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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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"Uns auf die Wache bringen. Ganz in der
Ordnung. Wer bei einbrechender Nacht in einem
verdächtigen Orte betroffen wird, und sich nicht aus¬
weisen kann, daß er dahin gehört, wird zum Aus¬
schlafen auf die Wache gebracht. Das ist das erste
Erforderniß eines gesetzlichen Staates. Der Staat
muß auch seine Ruhe haben, wie jeder Mensch, wenn
er schlafen will."

"Unsre Lage würde ja weit schlimmer."

"Unsre? mein Herr, Sie bedenken nicht, welch
ein Unterschied zwischen uns ist. Sie haben einen
guten Ruf zu verlieren, ich gar keinen. Denn einen
schlechten verliert man nicht, wenn man auf die
Wache geschleppt wird. Sie sehen, daß ich gar nichts
dabei riskire."

Der Kammerherr hatte sich mit großer Gewand¬
heit zwischen Bovillard und das Fenster gedrängt.
"Wenn Sie denn absolut wollen! Ich will's arran¬
giren, aber -- er schießt Ihnen -- den Sperling
putzt er auf zwanzig Schritt mit dem Kuchenreuter
vom Zaune. Sie junger Hitzkopf, thun Sie's doch
lieber nicht, 's ist gegen mein Gewissen!"

"Herr Kammerherr, Ihr Gewissen ist mir zu
werth, Ihr Gewissen dürfen Sie nicht dran setzen.
Sie müssen es mit gutem Gewissen thun, sonst schreie
ich: Polizei."

"Monsieur de Bovillard fils est un original. Ganz
der Vater, nur in anderer Manier. Sie sind be¬
leidigt, Sie müssen Satisfaction haben, ich sehe es

„Uns auf die Wache bringen. Ganz in der
Ordnung. Wer bei einbrechender Nacht in einem
verdächtigen Orte betroffen wird, und ſich nicht aus¬
weiſen kann, daß er dahin gehört, wird zum Aus¬
ſchlafen auf die Wache gebracht. Das iſt das erſte
Erforderniß eines geſetzlichen Staates. Der Staat
muß auch ſeine Ruhe haben, wie jeder Menſch, wenn
er ſchlafen will.“

„Unſre Lage würde ja weit ſchlimmer.“

„Unſre? mein Herr, Sie bedenken nicht, welch
ein Unterſchied zwiſchen uns iſt. Sie haben einen
guten Ruf zu verlieren, ich gar keinen. Denn einen
ſchlechten verliert man nicht, wenn man auf die
Wache geſchleppt wird. Sie ſehen, daß ich gar nichts
dabei riskire.“

Der Kammerherr hatte ſich mit großer Gewand¬
heit zwiſchen Bovillard und das Fenſter gedrängt.
„Wenn Sie denn abſolut wollen! Ich will's arran¬
giren, aber — er ſchießt Ihnen — den Sperling
putzt er auf zwanzig Schritt mit dem Kuchenreuter
vom Zaune. Sie junger Hitzkopf, thun Sie's doch
lieber nicht, 's iſt gegen mein Gewiſſen!“

„Herr Kammerherr, Ihr Gewiſſen iſt mir zu
werth, Ihr Gewiſſen dürfen Sie nicht dran ſetzen.
Sie müſſen es mit gutem Gewiſſen thun, ſonſt ſchreie
ich: Polizei.“

„Monsieur de Bovillard fils est un original. Ganz
der Vater, nur in anderer Manier. Sie ſind be¬
leidigt, Sie müſſen Satisfaction haben, ich ſehe es

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[327/0341] „Uns auf die Wache bringen. Ganz in der Ordnung. Wer bei einbrechender Nacht in einem verdächtigen Orte betroffen wird, und ſich nicht aus¬ weiſen kann, daß er dahin gehört, wird zum Aus¬ ſchlafen auf die Wache gebracht. Das iſt das erſte Erforderniß eines geſetzlichen Staates. Der Staat muß auch ſeine Ruhe haben, wie jeder Menſch, wenn er ſchlafen will.“ „Unſre Lage würde ja weit ſchlimmer.“ „Unſre? mein Herr, Sie bedenken nicht, welch ein Unterſchied zwiſchen uns iſt. Sie haben einen guten Ruf zu verlieren, ich gar keinen. Denn einen ſchlechten verliert man nicht, wenn man auf die Wache geſchleppt wird. Sie ſehen, daß ich gar nichts dabei riskire.“ Der Kammerherr hatte ſich mit großer Gewand¬ heit zwiſchen Bovillard und das Fenſter gedrängt. „Wenn Sie denn abſolut wollen! Ich will's arran¬ giren, aber — er ſchießt Ihnen — den Sperling putzt er auf zwanzig Schritt mit dem Kuchenreuter vom Zaune. Sie junger Hitzkopf, thun Sie's doch lieber nicht, 's iſt gegen mein Gewiſſen!“ „Herr Kammerherr, Ihr Gewiſſen iſt mir zu werth, Ihr Gewiſſen dürfen Sie nicht dran ſetzen. Sie müſſen es mit gutem Gewiſſen thun, ſonſt ſchreie ich: Polizei.“ „Monsieur de Bovillard fils est un original. Ganz der Vater, nur in anderer Manier. Sie ſind be¬ leidigt, Sie müſſen Satisfaction haben, ich ſehe es

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/341>, abgerufen am 24.11.2024.