"Möglich. Naturen dieser Art sind mir, wie gesagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber sollen mit der strengsten Verschwiegenheit vorgenom¬ men werden. Beobachten Sie doch gefälligst, meine Herren, wenn Sie sich nachher in die Gesellschaft verlieren, ob schon Andere davon wissen, ob der Le¬ gationsrath bekannte Personen in den Winkel zieht? Das sind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen lernt man einen Menschen kennen."
Der Seitensprung schien auf beide Herren keinen besondern Eindruck gemacht zu haben; die Person des jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die Aufmerksamkeit des Gesandten schien rasch auf andere Dinge übergegangen. Er sprach etwas von Sym¬ pathieen und Antipathieen, jene weil sie sich chemisch auf ihre Elemente zerlegen lassen, kümmerten ihn nicht, woher aber komme die Idiosynkrasie, jener an¬ geborne Widerwille, den die Vernunft umsonst be¬ kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch ihn in diesem Lande zuhause. Aber er schien jetzt nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen die Musterung passiren ließ.
"Herr von Fuchsius scheint mit besonderer Sym¬ pathie die schöne Pflegetochter des Hauses zu beo¬ bachten. Allen Respect Ihrem Geschmack. Oder flat¬ tern Ihre Augen weiter; denn, man muß gestehen, es entfaltet sich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das sind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬ thigere Bilder sehn! Dieser frische Hauch der Jugend,
„Möglich. Naturen dieſer Art ſind mir, wie geſagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber ſollen mit der ſtrengſten Verſchwiegenheit vorgenom¬ men werden. Beobachten Sie doch gefälligſt, meine Herren, wenn Sie ſich nachher in die Geſellſchaft verlieren, ob ſchon Andere davon wiſſen, ob der Le¬ gationsrath bekannte Perſonen in den Winkel zieht? Das ſind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen lernt man einen Menſchen kennen.“
Der Seitenſprung ſchien auf beide Herren keinen beſondern Eindruck gemacht zu haben; die Perſon des jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die Aufmerkſamkeit des Geſandten ſchien raſch auf andere Dinge übergegangen. Er ſprach etwas von Sym¬ pathieen und Antipathieen, jene weil ſie ſich chemiſch auf ihre Elemente zerlegen laſſen, kümmerten ihn nicht, woher aber komme die Idioſynkraſie, jener an¬ geborne Widerwille, den die Vernunft umſonſt be¬ kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch ihn in dieſem Lande zuhauſe. Aber er ſchien jetzt nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen die Muſterung paſſiren ließ.
„Herr von Fuchſius ſcheint mit beſonderer Sym¬ pathie die ſchöne Pflegetochter des Hauſes zu beo¬ bachten. Allen Reſpect Ihrem Geſchmack. Oder flat¬ tern Ihre Augen weiter; denn, man muß geſtehen, es entfaltet ſich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das ſind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬ thigere Bilder ſehn! Dieſer friſche Hauch der Jugend,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0120"n="110"/><p>„Möglich. Naturen dieſer Art ſind mir, wie<lb/>
geſagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber<lb/>ſollen mit der ſtrengſten Verſchwiegenheit vorgenom¬<lb/>
men werden. Beobachten Sie doch gefälligſt, meine<lb/>
Herren, wenn Sie ſich nachher in die Geſellſchaft<lb/>
verlieren, ob ſchon Andere davon wiſſen, ob der Le¬<lb/>
gationsrath bekannte Perſonen in den Winkel zieht?<lb/>
Das ſind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen<lb/>
lernt man einen Menſchen kennen.“</p><lb/><p>Der Seitenſprung ſchien auf beide Herren keinen<lb/>
beſondern Eindruck gemacht zu haben; die Perſon des<lb/>
jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die<lb/>
Aufmerkſamkeit des Geſandten ſchien raſch auf andere<lb/>
Dinge übergegangen. Er ſprach etwas von Sym¬<lb/>
pathieen und Antipathieen, jene weil ſie ſich chemiſch<lb/>
auf ihre Elemente zerlegen laſſen, kümmerten ihn<lb/>
nicht, woher aber komme die Idioſynkraſie, jener an¬<lb/>
geborne Widerwille, den die Vernunft umſonſt be¬<lb/>
kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch<lb/>
ihn in dieſem Lande zuhauſe. Aber er ſchien jetzt<lb/>
nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen<lb/>
die Muſterung paſſiren ließ.</p><lb/><p>„Herr von Fuchſius ſcheint mit beſonderer Sym¬<lb/>
pathie die ſchöne Pflegetochter des Hauſes zu beo¬<lb/>
bachten. Allen Reſpect Ihrem Geſchmack. Oder flat¬<lb/>
tern Ihre Augen weiter; denn, man muß geſtehen,<lb/>
es entfaltet ſich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das<lb/>ſind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬<lb/>
thigere Bilder ſehn! Dieſer friſche Hauch der Jugend,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[110/0120]
„Möglich. Naturen dieſer Art ſind mir, wie
geſagt, fremd. Die Präparationen des Duells aber
ſollen mit der ſtrengſten Verſchwiegenheit vorgenom¬
men werden. Beobachten Sie doch gefälligſt, meine
Herren, wenn Sie ſich nachher in die Geſellſchaft
verlieren, ob ſchon Andere davon wiſſen, ob der Le¬
gationsrath bekannte Perſonen in den Winkel zieht?
Das ſind freilich Bagatellen, aber aus Bagatellen
lernt man einen Menſchen kennen.“
Der Seitenſprung ſchien auf beide Herren keinen
beſondern Eindruck gemacht zu haben; die Perſon des
jungen Bovillard war ihnen gleichgültig. Auch die
Aufmerkſamkeit des Geſandten ſchien raſch auf andere
Dinge übergegangen. Er ſprach etwas von Sym¬
pathieen und Antipathieen, jene weil ſie ſich chemiſch
auf ihre Elemente zerlegen laſſen, kümmerten ihn
nicht, woher aber komme die Idioſynkraſie, jener an¬
geborne Widerwille, den die Vernunft umſonſt be¬
kämpfe? Wie alles Wunderbare finde er auch
ihn in dieſem Lande zuhauſe. Aber er ſchien jetzt
nur der Sympathie zu huldigen, indem er die Frauen
die Muſterung paſſiren ließ.
„Herr von Fuchſius ſcheint mit beſonderer Sym¬
pathie die ſchöne Pflegetochter des Hauſes zu beo¬
bachten. Allen Reſpect Ihrem Geſchmack. Oder flat¬
tern Ihre Augen weiter; denn, man muß geſtehen,
es entfaltet ſich ein unvergleichlicher Blumenflor. Das
ſind ja wohl Reichards Töchter? Kann man anmu¬
thigere Bilder ſehn! Dieſer friſche Hauch der Jugend,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/120>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.