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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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des Gemeinderates und Platzkommandanten. Sie kamen überein, dass für einen Minister, der ein Ehrenmann sei, nichts übrig bleibe, als sie mit der grössten Heftigkeit öffentlich anzuklagen, die Versammlung zu bestimmen, sie verhaften zu lassen und die Entrüstung aller ehrlichen Menschen gegen sie anzufachen, und sich auf diese Weise vom Makel rein zu waschen, an den Greueln durch Stillschweigen teilgenommen zu haben. Und sich, wenn nötig, eher den Dolchen der Mörder auszusetzen, um dem Verbrechen und der Schande auszuweichen, als in irgend einer Weise ihr Mitschuldiger zu sein. Roland schrieb dann jenen bekannten Brief an die Nationalversammlung. Madame Roland behauptet in ihren Memoiren: "Dieser, am 3. September an die Nationalversammlung gerichtete Brief wurde ebenso berühmt wie jener, der an den König gerichtet war." Die Nationalversammlung nahm ihn mit Begeisterung auf und beschloss die Drucklegung, Verlesung und Plakatierung.

Indessen wurde das Gemetzel in dem Gefängnis in der Abbaye von Sonntag abends bis Dienstag früh fortgesetzt, in dem Gefängnis La Force noch länger und in Bicetre vier Tage hindurch u. s. w. Roland wurde von Erregung und Entsetzen über all die Gräuel völlig krank, er konnte weder essen noch schlafen und hörte trotzdem nicht auf zu arbeiten.

Als Roland seine Demission als Minister geben wollte, kam eine Menge von Abgeordneten zu ihm, um ihn zu bewegen, seinen Posten nicht zu verlassen; sie drängten lebhaft in ihn und stellten sein Verbleiben als ein Opfer hin, das er dem Vaterlande schulde. Der Rücktritt Rolands hatte die Feinde nicht besänftigt. Er hatte das Ministerpalais, trotz des Entschlusses den Aufruhr zu beschwören und allen Gefahren Trotz zu bieten, verlassen, weil die Lage des Ministerrates seine immer wachsende Schwäche sonderbar darstellte und ihm keinen andern Ausblick

des Gemeinderates und Platzkommandanten. Sie kamen überein, dass für einen Minister, der ein Ehrenmann sei, nichts übrig bleibe, als sie mit der grössten Heftigkeit öffentlich anzuklagen, die Versammlung zu bestimmen, sie verhaften zu lassen und die Entrüstung aller ehrlichen Menschen gegen sie anzufachen, und sich auf diese Weise vom Makel rein zu waschen, an den Greueln durch Stillschweigen teilgenommen zu haben. Und sich, wenn nötig, eher den Dolchen der Mörder auszusetzen, um dem Verbrechen und der Schande auszuweichen, als in irgend einer Weise ihr Mitschuldiger zu sein. Roland schrieb dann jenen bekannten Brief an die Nationalversammlung. Madame Roland behauptet in ihren Memoiren: „Dieser, am 3. September an die Nationalversammlung gerichtete Brief wurde ebenso berühmt wie jener, der an den König gerichtet war.“ Die Nationalversammlung nahm ihn mit Begeisterung auf und beschloss die Drucklegung, Verlesung und Plakatierung.

Indessen wurde das Gemetzel in dem Gefängnis in der Abbaye von Sonntag abends bis Dienstag früh fortgesetzt, in dem Gefängnis La Force noch länger und in Bicêtre vier Tage hindurch u. s. w. Roland wurde von Erregung und Entsetzen über all die Gräuel völlig krank, er konnte weder essen noch schlafen und hörte trotzdem nicht auf zu arbeiten.

Als Roland seine Demission als Minister geben wollte, kam eine Menge von Abgeordneten zu ihm, um ihn zu bewegen, seinen Posten nicht zu verlassen; sie drängten lebhaft in ihn und stellten sein Verbleiben als ein Opfer hin, das er dem Vaterlande schulde. Der Rücktritt Rolands hatte die Feinde nicht besänftigt. Er hatte das Ministerpalais, trotz des Entschlusses den Aufruhr zu beschwören und allen Gefahren Trotz zu bieten, verlassen, weil die Lage des Ministerrates seine immer wachsende Schwäche sonderbar darstellte und ihm keinen andern Ausblick

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        <p>Als Roland seine Demission als Minister geben wollte, kam eine Menge von Abgeordneten zu ihm, um ihn zu bewegen, seinen Posten nicht zu verlassen; sie drängten lebhaft in ihn und stellten sein Verbleiben als ein Opfer hin, das er dem Vaterlande schulde. Der Rücktritt Rolands hatte die Feinde nicht besänftigt. Er hatte das Ministerpalais, trotz des Entschlusses den Aufruhr zu beschwören und allen Gefahren Trotz zu bieten, verlassen, weil die Lage des Ministerrates seine immer wachsende Schwäche sonderbar darstellte und ihm keinen andern Ausblick
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[108/0127] des Gemeinderates und Platzkommandanten. Sie kamen überein, dass für einen Minister, der ein Ehrenmann sei, nichts übrig bleibe, als sie mit der grössten Heftigkeit öffentlich anzuklagen, die Versammlung zu bestimmen, sie verhaften zu lassen und die Entrüstung aller ehrlichen Menschen gegen sie anzufachen, und sich auf diese Weise vom Makel rein zu waschen, an den Greueln durch Stillschweigen teilgenommen zu haben. Und sich, wenn nötig, eher den Dolchen der Mörder auszusetzen, um dem Verbrechen und der Schande auszuweichen, als in irgend einer Weise ihr Mitschuldiger zu sein. Roland schrieb dann jenen bekannten Brief an die Nationalversammlung. Madame Roland behauptet in ihren Memoiren: „Dieser, am 3. September an die Nationalversammlung gerichtete Brief wurde ebenso berühmt wie jener, der an den König gerichtet war.“ Die Nationalversammlung nahm ihn mit Begeisterung auf und beschloss die Drucklegung, Verlesung und Plakatierung. Indessen wurde das Gemetzel in dem Gefängnis in der Abbaye von Sonntag abends bis Dienstag früh fortgesetzt, in dem Gefängnis La Force noch länger und in Bicêtre vier Tage hindurch u. s. w. Roland wurde von Erregung und Entsetzen über all die Gräuel völlig krank, er konnte weder essen noch schlafen und hörte trotzdem nicht auf zu arbeiten. Als Roland seine Demission als Minister geben wollte, kam eine Menge von Abgeordneten zu ihm, um ihn zu bewegen, seinen Posten nicht zu verlassen; sie drängten lebhaft in ihn und stellten sein Verbleiben als ein Opfer hin, das er dem Vaterlande schulde. Der Rücktritt Rolands hatte die Feinde nicht besänftigt. Er hatte das Ministerpalais, trotz des Entschlusses den Aufruhr zu beschwören und allen Gefahren Trotz zu bieten, verlassen, weil die Lage des Ministerrates seine immer wachsende Schwäche sonderbar darstellte und ihm keinen andern Ausblick

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/127>, abgerufen am 04.05.2024.