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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

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Adern rinnen wird, wie mir, werden Sie anders den-
ken und sprechen. Aber es ist gut; diese Begeisterung
amüsirt ebenfalls."

"Das wolle Gott nicht! Kamerad, bezeugen Sie.
-- Trieb etwas Anderes als reine Liebe für Recht, Kö-
nigshaus, Vaterland und Freiheit in unsre Schaaren?"

"Wenn Sie mich meinen, ich hoffe nach der Rück-
kehr Salzinspektor zu werden, entgegnete der Mann: --
ohne die Aussicht wäre ich wahrhaftig nicht zum zwei-
tenmale mitgegangen. Von den Andern weiß ich's
nicht." --

Der Jäger lachte, und der Maire verzog den
Mund äußerst freundlich, ohne aus seinem Gleichmuth
zu kommen. Jch aber gab mich noch nicht gefangen:

"Sprechen Sie, was trieb zu Heldenthaten die
Krieger ihrer ersten Republik?" --

"Sie wehrten sich ihrer Haut, um das Leben
zu genießen."

"Woher klebt so viel edles Blut an den Büschen
der Vendee?" -- fuhr ich ohne darauf zu achten fort.
-- Trieb Geld- oder Ruhmsucht jene einfältigen Bauern
an, ihr Alles aufzuopfern für Etwas, was nicht zu
erobern war? Ganz Frankreich war ihnen feind, aber
ihr Bundesgenosse war ihr Bewußtseyn." -

"Es waren Narren" rief, wie zum Erstenmale
unwillig, der Maire aus, und rückte auf seinem Stuhle.

Adern rinnen wird, wie mir, werden Sie anders den-
ken und ſprechen. Aber es iſt gut; dieſe Begeiſterung
amüſirt ebenfalls.“

„Das wolle Gott nicht! Kamerad, bezeugen Sie.
— Trieb etwas Anderes als reine Liebe für Recht, Kö-
nigshaus, Vaterland und Freiheit in unſre Schaaren?“

„Wenn Sie mich meinen, ich hoffe nach der Rück-
kehr Salzinſpektor zu werden, entgegnete der Mann: —
ohne die Ausſicht wäre ich wahrhaftig nicht zum zwei-
tenmale mitgegangen. Von den Andern weiß ich’s
nicht.“ —

Der Jäger lachte, und der Maire verzog den
Mund äußerſt freundlich, ohne aus ſeinem Gleichmuth
zu kommen. Jch aber gab mich noch nicht gefangen:

„Sprechen Sie, was trieb zu Heldenthaten die
Krieger ihrer erſten Republik?“ —

„Sie wehrten ſich ihrer Haut, um das Leben
zu genießen.“

„Woher klebt ſo viel edles Blut an den Büſchen
der Vendēe?“ — fuhr ich ohne darauf zu achten fort.
— Trieb Geld- oder Ruhmſucht jene einfältigen Bauern
an, ihr Alles aufzuopfern für Etwas, was nicht zu
erobern war? Ganz Frankreich war ihnen feind, aber
ihr Bundesgenoſſe war ihr Bewußtſeyn.“ –

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unwillig, der Maire aus, und rückte auf ſeinem Stuhle.

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[0070] Adern rinnen wird, wie mir, werden Sie anders den- ken und ſprechen. Aber es iſt gut; dieſe Begeiſterung amüſirt ebenfalls.“ „Das wolle Gott nicht! Kamerad, bezeugen Sie. — Trieb etwas Anderes als reine Liebe für Recht, Kö- nigshaus, Vaterland und Freiheit in unſre Schaaren?“ „Wenn Sie mich meinen, ich hoffe nach der Rück- kehr Salzinſpektor zu werden, entgegnete der Mann: — ohne die Ausſicht wäre ich wahrhaftig nicht zum zwei- tenmale mitgegangen. Von den Andern weiß ich’s nicht.“ — Der Jäger lachte, und der Maire verzog den Mund äußerſt freundlich, ohne aus ſeinem Gleichmuth zu kommen. Jch aber gab mich noch nicht gefangen: „Sprechen Sie, was trieb zu Heldenthaten die Krieger ihrer erſten Republik?“ — „Sie wehrten ſich ihrer Haut, um das Leben zu genießen.“ „Woher klebt ſo viel edles Blut an den Büſchen der Vendēe?“ — fuhr ich ohne darauf zu achten fort. — Trieb Geld- oder Ruhmſucht jene einfältigen Bauern an, ihr Alles aufzuopfern für Etwas, was nicht zu erobern war? Ganz Frankreich war ihnen feind, aber ihr Bundesgenoſſe war ihr Bewußtſeyn.“ – „Es waren Narren“ rief, wie zum Erſtenmale unwillig, der Maire aus, und rückte auf ſeinem Stuhle.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/70>, abgerufen am 24.11.2024.