Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Weines, er war, was die Welt nennt, ein vollkomm¬
ner Lebemann; aber ohne Arg, grade wie er war
gab er sich. Da mußte die Vorsehung nach einem
kurzen Glück -- Wozu Elegieen an einem so frohen
Tage! Es war so besser, für ihn, für mich."

Wo sollte das hinaus! dachte die Geheimräthin.
"Mein Mann ist --" Die Fürstin unterbrach sie aber
mit einem sanften Händedruck:

"Ich frage mich oft, warum müssen diese Kräfte
durch Anstrengungen gehemmt werden, die nie eine
andre Frucht tragen können, als einen Schein? Denn
Ihren sonst so trefflichen Mann werden Sie doch nicht
gesund machen, ich meine so gesund, daß er sich wieder
ins Leben taucht!"

"Ich versuche wenigstens, es ihm so angenehm
wie möglich zu machen. Seine Ansprüche sind so
bescheiden!"

"Das weiß ich. Aber ist das eine Aufgabe für
eine Frau Ihres Geistes! Sein Glück ist gemacht,
indem Sie ihn in seiner Assiette sich selbst überlassen.
Sie könnten doch frei, sich mehr Ihren eigenen, edle¬
ren Trieben überlassen. Freilich haben Sie sich eben
wieder eine neue Sorge auferlegt, die Sie ganz ab¬
sorbirt, doch wer wollte da ein Wort gegen sagen! --
Aber nun bewundere ich Sie wieder, wie Sie sich
auch der Familie Ihres Mannes annehmen. Dies
Festin ist doch auch gegeben, um Ihren Schwager
gewissermaßen in der Gesellschaft wieder zu re¬
tabliren."

Weines, er war, was die Welt nennt, ein vollkomm¬
ner Lebemann; aber ohne Arg, grade wie er war
gab er ſich. Da mußte die Vorſehung nach einem
kurzen Glück — Wozu Elegieen an einem ſo frohen
Tage! Es war ſo beſſer, für ihn, für mich.“

Wo ſollte das hinaus! dachte die Geheimräthin.
„Mein Mann iſt —“ Die Fürſtin unterbrach ſie aber
mit einem ſanften Händedruck:

„Ich frage mich oft, warum müſſen dieſe Kräfte
durch Anſtrengungen gehemmt werden, die nie eine
andre Frucht tragen können, als einen Schein? Denn
Ihren ſonſt ſo trefflichen Mann werden Sie doch nicht
geſund machen, ich meine ſo geſund, daß er ſich wieder
ins Leben taucht!“

„Ich verſuche wenigſtens, es ihm ſo angenehm
wie möglich zu machen. Seine Anſprüche ſind ſo
beſcheiden!“

