Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

Bild:
<< vorherige Seite

higen Sie sich, Jäger, und nehmen sich vor den
hitzigen Fiebern in Acht, die unter den jungen Leuten
grassiren. Die Luft ist feucht."

Der Schmerz der Jugend verflüchtigt sich um so
schneller, je näher sie noch dem Kindesalter steht. Kör-
perliche Anstrengungen sind hier eine unfehlbare Arz-
nei. Jn unserm von Felsen umschlossenen Lager muß-
ten wir mit Mühe die Nothwendigkeiten des Lebens,
um wie viel mehr die Annehmlichkeiten herbeiholen.
Die Arbeit würzte den Genuß. So schmeckten die
Kartoffeln, welche man mit der größten Anstrengung,
unter Gefahr bei der Entdeckung gestraft zu werden,
in Mondnächten auf entfernten Feldern grub, und in
Mänteln herbeitrug, bei weitem besser, als die Delikates-
sen, welche ab und zu von französischen Marketendern
im Lager verkauft wurden. Jndem aber in unserm
kleinen Hüttenleben unsere ganze Sorge sich um Her-
beischaffung und Bereitung der Nahrung drehte, wur-
den wir einigermaßen Jnstinktwesen, und wagten zu-
weilen beinahe das Leben für kleine Genüsse. Jch
muß noch immer lächeln, wenn ich daran denke, welche
Freude es im Lager verursachte, als ein Landwehr-
mann eine entfernte Felsschlucht voller Brombeersträu-
cher gefunden hatte, und wie nun beständig heimliche
Wallfahrten nach diesem außer dem erlaubten Kreise bele-
genen Orte unternommen wurden, um die dort mit Mühe

higen Sie ſich, Jäger, und nehmen ſich vor den
hitzigen Fiebern in Acht, die unter den jungen Leuten
graſſiren. Die Luft iſt feucht.“

Der Schmerz der Jugend verflüchtigt ſich um ſo
ſchneller, je näher ſie noch dem Kindesalter ſteht. Kör-
perliche Anſtrengungen ſind hier eine unfehlbare Arz-
nei. Jn unſerm von Felſen umſchloſſenen Lager muß-
ten wir mit Mühe die Nothwendigkeiten des Lebens,
um wie viel mehr die Annehmlichkeiten herbeiholen.
Die Arbeit würzte den Genuß. So ſchmeckten die
Kartoffeln, welche man mit der größten Anſtrengung,
unter Gefahr bei der Entdeckung geſtraft zu werden,
in Mondnächten auf entfernten Feldern grub, und in
Mänteln herbeitrug, bei weitem beſſer, als die Delikateſ-
ſen, welche ab und zu von franzöſiſchen Marketendern
im Lager verkauft wurden. Jndem aber in unſerm
kleinen Hüttenleben unſere ganze Sorge ſich um Her-
beiſchaffung und Bereitung der Nahrung drehte, wur-
den wir einigermaßen Jnſtinktweſen, und wagten zu-
weilen beinahe das Leben für kleine Genüſſe. Jch
muß noch immer lächeln, wenn ich daran denke, welche
Freude es im Lager verurſachte, als ein Landwehr-
mann eine entfernte Felsſchlucht voller Brombeerſträu-
cher gefunden hatte, und wie nun beſtändig heimliche
Wallfahrten nach dieſem außer dem erlaubten Kreiſe bele-
genen Orte unternommen wurden, um die dort mit Mühe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0020"/>
higen Sie &#x017F;ich, Jäger, und nehmen &#x017F;ich vor den<lb/>
hitzigen Fiebern in Acht, die unter den jungen Leuten<lb/>
gra&#x017F;&#x017F;iren. Die Luft i&#x017F;t feucht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Schmerz der Jugend verflüchtigt &#x017F;ich um &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chneller, je näher &#x017F;ie noch dem Kindesalter &#x017F;teht. Kör-<lb/>
perliche An&#x017F;trengungen &#x017F;ind hier eine unfehlbare Arz-<lb/>
nei. Jn un&#x017F;erm von Fel&#x017F;en um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Lager muß-<lb/>
ten wir mit Mühe die Nothwendigkeiten des Lebens,<lb/>
um wie viel mehr die Annehmlichkeiten herbeiholen.<lb/>
Die Arbeit würzte den Genuß. So &#x017F;chmeckten die<lb/>
Kartoffeln, welche man mit der größten An&#x017F;trengung,<lb/>
unter Gefahr bei der Entdeckung ge&#x017F;traft zu werden,<lb/>
in Mondnächten auf entfernten Feldern grub, und in<lb/>
Mänteln herbeitrug, bei weitem be&#x017F;&#x017F;er, als die Delikate&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, welche ab und zu von franzö&#x017F;i&#x017F;chen Marketendern<lb/>
im Lager verkauft wurden. Jndem aber in un&#x017F;erm<lb/>
kleinen Hüttenleben un&#x017F;ere ganze Sorge &#x017F;ich um Her-<lb/>
bei&#x017F;chaffung und Bereitung der Nahrung drehte, wur-<lb/>
den wir einigermaßen Jn&#x017F;tinktwe&#x017F;en, und wagten zu-<lb/>
weilen beinahe das Leben für kleine Genü&#x017F;&#x017F;e. Jch<lb/>
muß noch immer lächeln, wenn ich daran denke, welche<lb/>
Freude es im Lager verur&#x017F;achte, als ein Landwehr-<lb/>
mann eine entfernte Fels&#x017F;chlucht voller Brombeer&#x017F;träu-<lb/>
cher gefunden hatte, und wie nun be&#x017F;tändig heimliche<lb/>
Wallfahrten nach die&#x017F;em außer dem erlaubten Krei&#x017F;e bele-<lb/>
genen Orte unternommen wurden, um die dort mit Mühe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] higen Sie ſich, Jäger, und nehmen ſich vor den hitzigen Fiebern in Acht, die unter den jungen Leuten graſſiren. Die Luft iſt feucht.“ Der Schmerz der Jugend verflüchtigt ſich um ſo ſchneller, je näher ſie noch dem Kindesalter ſteht. Kör- perliche Anſtrengungen ſind hier eine unfehlbare Arz- nei. Jn unſerm von Felſen umſchloſſenen Lager muß- ten wir mit Mühe die Nothwendigkeiten des Lebens, um wie viel mehr die Annehmlichkeiten herbeiholen. Die Arbeit würzte den Genuß. So ſchmeckten die Kartoffeln, welche man mit der größten Anſtrengung, unter Gefahr bei der Entdeckung geſtraft zu werden, in Mondnächten auf entfernten Feldern grub, und in Mänteln herbeitrug, bei weitem beſſer, als die Delikateſ- ſen, welche ab und zu von franzöſiſchen Marketendern im Lager verkauft wurden. Jndem aber in unſerm kleinen Hüttenleben unſere ganze Sorge ſich um Her- beiſchaffung und Bereitung der Nahrung drehte, wur- den wir einigermaßen Jnſtinktweſen, und wagten zu- weilen beinahe das Leben für kleine Genüſſe. Jch muß noch immer lächeln, wenn ich daran denke, welche Freude es im Lager verurſachte, als ein Landwehr- mann eine entfernte Felsſchlucht voller Brombeerſträu- cher gefunden hatte, und wie nun beſtändig heimliche Wallfahrten nach dieſem außer dem erlaubten Kreiſe bele- genen Orte unternommen wurden, um die dort mit Mühe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-07-16T12:57:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-07-16T12:57:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/20
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/20>, abgerufen am 28.03.2024.