"Ernst, theuerste Schwägerin! Ich hielt es für einen deliciösen Scherz, wenn es von der Kanzel stürzte: Der königliche Herr Geheimerath Lupinus mit der ehrsamen Jungfrau Charlotte Philippine, Catha¬ rine, Tochter des ehrbaren --, was weiß ich, wer ihr Vater war, wenn sie einen hat. Ma belle-soeur, wie hätten sie die Köpfe zusammen gesteckt, wie wä¬ ren sie aus dem Dom gestürzt! Diese Gruppen unter den Pappeln, Nachmittags die Kaffeeklatsche's. Und nun denken Sie sich, Schwägerin, Charlotte und ich im Wagen und unsre Vorfahrvisiten! Vierzehn Tage kein ander Gespräch. Und das Hoch¬ zeitsmenuett! Sanft gebannt-- an ihre Hand durchs Leben -- schweben!"
Die Dame war sehr ruhig geworden: "Mais, mon beau-frere, warum haben Sie es aufgegeben?"
"Mon Dieu, wer sagt Ihnen, daß ich es aufgab!"
"Ein witziger Einfall, über den man nachdenkt, ist keiner mehr."
"Es geht doch nichts über einen sublimen Ver¬ stand. Ich werde mich hüten sie zu heirathen."
"Ich bin jetzt ganz getröstet, wenn Sie es thun. Wirklich lieber Schwager. Die Person hat gute Eigenschaften und Ihre Erziehung --"
"Wenn ich sie heirathe, ist die Erziehung aus, zischelte er ihr laut ins Ohr. Sobald der Hoch¬ muthsteufel in sie schießt, kocht sie nicht mehr, pflegt
Er begleitete es durch ein angenehmes Gelächter.
„Es iſt alſo vollkommener Ernſt!“
„Ernſt, theuerſte Schwägerin! Ich hielt es für einen deliciöſen Scherz, wenn es von der Kanzel ſtürzte: Der königliche Herr Geheimerath Lupinus mit der ehrſamen Jungfrau Charlotte Philippine, Catha¬ rine, Tochter des ehrbaren —, was weiß ich, wer ihr Vater war, wenn ſie einen hat. Ma belle–soeur, wie hätten ſie die Köpfe zuſammen geſteckt, wie wä¬ ren ſie aus dem Dom geſtürzt! Dieſe Gruppen unter den Pappeln, Nachmittags die Kaffeeklatſché's. Und nun denken Sie ſich, Schwägerin, Charlotte und ich im Wagen und unſre Vorfahrviſiten! Vierzehn Tage kein ander Geſpräch. Und das Hoch¬ zeitsmenuett! Sanft gebannt— an ihre Hand durchs Leben — ſchweben!“
Die Dame war ſehr ruhig geworden: „Mais, mon beau–frère, warum haben Sie es aufgegeben?“
„Mon Dieu, wer ſagt Ihnen, daß ich es aufgab!“
„Ein witziger Einfall, über den man nachdenkt, iſt keiner mehr.“
„Es geht doch nichts über einen ſublimen Ver¬ ſtand. Ich werde mich hüten ſie zu heirathen.“
„Ich bin jetzt ganz getröſtet, wenn Sie es thun. Wirklich lieber Schwager. Die Perſon hat gute Eigenſchaften und Ihre Erziehung —“
„Wenn ich ſie heirathe, iſt die Erziehung aus, ziſchelte er ihr laut ins Ohr. Sobald der Hoch¬ muthsteufel in ſie ſchießt, kocht ſie nicht mehr, pflegt
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Er begleitete es durch ein angenehmes Gelächter.
„Es iſt alſo vollkommener Ernſt!“
„Ernſt, theuerſte Schwägerin! Ich hielt es für
einen deliciöſen Scherz, wenn es von der Kanzel
ſtürzte: Der königliche Herr Geheimerath Lupinus mit
der ehrſamen Jungfrau Charlotte Philippine, Catha¬
rine, Tochter des ehrbaren —, was weiß ich, wer
ihr Vater war, wenn ſie einen hat. Ma belle–soeur,
wie hätten ſie die Köpfe zuſammen geſteckt, wie wä¬
ren ſie aus dem Dom geſtürzt! Dieſe Gruppen
unter den Pappeln, Nachmittags die Kaffeeklatſché's.
Und nun denken Sie ſich, Schwägerin, Charlotte
und ich im Wagen und unſre Vorfahrviſiten!
Vierzehn Tage kein ander Geſpräch. Und das Hoch¬
zeitsmenuett! Sanft gebannt— an ihre Hand durchs
Leben — ſchweben!“
Die Dame war ſehr ruhig geworden: „Mais, mon
beau–frère, warum haben Sie es aufgegeben?“
„Mon Dieu, wer ſagt Ihnen, daß ich es aufgab!“
„Ein witziger Einfall, über den man nachdenkt,
iſt keiner mehr.“
„Es geht doch nichts über einen ſublimen Ver¬
ſtand. Ich werde mich hüten ſie zu heirathen.“
„Ich bin jetzt ganz getröſtet, wenn Sie es thun.
Wirklich lieber Schwager. Die Perſon hat gute
Eigenſchaften und Ihre Erziehung —“
„Wenn ich ſie heirathe, iſt die Erziehung aus,
ziſchelte er ihr laut ins Ohr. Sobald der Hoch¬
muthsteufel in ſie ſchießt, kocht ſie nicht mehr, pflegt
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/34>, abgerufen am 17.02.2025.
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