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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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lich, wie man wohl jetzt thut, durch Artikel in den
Zeitungen der Sache den Anstrich geben, den man
wünscht, aber, mein Herr Legationsrath, ich weiß
doch nicht, ob das der jungen Dame, oder ob es
Ihnen von Vortheil wäre?"

"Was kann es mich betreffen?" fragte rasch der
Cavalier.

"Man würde nach den Ursachen fragen, weshalb
Sie eines jungen Mädchens, das Sie als Fremder
in dieser Stadt kaum kennen, sich so besonders an¬
nehmen? Schon dies besondere Interesse würde aber
auch dem Mädchen schaden. Doch ganz davon
sehen, frage ich Sie, was würde es einer Firma
helfen, die in der Meßwoche ihre Wechsel nicht zahlt,
und protestiren läßt, wenn ihre Freunde durch ein
Circular nachher bewiesen, daß das Haus eigentlich
solide sei, und aus welchen zufälligen Umständen es
grade an dem Tage und in der Woche nicht zahlen
konnte! Unter seinen Bekannten möchte das Haus sich
wohl wieder aufrappeln, sein Credit aber in der
großen Handelswelt bliebe erschüttert."

"So muß man sie verheirathen, dann ist die
Sache vergessen," sagte ein Dritter.

Der Legationsrath schwieg einen Augenblick vor
sich hin. Wer ihn genau kannte, hätte vielleicht in
der Muskelbewegung um den Mund einen inneren
Kampf wahrgenommen: "Sie meinen also, daß sei
ganz unmöglich? -- Es ist nichts unmöglich, sage ich
Ihnen, was man will. Wenn man den Credit eines

lich, wie man wohl jetzt thut, durch Artikel in den
Zeitungen der Sache den Anſtrich geben, den man
wünſcht, aber, mein Herr Legationsrath, ich weiß
doch nicht, ob das der jungen Dame, oder ob es
Ihnen von Vortheil wäre?“

„Was kann es mich betreffen?“ fragte raſch der
Cavalier.

„Man würde nach den Urſachen fragen, weshalb
Sie eines jungen Mädchens, das Sie als Fremder
in dieſer Stadt kaum kennen, ſich ſo beſonders an¬
nehmen? Schon dies beſondere Intereſſe würde aber
auch dem Mädchen ſchaden. Doch ganz davon
ſehen, frage ich Sie, was würde es einer Firma
helfen, die in der Meßwoche ihre Wechſel nicht zahlt,
und proteſtiren läßt, wenn ihre Freunde durch ein
Circular nachher bewieſen, daß das Haus eigentlich
ſolide ſei, und aus welchen zufälligen Umſtänden es
grade an dem Tage und in der Woche nicht zahlen
konnte! Unter ſeinen Bekannten möchte das Haus ſich
wohl wieder aufrappeln, ſein Credit aber in der
großen Handelswelt bliebe erſchüttert.“

„So muß man ſie verheirathen, dann iſt die
Sache vergeſſen,“ ſagte ein Dritter.

Der Legationsrath ſchwieg einen Augenblick vor
ſich hin. Wer ihn genau kannte, hätte vielleicht in
der Muskelbewegung um den Mund einen inneren
Kampf wahrgenommen: „Sie meinen alſo, daß ſei
ganz unmöglich? — Es iſt nichts unmöglich, ſage ich
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[318/0332] lich, wie man wohl jetzt thut, durch Artikel in den Zeitungen der Sache den Anſtrich geben, den man wünſcht, aber, mein Herr Legationsrath, ich weiß doch nicht, ob das der jungen Dame, oder ob es Ihnen von Vortheil wäre?“ „Was kann es mich betreffen?“ fragte raſch der Cavalier. „Man würde nach den Urſachen fragen, weshalb Sie eines jungen Mädchens, das Sie als Fremder in dieſer Stadt kaum kennen, ſich ſo beſonders an¬ nehmen? Schon dies beſondere Intereſſe würde aber auch dem Mädchen ſchaden. Doch ganz davon ſehen, frage ich Sie, was würde es einer Firma helfen, die in der Meßwoche ihre Wechſel nicht zahlt, und proteſtiren läßt, wenn ihre Freunde durch ein Circular nachher bewieſen, daß das Haus eigentlich ſolide ſei, und aus welchen zufälligen Umſtänden es grade an dem Tage und in der Woche nicht zahlen konnte! Unter ſeinen Bekannten möchte das Haus ſich wohl wieder aufrappeln, ſein Credit aber in der großen Handelswelt bliebe erſchüttert.“ „So muß man ſie verheirathen, dann iſt die Sache vergeſſen,“ ſagte ein Dritter. Der Legationsrath ſchwieg einen Augenblick vor ſich hin. Wer ihn genau kannte, hätte vielleicht in der Muskelbewegung um den Mund einen inneren Kampf wahrgenommen: „Sie meinen alſo, daß ſei ganz unmöglich? — Es iſt nichts unmöglich, ſage ich Ihnen, was man will. Wenn man den Credit eines

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/332>, abgerufen am 24.11.2024.