Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

noch der Prozeß ist. Aber die Malchen, jetzt entsinne
ich mich ihrer ganz deutlich. Ein anstelliges Ding,
leichtsinnig, aber wohl zu leiden. War sie nicht schon
früher zu den Genien gebraucht worden, auch in den
Kinderballets?"

"Und später bei den Geistererscheinungen. Sie
war viel bei Bischofswerder und Hermes. Vielleicht
erinnern sich Excellenz auch, daß sie nachher einen
Unterofficier von Larisch Musquetiren heirathete.
Im Anfang ging's ihnen gut, aber der Mann
trank, es gab Unrichtigkeiten mit dem Montirungs¬
geschäft im Lagerhause, die Frau konnte es nicht
mehr ausgleichen, sie ward doch auch älter, und
eines Nachts waren sie über Hals und Kopf ver¬
schwunden. Sonst ein braver Mann, auch sehr zu
brauchen, und soll jetzt holländischer Werbeofficier
sein oder schon drüben in Ostindien. Genug, sie hat
ihn avanciren lassen, was uns nichts angeht, und
ist seit einigen Monaten als Frau Obristin in
Berlin. Ich versichere, Excellenz, sie ist ein wahrer
Trüffelhund."

Der Minister griff tief in seine Spanioldose:
"Wenn nur keine Klagen bei der Polizei eingehen!
Sie wissen nicht, lieber St. Real, was uns diese
Bagatellen oben zu schaffen machen."

"Man sucht ihr ein gewisses Lüstre zu erhalten."

"Der Name der neuen Schönheit?"

St. Real sprach leise in's Ohr des Ministers.

"Wie gesagt, durchaus keine beaute du diable,

noch der Prozeß iſt. Aber die Malchen, jetzt entſinne
ich mich ihrer ganz deutlich. Ein anſtelliges Ding,
leichtſinnig, aber wohl zu leiden. War ſie nicht ſchon
früher zu den Genien gebraucht worden, auch in den
Kinderballets?“

„Und ſpäter bei den Geiſtererſcheinungen. Sie
war viel bei Biſchofswerder und Hermes. Vielleicht
erinnern ſich Excellenz auch, daß ſie nachher einen
Unterofficier von Lariſch Musquetiren heirathete.
Im Anfang ging's ihnen gut, aber der Mann
trank, es gab Unrichtigkeiten mit dem Montirungs¬
geſchäft im Lagerhauſe, die Frau konnte es nicht
mehr ausgleichen, ſie ward doch auch älter, und
eines Nachts waren ſie über Hals und Kopf ver¬
ſchwunden. Sonſt ein braver Mann, auch ſehr zu
brauchen, und ſoll jetzt holländiſcher Werbeofficier
ſein oder ſchon drüben in Oſtindien. Genug, ſie hat
ihn avanciren laſſen, was uns nichts angeht, und
iſt ſeit einigen Monaten als Frau Obriſtin in
Berlin. Ich verſichere, Excellenz, ſie iſt ein wahrer
Trüffelhund.“

Der Miniſter griff tief in ſeine Spanioldoſe:
„Wenn nur keine Klagen bei der Polizei eingehen!
Sie wiſſen nicht, lieber St. Real, was uns dieſe
Bagatellen oben zu ſchaffen machen.“

„Man ſucht ihr ein gewiſſes Lüſtre zu erhalten.“

„Der Name der neuen Schönheit?“

St. Real ſprach leiſe in's Ohr des Miniſters.