„Das weiß ich. Aber iſt das eine Aufgabe für
eine Frau Ihres Geiſtes! Sein Glück iſt gemacht,
indem Sie ihn in ſeiner Aſſiette ſich ſelbſt überlaſſen.
Sie könnten doch frei, ſich mehr Ihren eigenen, edle¬
ren Trieben überlaſſen. Freilich haben Sie ſich eben
wieder eine neue Sorge auferlegt, die Sie ganz ab¬
ſorbirt, doch wer wollte da ein Wort gegen ſagen! —
Aber nun bewundere ich Sie wieder, wie Sie ſich
auch der Familie Ihres Mannes annehmen. Dies
Feſtin iſt doch auch gegeben, um Ihren Schwager
gewiſſermaßen in der Geſellſchaft wieder zu re¬
tabliren.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="127"/>
Weines, er war, was die Welt nennt, ein vollkomm¬<lb/>
ner Lebemann; aber ohne Arg, grade wie er war<lb/>
gab er &#x017F;ich. Da mußte die Vor&#x017F;ehung nach einem<lb/>
kurzen Glück &#x2014; Wozu Elegieen an einem &#x017F;o frohen<lb/>
Tage! Es war &#x017F;o be&#x017F;&#x017F;er, für ihn, für mich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wo &#x017F;ollte das hinaus! dachte die Geheimräthin.<lb/>
&#x201E;Mein Mann i&#x017F;t &#x2014;&#x201C; Die Für&#x017F;tin unterbrach &#x017F;ie aber<lb/>
mit einem &#x017F;anften Händedruck:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich frage mich oft, warum mü&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e Kräfte<lb/>
durch An&#x017F;trengungen gehemmt werden, die nie eine<lb/>
andre Frucht tragen können, als einen Schein? Denn<lb/>
Ihren &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o trefflichen Mann werden Sie doch nicht<lb/>
ge&#x017F;und machen, ich meine &#x017F;o ge&#x017F;und, daß er &#x017F;ich wieder<lb/>
ins Leben taucht!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich ver&#x017F;uche wenig&#x017F;tens, es ihm &#x017F;o angenehm<lb/>
wie möglich zu machen. Seine An&#x017F;prüche &#x017F;ind &#x017F;o<lb/>
be&#x017F;cheiden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das weiß ich. Aber i&#x017F;t das eine Aufgabe für<lb/>
eine Frau Ihres Gei&#x017F;tes! Sein Glück i&#x017F;t gemacht,<lb/>
indem Sie ihn in &#x017F;einer A&#x017F;&#x017F;iette &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Sie könnten doch frei, &#x017F;ich mehr Ihren eigenen, edle¬<lb/>
ren Trieben überla&#x017F;&#x017F;en. Freilich haben Sie &#x017F;ich eben<lb/>
wieder eine neue Sorge auferlegt, die Sie ganz ab¬<lb/>
&#x017F;orbirt, doch wer wollte da ein Wort gegen &#x017F;agen! &#x2014;<lb/>
Aber nun bewundere ich Sie wieder, wie Sie &#x017F;ich<lb/>
auch der Familie Ihres Mannes annehmen. Dies<lb/>
Fe&#x017F;tin i&#x017F;t doch auch gegeben, um Ihren Schwager<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wieder zu re¬<lb/>
tabliren.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0137] Weines, er war, was die Welt nennt, ein vollkomm¬ ner Lebemann; aber ohne Arg, grade wie er war gab er ſich. Da mußte die Vorſehung nach einem kurzen Glück — Wozu Elegieen an einem ſo frohen Tage! Es war ſo beſſer, für ihn, für mich.“ Wo ſollte das hinaus! dachte die Geheimräthin. „Mein Mann iſt —“ Die Fürſtin unterbrach ſie aber mit einem ſanften Händedruck: „Ich frage mich oft, warum müſſen dieſe Kräfte durch Anſtrengungen gehemmt werden, die nie eine andre Frucht tragen können, als einen Schein? Denn Ihren ſonſt ſo trefflichen Mann werden Sie doch nicht geſund machen, ich meine ſo geſund, daß er ſich wieder ins Leben taucht!“ „Ich verſuche wenigſtens, es ihm ſo angenehm wie möglich zu machen. Seine Anſprüche ſind ſo beſcheiden!“ „Das weiß ich. Aber iſt das eine Aufgabe für eine Frau Ihres Geiſtes! Sein Glück iſt gemacht, indem Sie ihn in ſeiner Aſſiette ſich ſelbſt überlaſſen. Sie könnten doch frei, ſich mehr Ihren eigenen, edle¬ ren Trieben überlaſſen. Freilich haben Sie ſich eben wieder eine neue Sorge auferlegt, die Sie ganz ab¬ ſorbirt, doch wer wollte da ein Wort gegen ſagen! — Aber nun bewundere ich Sie wieder, wie Sie ſich auch der Familie Ihres Mannes annehmen. Dies Feſtin iſt doch auch gegeben, um Ihren Schwager gewiſſermaßen in der Geſellſchaft wieder zu re¬ tabliren.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/137
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/137>, abgerufen am 24.11.2024.