Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Möglich. Naturen dieser Art sind mir, wie
gesagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber
sollen mit der strengsten Verschwiegenheit vorgenom¬
men werden. Beobachten Sie doch gefälligst, meine
Herren, wenn Sie sich nachher in die Gesellschaft
verlieren, ob schon Andere davon wissen, ob der Le¬
gationsrath bekannte Personen in den Winkel zieht?
Das sind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen
lernt man einen Menschen kennen."

Der Seitensprung schien auf beide Herren keinen
besondern Eindruck gemacht zu haben; die Person des
jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die
Aufmerksamkeit des Gesandten schien rasch auf andere
Dinge übergegangen. Er sprach etwas von Sym¬
pathieen und Antipathieen, jene weil sie sich chemisch
auf ihre Elemente zerlegen lassen, kümmerten ihn
nicht, woher aber komme die Idiosynkrasie, jener an¬
geborne Widerwille, den die Vernunft umsonst be¬
kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch
ihn in diesem Lande zuhause. Aber er schien jetzt
nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen
die Musterung passiren ließ.

"Herr von Fuchsius scheint mit besonderer Sym¬
pathie die schöne Pflegetochter des Hauses zu beo¬
bachten. Allen Respect Ihrem Geschmack. Oder flat¬
tern Ihre Augen weiter; denn, man muß gestehen,
es entfaltet sich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das
sind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬
thigere Bilder sehn! Dieser frische Hauch der Jugend,

„Möglich. Naturen dieſer Art ſind mir, wie
geſagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber
ſollen mit der ſtrengſten Verſchwiegenheit vorgenom¬
men werden. Beobachten Sie doch gefälligſt, meine
Herren, wenn Sie ſich nachher in die Geſellſchaft
verlieren, ob ſchon Andere davon wiſſen, ob der Le¬
gationsrath bekannte Perſonen in den Winkel zieht?
Das ſind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen
lernt man einen Menſchen kennen.“

Der Seitenſprung ſchien auf beide Herren keinen
beſondern Eindruck gemacht zu haben; die Perſon des
jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die
Aufmerkſamkeit des Geſandten ſchien raſch auf andere
Dinge übergegangen. Er ſprach etwas von Sym¬
pathieen und Antipathieen, jene weil ſie ſich chemiſch
auf ihre Elemente zerlegen laſſen, kümmerten ihn
nicht, woher aber komme die Idioſynkraſie, jener an¬
geborne Widerwille, den die Vernunft umſonſt be¬
kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch
ihn in dieſem Lande zuhauſe. Aber er ſchien jetzt
nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen
die Muſterung paſſiren ließ.

„Herr von Fuchſius ſcheint mit beſonderer Sym¬
pathie die ſchöne Pflegetochter des Hauſes zu beo¬
bachten. Allen Reſpect Ihrem Geſchmack. Oder flat¬
tern Ihre Augen weiter; denn, man muß geſtehen,
es entfaltet ſich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das
ſind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬
thigere Bilder ſehn! Dieſer friſche Hauch der Jugend,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0120" n="110"/>
        <p>&#x201E;Möglich. Naturen die&#x017F;er Art &#x017F;ind mir, wie<lb/>
ge&#x017F;agt, fremd. Die Präparationen des Duells aber<lb/>
&#x017F;ollen mit der &#x017F;treng&#x017F;ten Ver&#x017F;chwiegenheit vorgenom¬<lb/>
men werden. Beobachten Sie doch gefällig&#x017F;t, meine<lb/>
Herren, wenn Sie &#x017F;ich nachher in die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
verlieren, ob &#x017F;chon Andere davon wi&#x017F;&#x017F;en, ob der Le¬<lb/>
gationsrath bekannte Per&#x017F;onen in den Winkel zieht?<lb/>
Das &#x017F;ind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen<lb/>
lernt man einen Men&#x017F;chen kennen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Seiten&#x017F;prung &#x017F;chien auf beide Herren keinen<lb/>
be&#x017F;ondern Eindruck gemacht zu haben; die Per&#x017F;on des<lb/>
jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit des Ge&#x017F;andten &#x017F;chien ra&#x017F;ch auf andere<lb/>
Dinge übergegangen. Er &#x017F;prach etwas von Sym¬<lb/>
pathieen und Antipathieen, jene weil &#x017F;ie &#x017F;ich chemi&#x017F;ch<lb/>
auf ihre Elemente zerlegen la&#x017F;&#x017F;en, kümmerten ihn<lb/>
nicht, woher aber komme die Idio&#x017F;ynkra&#x017F;ie, jener an¬<lb/>
geborne Widerwille, den die Vernunft um&#x017F;on&#x017F;t be¬<lb/>
kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch<lb/>
ihn in die&#x017F;em Lande zuhau&#x017F;e. Aber er &#x017F;chien jetzt<lb/>
nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen<lb/>
die Mu&#x017F;terung pa&#x017F;&#x017F;iren ließ.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr von Fuch&#x017F;ius &#x017F;cheint mit be&#x017F;onderer Sym¬<lb/>
pathie die &#x017F;chöne Pflegetochter des Hau&#x017F;es zu beo¬<lb/>
bachten. Allen Re&#x017F;pect Ihrem Ge&#x017F;chmack. Oder flat¬<lb/>
tern Ihre Augen weiter; denn, man muß ge&#x017F;tehen,<lb/>
es entfaltet &#x017F;ich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das<lb/>
&#x017F;ind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬<lb/>
thigere Bilder &#x017F;ehn! Die&#x017F;er fri&#x017F;che Hauch der Jugend,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0120] „Möglich. Naturen dieſer Art ſind mir, wie geſagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber ſollen mit der ſtrengſten Verſchwiegenheit vorgenom¬ men werden. Beobachten Sie doch gefälligſt, meine Herren, wenn Sie ſich nachher in die Geſellſchaft verlieren, ob ſchon Andere davon wiſſen, ob der Le¬ gationsrath bekannte Perſonen in den Winkel zieht? Das ſind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen lernt man einen Menſchen kennen.“ Der Seitenſprung ſchien auf beide Herren keinen beſondern Eindruck gemacht zu haben; die Perſon des jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die Aufmerkſamkeit des Geſandten ſchien raſch auf andere Dinge übergegangen. Er ſprach etwas von Sym¬ pathieen und Antipathieen, jene weil ſie ſich chemiſch auf ihre Elemente zerlegen laſſen, kümmerten ihn nicht, woher aber komme die Idioſynkraſie, jener an¬ geborne Widerwille, den die Vernunft umſonſt be¬ kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch ihn in dieſem Lande zuhauſe. Aber er ſchien jetzt nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen die Muſterung paſſiren ließ. „Herr von Fuchſius ſcheint mit beſonderer Sym¬ pathie die ſchöne Pflegetochter des Hauſes zu beo¬ bachten. Allen Reſpect Ihrem Geſchmack. Oder flat¬ tern Ihre Augen weiter; denn, man muß geſtehen, es entfaltet ſich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das ſind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬ thigere Bilder ſehn! Dieſer friſche Hauch der Jugend,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/120
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/120>, abgerufen am 23.11.2024.