denn von dem Gesetz des Sichschickens, was diese tyrannisirte, hatte er sich losgemacht. Hatte er doch auch, als sie vor langen Jahren nach Italien reisten, geschwärmt, wie er es konnte, wenn nicht für Kunst und Natur, doch in dem reichen Trümmerlande für die Wege, welche Horaz geschildert, für die Ruinen, welche die Sage nach ihm nennt.
Das waren nun längst vergangene Dinge. Die Geheimräthin schwärmte nicht mehr für Italien. Sie wäre einmal gern nach London oder Paris gereist; jetzt auch vielleicht nicht mehr. Berlin war ihr unaus¬ stehlich, aber sie wußte nicht, wohin sich wünschen.
Sie wollte ihren Mann sehen, irgend etwas mit ihm sprechen, was sie nicht an die Gesellschaft er¬ innerte. Vielleicht traf sie doch auf einen Ton, wo ihre Seelen zusammenklangen.
Er sah nicht auf als sie eintrat. Er hörte auch nicht die leis geöffnete Thüre, nicht das Rauschen ihres Kleides. Den Lichtschirm vor den Augen, die Feder im Munde, saß er zwischen zwei Folianten, in denen seine Finger als Zeichen lagen, um die Varianten in jedem Augenblick aufschlagen zu können, und seine Augen flogen von der einen zur andern Stelle. Sie trat näher; auch da keine Regung. Mit unterschränkten Armen betrachtete sie ihn. -- Ist das ein Mensch, oder eine Pagode? -- Sie schritt lang¬ sam im Kreis um ihn, ohne sich zu sehr Mühe zu geben, leis aufzutreten; aber die mit Heu dicht unter¬ stopfte Decke verrieth sie nicht. In einem Moment
denn von dem Geſetz des Sichſchickens, was dieſe tyranniſirte, hatte er ſich losgemacht. Hatte er doch auch, als ſie vor langen Jahren nach Italien reiſten, geſchwärmt, wie er es konnte, wenn nicht für Kunſt und Natur, doch in dem reichen Trümmerlande für die Wege, welche Horaz geſchildert, für die Ruinen, welche die Sage nach ihm nennt.
Das waren nun längſt vergangene Dinge. Die Geheimräthin ſchwärmte nicht mehr für Italien. Sie wäre einmal gern nach London oder Paris gereiſt; jetzt auch vielleicht nicht mehr. Berlin war ihr unaus¬ ſtehlich, aber ſie wußte nicht, wohin ſich wünſchen.
Sie wollte ihren Mann ſehen, irgend etwas mit ihm ſprechen, was ſie nicht an die Geſellſchaft er¬ innerte. Vielleicht traf ſie doch auf einen Ton, wo ihre Seelen zuſammenklangen.
Er ſah nicht auf als ſie eintrat. Er hörte auch nicht die leis geöffnete Thüre, nicht das Rauſchen ihres Kleides. Den Lichtſchirm vor den Augen, die Feder im Munde, ſaß er zwiſchen zwei Folianten, in denen ſeine Finger als Zeichen lagen, um die Varianten in jedem Augenblick aufſchlagen zu können, und ſeine Augen flogen von der einen zur andern Stelle. Sie trat näher; auch da keine Regung. Mit unterſchränkten Armen betrachtete ſie ihn. — Iſt das ein Menſch, oder eine Pagode? — Sie ſchritt lang¬ ſam im Kreis um ihn, ohne ſich zu ſehr Mühe zu geben, leis aufzutreten; aber die mit Heu dicht unter¬ ſtopfte Decke verrieth ſie nicht. In einem Moment
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denn von dem Geſetz des Sichſchickens, was dieſe
tyranniſirte, hatte er ſich losgemacht. Hatte er doch
auch, als ſie vor langen Jahren nach Italien reiſten,
geſchwärmt, wie er es konnte, wenn nicht für Kunſt
und Natur, doch in dem reichen Trümmerlande für
die Wege, welche Horaz geſchildert, für die Ruinen,
welche die Sage nach ihm nennt.
Das waren nun längſt vergangene Dinge. Die
Geheimräthin ſchwärmte nicht mehr für Italien. Sie
wäre einmal gern nach London oder Paris gereiſt; jetzt
auch vielleicht nicht mehr. Berlin war ihr unaus¬
ſtehlich, aber ſie wußte nicht, wohin ſich wünſchen.
Sie wollte ihren Mann ſehen, irgend etwas mit
ihm ſprechen, was ſie nicht an die Geſellſchaft er¬
innerte. Vielleicht traf ſie doch auf einen Ton,
wo ihre Seelen zuſammenklangen.
Er ſah nicht auf als ſie eintrat. Er hörte auch
nicht die leis geöffnete Thüre, nicht das Rauſchen
ihres Kleides. Den Lichtſchirm vor den Augen, die
Feder im Munde, ſaß er zwiſchen zwei Folianten,
in denen ſeine Finger als Zeichen lagen, um die
Varianten in jedem Augenblick aufſchlagen zu können,
und ſeine Augen flogen von der einen zur andern
Stelle. Sie trat näher; auch da keine Regung. Mit
unterſchränkten Armen betrachtete ſie ihn. — Iſt das
ein Menſch, oder eine Pagode? — Sie ſchritt lang¬
ſam im Kreis um ihn, ohne ſich zu ſehr Mühe zu
geben, leis aufzutreten; aber die mit Heu dicht unter¬
ſtopfte Decke verrieth ſie nicht. In einem Moment
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/83>, abgerufen am 25.11.2024.
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