Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

in graue Runzeln. Er schlug auch etwas die Augen
nieder.

"Ma belle-soeur wissen, daß ich immer ein Herz
habe für die Leiden der Menschheit. Was an mir
ist, thue ich, um das Schicksal der armen Gefange¬
nen zu erleichtern."

"Unter denen auch der abscheuliche Bankeruttier
ist, der so viele Leute um ihr Alles gebracht."

"Er ist ein Mensch wie wir, meine Schwester."

"Ganz doch nicht, sagte die Schwägerin und
zog den Arm etwas zurück, auf den er seine Hand
gedrückt. Man sagt es sind sehr viele schlechte Men¬
schen grade jetzt in der Vogtei."

"Wenn Einer nicht bezahlen kann, hat er darum
aufgehört mein Bruder zu sein?"

"Die Gefangenen sollen unerhörte Freiheiten
genießen. Neulich bei Präsident Kircheisen ward
behauptet, sie kämen Abends frei zusammen und
spielten Hazardspiele, ja Einer hielte förmlich Bank."

"Um die Humanität zu fördern drücke ich ein
Auge zu. Die innern Thüren lassen sie sich zuwei¬
len aufschließen. Es ist nicht gut, daß der Mensch
allein ist, und unter Gottes Himmel sind wir Alle --"

"Und zwischen den Mauern der Vogtei! fiel die
Geheimräthin ein. Gestern Abend --"

"Sehn Sie, theuerste Schwägerin, da hatte ich
eine rechte Freude. Sie schickten eine Deputation an
mich mit der Bitte ihnen eine kleine, gewissermaßen
religiöse Celebration zu gestatten. Da morgen, als

in graue Runzeln. Er ſchlug auch etwas die Augen
nieder.

Ma belle–soeur wiſſen, daß ich immer ein Herz
habe für die Leiden der Menſchheit. Was an mir
iſt, thue ich, um das Schickſal der armen Gefange¬
nen zu erleichtern.“

„Unter denen auch der abſcheuliche Bankeruttier
iſt, der ſo viele Leute um ihr Alles gebracht.“

„Er iſt ein Menſch wie wir, meine Schweſter.“

„Ganz doch nicht, ſagte die Schwägerin und
zog den Arm etwas zurück, auf den er ſeine Hand
gedrückt. Man ſagt es ſind ſehr viele ſchlechte Men¬
ſchen grade jetzt in der Vogtei.“

„Wenn Einer nicht bezahlen kann, hat er darum
aufgehört mein Bruder zu ſein?“

„Die Gefangenen ſollen unerhörte Freiheiten
genießen. Neulich bei Präſident Kircheiſen ward
behauptet, ſie kämen Abends frei zuſammen und
ſpielten Hazardſpiele, ja Einer hielte förmlich Bank.“

„Um die Humanität zu fördern drücke ich ein
Auge zu. Die innern Thüren laſſen ſie ſich zuwei¬
len aufſchließen. Es iſt nicht gut, daß der Menſch
allein iſt, und unter Gottes Himmel ſind wir Alle —“

„Und zwiſchen den Mauern der Vogtei! fiel die
Geheimräthin ein. Geſtern Abend —“

„Sehn Sie, theuerſte Schwägerin, da hatte ich
eine rechte Freude. Sie ſchickten eine Deputation an
mich mit der Bitte ihnen eine kleine, gewiſſermaßen
religiöſe Celebration zu geſtatten. Da morgen, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="23"/>
in graue Runzeln. Er &#x017F;chlug auch etwas die Augen<lb/>
nieder.</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Ma belle&#x2013;soeur</hi> wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich immer ein Herz<lb/>
habe für die Leiden der Men&#x017F;chheit. Was an mir<lb/>
i&#x017F;t, thue ich, um das Schick&#x017F;al der armen Gefange¬<lb/>
nen zu erleichtern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Unter denen auch der ab&#x017F;cheuliche Bankeruttier<lb/>
i&#x017F;t, der &#x017F;o viele Leute um ihr Alles gebracht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er i&#x017F;t ein Men&#x017F;ch wie wir, meine Schwe&#x017F;ter.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz doch nicht, &#x017F;agte die Schwägerin und<lb/>
zog den Arm etwas zurück, auf den er &#x017F;eine Hand<lb/>
gedrückt. Man &#x017F;agt es &#x017F;ind &#x017F;ehr viele &#x017F;chlechte Men¬<lb/>
&#x017F;chen grade jetzt in der Vogtei.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn Einer nicht bezahlen kann, hat er darum<lb/>
aufgehört mein Bruder zu &#x017F;ein?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Gefangenen &#x017F;ollen unerhörte Freiheiten<lb/>
genießen. Neulich bei Prä&#x017F;ident Kirchei&#x017F;en ward<lb/>
behauptet, &#x017F;ie kämen Abends frei zu&#x017F;ammen und<lb/>
&#x017F;pielten Hazard&#x017F;piele, ja Einer hielte förmlich Bank.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um die Humanität zu fördern drücke ich ein<lb/>
Auge zu. Die innern Thüren la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich zuwei¬<lb/>
len auf&#x017F;chließen. Es i&#x017F;t nicht gut, daß der Men&#x017F;ch<lb/>
allein i&#x017F;t, und unter Gottes Himmel &#x017F;ind wir Alle &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und zwi&#x017F;chen den Mauern der Vogtei! fiel die<lb/>
Geheimräthin ein. Ge&#x017F;tern Abend &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehn Sie, theuer&#x017F;te Schwägerin, da hatte ich<lb/>
eine rechte Freude. Sie &#x017F;chickten eine Deputation an<lb/>
mich mit der Bitte ihnen eine kleine, gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen<lb/>
religiö&#x017F;e Celebration zu ge&#x017F;tatten. Da morgen, als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0037] in graue Runzeln. Er ſchlug auch etwas die Augen nieder. „Ma belle–soeur wiſſen, daß ich immer ein Herz habe für die Leiden der Menſchheit. Was an mir iſt, thue ich, um das Schickſal der armen Gefange¬ nen zu erleichtern.“ „Unter denen auch der abſcheuliche Bankeruttier iſt, der ſo viele Leute um ihr Alles gebracht.“ „Er iſt ein Menſch wie wir, meine Schweſter.“ „Ganz doch nicht, ſagte die Schwägerin und zog den Arm etwas zurück, auf den er ſeine Hand gedrückt. Man ſagt es ſind ſehr viele ſchlechte Men¬ ſchen grade jetzt in der Vogtei.“ „Wenn Einer nicht bezahlen kann, hat er darum aufgehört mein Bruder zu ſein?“ „Die Gefangenen ſollen unerhörte Freiheiten genießen. Neulich bei Präſident Kircheiſen ward behauptet, ſie kämen Abends frei zuſammen und ſpielten Hazardſpiele, ja Einer hielte förmlich Bank.“ „Um die Humanität zu fördern drücke ich ein Auge zu. Die innern Thüren laſſen ſie ſich zuwei¬ len aufſchließen. Es iſt nicht gut, daß der Menſch allein iſt, und unter Gottes Himmel ſind wir Alle —“ „Und zwiſchen den Mauern der Vogtei! fiel die Geheimräthin ein. Geſtern Abend —“ „Sehn Sie, theuerſte Schwägerin, da hatte ich eine rechte Freude. Sie ſchickten eine Deputation an mich mit der Bitte ihnen eine kleine, gewiſſermaßen religiöſe Celebration zu geſtatten. Da morgen, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/37
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/37>, abgerufen am 23.11.2024.