Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.nicht mit Unrecht eine Stange heißt, gesehen hat, wie "Daß Dir's gut bekommt, Papachen!" Der Vater setzte an und leerte ein gutes Viertel "Ich mag nichts," die Mutter mußte ja stricken. "Alte, trinke. Schluck runter, was Dich verdrießt." Sie durstete auch. Sie wollte nur gezwungen "Die Adelheid in den Krug zu schicken! Das nicht mit Unrecht eine Stange heißt, geſehen hat, wie „Daß Dir's gut bekommt, Papachen!“ Der Vater ſetzte an und leerte ein gutes Viertel „Ich mag nichts,“ die Mutter mußte ja ſtricken. „Alte, trinke. Schluck runter, was Dich verdrießt.“ Sie durſtete auch. Sie wollte nur gezwungen „Die Adelheid in den Krug zu ſchicken! Das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="126"/> nicht mit Unrecht eine Stange heißt, geſehen hat, wie<lb/> der Schaum, wenn es gut eingegoſſen, noch einige<lb/> Zoll über dem Rand ſteht, und der Porzellandeckel<lb/> mit ſeinem Knopf am Rande des Glaſes ſchweben<lb/> muß; — und wer die Unebenheit des Weges und<lb/> die Entfernung erwägt vom Kruge bis zur Linde,<lb/> der konnte ſich über Adelheids Geſchicklichkeit wundern,<lb/> ein Künſtler aber würde ſich gefreut haben, mit<lb/> welcher Grazie ſie das Glas trug. Die ſchönen For¬<lb/> men des Mädchens entwickelten ſich bei jedem<lb/> Schritt, und mit jedem trat ſie, zuerſt vorſichtig aus¬<lb/> ſchreitend, ſicherer auf. Als ſie aber die Anhöhe<lb/> unterm Baume hinaufſteigend, das Glas mit beiden<lb/> Armen erhob und dem Vater zulächelte, glich ſie doch<lb/> dem Meiſterwerk eines griechiſchen Meißels, der Hebe,<lb/> die den Göttern die Schaale reicht.</p><lb/> <p>„Daß Dir's gut bekommt, Papachen!“</p><lb/> <p>Der Vater ſetzte an und leerte ein gutes Viertel<lb/> in einem Zuge. Er reichte es der Tochter, weil ſie<lb/> als Botenlohn das nächſte Recht habe. Sie nippte<lb/> und reichte das Glas der Mutter.</p><lb/> <p>„Ich mag nichts,“ die Mutter mußte ja ſtricken.</p><lb/> <p>„Alte, trinke. Schluck runter, was Dich verdrießt.“</p><lb/> <p>Sie durſtete auch. Sie wollte nur gezwungen<lb/> nippen, aber ſie trank. — Den Unmuth hatte ſie<lb/> nicht ganz hinuntergeſchluckt, als ſie das Glas<lb/> zurückgab.</p><lb/> <p>„Die Adelheid in den Krug zu ſchicken! Das<lb/> ging wohl an, ſo lange ſie die Flechten im Nacken<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0140]
nicht mit Unrecht eine Stange heißt, geſehen hat, wie
der Schaum, wenn es gut eingegoſſen, noch einige
Zoll über dem Rand ſteht, und der Porzellandeckel
mit ſeinem Knopf am Rande des Glaſes ſchweben
muß; — und wer die Unebenheit des Weges und
die Entfernung erwägt vom Kruge bis zur Linde,
der konnte ſich über Adelheids Geſchicklichkeit wundern,
ein Künſtler aber würde ſich gefreut haben, mit
welcher Grazie ſie das Glas trug. Die ſchönen For¬
men des Mädchens entwickelten ſich bei jedem
Schritt, und mit jedem trat ſie, zuerſt vorſichtig aus¬
ſchreitend, ſicherer auf. Als ſie aber die Anhöhe
unterm Baume hinaufſteigend, das Glas mit beiden
Armen erhob und dem Vater zulächelte, glich ſie doch
dem Meiſterwerk eines griechiſchen Meißels, der Hebe,
die den Göttern die Schaale reicht.
„Daß Dir's gut bekommt, Papachen!“
Der Vater ſetzte an und leerte ein gutes Viertel
in einem Zuge. Er reichte es der Tochter, weil ſie
als Botenlohn das nächſte Recht habe. Sie nippte
und reichte das Glas der Mutter.
„Ich mag nichts,“ die Mutter mußte ja ſtricken.
„Alte, trinke. Schluck runter, was Dich verdrießt.“
Sie durſtete auch. Sie wollte nur gezwungen
nippen, aber ſie trank. — Den Unmuth hatte ſie
nicht ganz hinuntergeſchluckt, als ſie das Glas
zurückgab.
„Die Adelheid in den Krug zu ſchicken! Das
ging wohl an, ſo lange ſie die Flechten im Nacken
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