückt ihre Lippe
es aus? Verräth es das Auge? — Und nun da¬
gegen Adelheid! Eine unwillkührliche Bewegung ihres
Füßchens, und die Lippe ſpricht es aus, das Grüb¬
chen am Kinn. Elaſtiſch die ganze Figur, aber das
Geſicht die Blüthe. Wenn ich nichts als das Ge¬
ſicht ſähe, wollte ich mir ihre ganze Geſtalt con¬
ſtruiren. O Sie müſſen eine wahre mütterliche Freude
an dieſer Acquiſition haben.“

„Wenn ſie meinen Erwartungen entſpricht. Ihre
Erziehung entſprach den beſchränkten Sphären ihres
elterlichen Hauſes. Es müſſen viele Gewöhnungen,
vulgäre Anſichten ausgetrieben werden —“

„Nichts austreiben, um Gottes willen nichts
austreiben, theure Frau!“

„Ihr fehlt das Sublime. Ich ſehe noch immer
durch alle ihre Reize den Thon, aus dem ſie ge¬
bildet. Aus ihren äſthetiſchen Urtheilen platzt zu¬
weilen eine Natürlichkeit, über die ich erſchrecke. Daß
die Herz ſich für ſie intereſſirt iſt mir lieb; ich hoffe,

II. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="129"/>
Lippen, das &#x017F;chwimmende, überwältigende Auge<lb/>
&#x017F;chafft.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Herz i&#x017F;t pa&#x017F;&#x017F;iv, aber &#x017F;ehr inten&#x017F;iv.&#x201C;</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#aq">&#x201E;Qu'importe!&#x201C;</hi> </p><lb/>
        <p>&#x201E;Und tugendhaft.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;C'est ça. Par son naturel.</hi> Aber &#x017F;ehn Sie,<lb/>
trotz des orientali&#x017F;chen Nimbus, ich frage Sie, könnte<lb/>
ein Maler aus dem Ge&#x017F;icht eine Heilige machen?<lb/>
Nimmermehr, ihm fehlt die Sinnlichkeit. &#x2014; Sie be¬<lb/>
wegt &#x017F;ich &#x2014; jetzt recht lebhaft &#x2014; drückt ihre Lippe<lb/>
es aus? Verräth es das Auge? &#x2014; Und nun da¬<lb/>
gegen Adelheid! Eine unwillkührliche Bewegung ihres<lb/>
Füßchens, und die Lippe &#x017F;pricht es aus, das Grüb¬<lb/>
chen am Kinn. Ela&#x017F;ti&#x017F;ch die ganze Figur, aber das<lb/>
Ge&#x017F;icht die Blüthe. Wenn ich nichts als das Ge¬<lb/>
&#x017F;icht &#x017F;ähe, wollte ich mir ihre ganze Ge&#x017F;talt con¬<lb/>
&#x017F;truiren. O Sie mü&#x017F;&#x017F;en eine wahre mütterliche Freude<lb/>
an die&#x017F;er Acqui&#x017F;ition haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn &#x017F;ie meinen Erwartungen ent&#x017F;pricht. Ihre<lb/>
Erziehung ent&#x017F;prach den be&#x017F;chränkten Sphären ihres<lb/>
elterlichen Hau&#x017F;es. Es mü&#x017F;&#x017F;en viele Gewöhnungen,<lb/>
vulgäre An&#x017F;ichten ausgetrieben werden &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts austreiben, um Gottes willen nichts<lb/>
austreiben, theure Frau!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr fehlt das Sublime. Ich &#x017F;ehe noch immer<lb/>
durch alle ihre Reize den Thon, aus dem &#x017F;ie ge¬<lb/>
bildet. Aus ihren ä&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilen platzt zu¬<lb/>
weilen eine Natürlichkeit, über die ich er&#x017F;chrecke. Daß<lb/>
die Herz &#x017F;ich für &#x017F;ie intere&#x017F;&#x017F;irt i&#x017F;t mir lieb; ich hoffe,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 9<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] Lippen, das ſchwimmende, überwältigende Auge ſchafft.“ „Die Herz iſt paſſiv, aber ſehr intenſiv.“ „Qu'importe!“ „Und tugendhaft.“ „C'est ça. Par son naturel. Aber ſehn Sie, trotz des orientaliſchen Nimbus, ich frage Sie, könnte ein Maler aus dem Geſicht eine Heilige machen? Nimmermehr, ihm fehlt die Sinnlichkeit. — Sie be¬ wegt ſich — jetzt recht lebhaft — drückt ihre Lippe es aus? Verräth es das Auge? — Und nun da¬ gegen Adelheid! Eine unwillkührliche Bewegung ihres Füßchens, und die Lippe ſpricht es aus, das Grüb¬ chen am Kinn. Elaſtiſch die ganze Figur, aber das Geſicht die Blüthe. Wenn ich nichts als das Ge¬ ſicht ſähe, wollte ich mir ihre ganze Geſtalt con¬ ſtruiren. O Sie müſſen eine wahre mütterliche Freude an dieſer Acquiſition haben.“ „Wenn ſie meinen Erwartungen entſpricht. Ihre Erziehung entſprach den beſchränkten Sphären ihres elterlichen Hauſes. Es müſſen viele Gewöhnungen, vulgäre Anſichten ausgetrieben werden —“ „Nichts austreiben, um Gottes willen nichts austreiben, theure Frau!“ „Ihr fehlt das Sublime. Ich ſehe noch immer durch alle ihre Reize den Thon, aus dem ſie ge¬ bildet. Aus ihren äſthetiſchen Urtheilen platzt zu¬ weilen eine Natürlichkeit, über die ich erſchrecke. Daß die Herz ſich für ſie intereſſirt iſt mir lieb; ich hoffe, II. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/139
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/139>, abgerufen am 06.05.2024.