verächtlichen Achselzücken: "Das geht Sie nichts an! Die Dame ist ohnmächtig!" wollte er an ihm vor¬ über. Ein: "Elender zurück!" donnerte ihm entge¬ gen. "Ihr Arm darf die Unschuld nicht berühren." Die Hand des Cavaliers hatte die Halsbinde des jungen Mannes gefaßt, als dieser auch auf diese Worte nicht geachtet. Ein fürchterlicher Blick des Jüngeren, während seine Arme krampfhaft zitterten, sagte dem Cavalier was er im nächsten Moment erwarten konnte, wenn er nicht zuvor kam. Louis war unzweifelhaft der Stärkere, aber er war in einer ungünstigen Stellung, des Angriffs nicht gewärtig, noch vom wüsten Traumschlaf ermattet. Der Ca¬ valier war auf einen Angriff gefaßt, eingetreten, wahrscheinlich ein gewandter Fechter, der die Schwäche des Gegners zu nutzen weiß. Ihn kurz an sich ziehend, warf er ihn mit einem heftigen Stoß zurück: "Schla¬ fen Sie Ihren Rausch aus!"
Louis fiel auf einen hinter ihm stehenden Stuhl; doch so heftig gegen die Lehne geschleudert, daß er einen Moment besinnungslos blieb. Ein fürchterli¬ cher Moment. Heulen, Schreien, Lärm jeder Art.
Es polterte von oben, es stürmte die Treppen herauf, Leute waren eingedrungen ins Haus, schon sogar als ungerufene Zeugen ins Zimmer. Als Adelheid, an die Wand gelehnt, ihre Besinnung zu¬ rückkam, hatte auch der junge Mann sie wieder ge¬ wonnen. Es war der entsetzlichste Blick, den sie gesehen, ein Basiliskenblick, die Zornader glühte auf
verächtlichen Achſelzücken: „Das geht Sie nichts an! Die Dame iſt ohnmächtig!“ wollte er an ihm vor¬ über. Ein: „Elender zurück!“ donnerte ihm entge¬ gen. „Ihr Arm darf die Unſchuld nicht berühren.“ Die Hand des Cavaliers hatte die Halsbinde des jungen Mannes gefaßt, als dieſer auch auf dieſe Worte nicht geachtet. Ein fürchterlicher Blick des Jüngeren, während ſeine Arme krampfhaft zitterten, ſagte dem Cavalier was er im nächſten Moment erwarten konnte, wenn er nicht zuvor kam. Louis war unzweifelhaft der Stärkere, aber er war in einer ungünſtigen Stellung, des Angriffs nicht gewärtig, noch vom wüſten Traumſchlaf ermattet. Der Ca¬ valier war auf einen Angriff gefaßt, eingetreten, wahrſcheinlich ein gewandter Fechter, der die Schwäche des Gegners zu nutzen weiß. Ihn kurz an ſich ziehend, warf er ihn mit einem heftigen Stoß zurück: „Schla¬ fen Sie Ihren Rauſch aus!“
Louis fiel auf einen hinter ihm ſtehenden Stuhl; doch ſo heftig gegen die Lehne geſchleudert, daß er einen Moment beſinnungslos blieb. Ein fürchterli¬ cher Moment. Heulen, Schreien, Lärm jeder Art.
Es polterte von oben, es ſtürmte die Treppen herauf, Leute waren eingedrungen ins Haus, ſchon ſogar als ungerufene Zeugen ins Zimmer. Als Adelheid, an die Wand gelehnt, ihre Beſinnung zu¬ rückkam, hatte auch der junge Mann ſie wieder ge¬ wonnen. Es war der entſetzlichſte Blick, den ſie geſehen, ein Baſiliskenblick, die Zornader glühte auf
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verächtlichen Achſelzücken: „Das geht Sie nichts an!
Die Dame iſt ohnmächtig!“ wollte er an ihm vor¬
über. Ein: „Elender zurück!“ donnerte ihm entge¬
gen. „Ihr Arm darf die Unſchuld nicht berühren.“
Die Hand des Cavaliers hatte die Halsbinde des
jungen Mannes gefaßt, als dieſer auch auf dieſe
Worte nicht geachtet. Ein fürchterlicher Blick des
Jüngeren, während ſeine Arme krampfhaft zitterten,
ſagte dem Cavalier was er im nächſten Moment
erwarten konnte, wenn er nicht zuvor kam. Louis
war unzweifelhaft der Stärkere, aber er war in einer
ungünſtigen Stellung, des Angriffs nicht gewärtig,
noch vom wüſten Traumſchlaf ermattet. Der Ca¬
valier war auf einen Angriff gefaßt, eingetreten,
wahrſcheinlich ein gewandter Fechter, der die Schwäche
des Gegners zu nutzen weiß. Ihn kurz an ſich ziehend,
warf er ihn mit einem heftigen Stoß zurück: „Schla¬
fen Sie Ihren Rauſch aus!“
Louis fiel auf einen hinter ihm ſtehenden Stuhl;
doch ſo heftig gegen die Lehne geſchleudert, daß er
einen Moment beſinnungslos blieb. Ein fürchterli¬
cher Moment. Heulen, Schreien, Lärm jeder Art.
Es polterte von oben, es ſtürmte die Treppen
herauf, Leute waren eingedrungen ins Haus, ſchon
ſogar als ungerufene Zeugen ins Zimmer. Als
Adelheid, an die Wand gelehnt, ihre Beſinnung zu¬
rückkam, hatte auch der junge Mann ſie wieder ge¬
wonnen. Es war der entſetzlichſte Blick, den ſie
geſehen, ein Baſiliskenblick, die Zornader glühte auf
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/316>, abgerufen am 24.11.2024.
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