„Wie geſagt, durchaus keine beauté du diable,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="269"/>
noch der Prozeß i&#x017F;t. Aber die Malchen, jetzt ent&#x017F;inne<lb/>
ich mich ihrer ganz deutlich. Ein an&#x017F;telliges Ding,<lb/>
leicht&#x017F;innig, aber wohl zu leiden. War &#x017F;ie nicht &#x017F;chon<lb/>
früher zu den Genien gebraucht worden, auch in den<lb/>
Kinderballets?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und &#x017F;päter bei den Gei&#x017F;terer&#x017F;cheinungen. Sie<lb/>
war viel bei Bi&#x017F;chofswerder und Hermes. Vielleicht<lb/>
erinnern &#x017F;ich Excellenz auch, daß &#x017F;ie nachher einen<lb/>
Unterofficier von Lari&#x017F;ch Musquetiren heirathete.<lb/>
Im Anfang ging's ihnen gut, aber der Mann<lb/>
trank, es gab Unrichtigkeiten mit dem Montirungs¬<lb/>
ge&#x017F;chäft im Lagerhau&#x017F;e, die Frau konnte es nicht<lb/>
mehr ausgleichen, &#x017F;ie ward doch auch älter, und<lb/>
eines Nachts waren &#x017F;ie über Hals und Kopf ver¬<lb/>
&#x017F;chwunden. Son&#x017F;t ein braver Mann, auch &#x017F;ehr zu<lb/>
brauchen, und &#x017F;oll jetzt holländi&#x017F;cher Werbeofficier<lb/>
&#x017F;ein oder &#x017F;chon drüben in O&#x017F;tindien. Genug, &#x017F;ie hat<lb/>
ihn avanciren la&#x017F;&#x017F;en, was uns nichts angeht, und<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;eit einigen Monaten als Frau Obri&#x017F;tin in<lb/>
Berlin. Ich ver&#x017F;ichere, Excellenz, &#x017F;ie i&#x017F;t ein wahrer<lb/>
Trüffelhund.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Mini&#x017F;ter griff tief in &#x017F;eine Spanioldo&#x017F;e:<lb/>
&#x201E;Wenn nur keine Klagen bei der Polizei eingehen!<lb/>
Sie wi&#x017F;&#x017F;en nicht, lieber St. Real, was uns die&#x017F;e<lb/>
Bagatellen oben zu &#x017F;chaffen machen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Man &#x017F;ucht ihr ein gewi&#x017F;&#x017F;es Lü&#x017F;tre zu erhalten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Name der neuen Schönheit?&#x201C;</p><lb/>
        <p>St. Real &#x017F;prach lei&#x017F;e in's Ohr des Mini&#x017F;ters.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie ge&#x017F;agt, durchaus keine <hi rendition="#aq">beauté du diable</hi>,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0283] noch der Prozeß iſt. Aber die Malchen, jetzt entſinne ich mich ihrer ganz deutlich. Ein anſtelliges Ding, leichtſinnig, aber wohl zu leiden. War ſie nicht ſchon früher zu den Genien gebraucht worden, auch in den Kinderballets?“ „Und ſpäter bei den Geiſtererſcheinungen. Sie war viel bei Biſchofswerder und Hermes. Vielleicht erinnern ſich Excellenz auch, daß ſie nachher einen Unterofficier von Lariſch Musquetiren heirathete. Im Anfang ging's ihnen gut, aber der Mann trank, es gab Unrichtigkeiten mit dem Montirungs¬ geſchäft im Lagerhauſe, die Frau konnte es nicht mehr ausgleichen, ſie ward doch auch älter, und eines Nachts waren ſie über Hals und Kopf ver¬ ſchwunden. Sonſt ein braver Mann, auch ſehr zu brauchen, und ſoll jetzt holländiſcher Werbeofficier ſein oder ſchon drüben in Oſtindien. Genug, ſie hat ihn avanciren laſſen, was uns nichts angeht, und iſt ſeit einigen Monaten als Frau Obriſtin in Berlin. Ich verſichere, Excellenz, ſie iſt ein wahrer Trüffelhund.“ Der Miniſter griff tief in ſeine Spanioldoſe: „Wenn nur keine Klagen bei der Polizei eingehen! Sie wiſſen nicht, lieber St. Real, was uns dieſe Bagatellen oben zu ſchaffen machen.“ „Man ſucht ihr ein gewiſſes Lüſtre zu erhalten.“ „Der Name der neuen Schönheit?“ St. Real ſprach leiſe in's Ohr des Miniſters. „Wie geſagt, durchaus keine beauté du diable,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/283
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/283>, abgerufen am 23.11.2024.