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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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Die Geheimräthin seufzte: "Man muß doch für
seine Familie leben!"

"Das ist ein schöner Zug im deutschen Gemüths¬
leben!"

"Wo der Staat seine Ehre anerkannt hat, darf
die Familie sie nicht sinken lassen."

"Hoffen Sie, daß er wieder den rechten Weg
finde, der arme Irrende."

"Das hoffe ich nicht --"

"Man muß nie eine Hoffnung aufgeben. Aber
sehn Sie da -- sie ist reizend! Und welche Gruppe
diese beiden Frauen! Zum Malen!"

Ihre Blicke hafteten auf Adelheid, die mit der
Doctor Herz im Nebenzimmer sich unterhielt. Die
Fürstin schwärmte in dem Lobe ihrer Schönheit. Es
war mehr als Malerei, sie lebte in der Schilderung
mit, ihre nervösen Bewegungen verriethen es.

"Hier kann man den Unterschied von Schönheit
und Schönheit studiren. Madame Herz ist gewiß
eine vollkommne, aber ihr fehlt etwas."

"Der Kopf ist zu klein für die junonische Ge¬
stalt," sagte die Geheimräthin.

"Ich betrachte sie nicht als Sculpteur. Die
Psyche ists, die mich interessirt, wie das innerste Sein
knospet und blüht in der Erscheinung! Aber Sie
mögen Recht haben, liebe Frau, aus dieser edlen,
großen Gestalt, schoß nicht mehr auf als ein kleiner
Kopf, weil es an dem Feuer gebrach, das eine
gebietende Stirn, eine Jupitersnase, schwellende

Die Geheimräthin ſeufzte: „Man muß doch für
ſeine Familie leben!“

„Das iſt ein ſchöner Zug im deutſchen Gemüths¬
leben!“

„Wo der Staat ſeine Ehre anerkannt hat, darf
die Familie ſie nicht ſinken laſſen.“

„Hoffen Sie, daß er wieder den rechten Weg
finde, der arme Irrende.“

„Das hoffe ich nicht —“

„Man muß nie eine Hoffnung aufgeben. Aber
ſehn Sie da — ſie iſt reizend! Und welche Gruppe
dieſe beiden Frauen! Zum Malen!“

Ihre Blicke hafteten auf Adelheid, die mit der
Doctor Herz im Nebenzimmer ſich unterhielt. Die
Fürſtin ſchwärmte in dem Lobe ihrer Schönheit. Es
war mehr als Malerei, ſie lebte in der Schilderung
mit, ihre nervöſen Bewegungen verriethen es.

„Hier kann man den Unterſchied von Schönheit
und Schönheit ſtudiren. Madame Herz iſt gewiß
eine vollkommne, aber ihr fehlt etwas.“

„Der Kopf iſt zu klein für die junoniſche Ge¬
ſtalt,“ ſagte die Geheimräthin.

„Ich betrachte ſie nicht als Sculpteur. Die
Pſyche iſts, die mich intereſſirt, wie das innerſte Sein
knospet und blüht in der Erſcheinung! Aber Sie
mögen Recht haben, liebe Frau, aus dieſer edlen,
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[128/0138] Die Geheimräthin ſeufzte: „Man muß doch für ſeine Familie leben!“ „Das iſt ein ſchöner Zug im deutſchen Gemüths¬ leben!“ „Wo der Staat ſeine Ehre anerkannt hat, darf die Familie ſie nicht ſinken laſſen.“ „Hoffen Sie, daß er wieder den rechten Weg finde, der arme Irrende.“ „Das hoffe ich nicht —“ „Man muß nie eine Hoffnung aufgeben. Aber ſehn Sie da — ſie iſt reizend! Und welche Gruppe dieſe beiden Frauen! Zum Malen!“ Ihre Blicke hafteten auf Adelheid, die mit der Doctor Herz im Nebenzimmer ſich unterhielt. Die Fürſtin ſchwärmte in dem Lobe ihrer Schönheit. Es war mehr als Malerei, ſie lebte in der Schilderung mit, ihre nervöſen Bewegungen verriethen es. „Hier kann man den Unterſchied von Schönheit und Schönheit ſtudiren. Madame Herz iſt gewiß eine vollkommne, aber ihr fehlt etwas.“ „Der Kopf iſt zu klein für die junoniſche Ge¬ ſtalt,“ ſagte die Geheimräthin. „Ich betrachte ſie nicht als Sculpteur. Die Pſyche iſts, die mich intereſſirt, wie das innerſte Sein knospet und blüht in der Erſcheinung! Aber Sie mögen Recht haben, liebe Frau, aus dieſer edlen, großen Geſtalt, ſchoß nicht mehr auf als ein kleiner Kopf, weil es an dem Feuer gebrach, das eine gebietende Stirn, eine Jupitersnaſe, ſchwellende

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/138>, abgerufen am 24.11.2024.