Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Menschen ertragen können? Den Kopf und das Herz mit der Geschichte Griechenlands, Roms und jener berühmten Männer erfüllt, die in jenen alten Republiken das Menschengeschlecht am meisten ehrten, bekannte ich mich schon seit meiner frühesten Kindheit zu ihren Grundsätzen. Ich erfüllte mich mit dem Studium ihrer Tugenden. Ich wuchs in meiner Jugend fast wild auf; meine Leidenschaften waren in meinem glühenden und empfindsamen Herzen verschlossen, sie waren heftig, übertrieben, aber wenn sie sich auf einen Gegenstand beschränkten, so weihten sie sich ihm ganz. Niemals hat die Ausschweifung meine Seele mit ihrem unreinen Hauch befleckt; die Schlemmerei hat mir immer Abscheu eingeflösst, und bis in mein vorgerücktes jetziges Alter hat nie eine schamlose Rede meine Lippen besudelt. Frühzeitig habe ich indessen das Unglück kennen gelernt und bin dadurch der Tugend umso anhänglicher geblieben, deren Tröstungen meine einzige Zuflucht waren. Mit welchem Entzücken erinnere ich mich noch jener glücklichen Epoche meines Lebens, die nicht wiederkehren kann, wo ich des Tages schweigsam die Berge und Wälder nahe der Stadt, die mich zur Welt kommen sah, durchstreifte, dabei mit Entzücken Werke Plutarchs oder Rousseaus las, oder mir Züge über Moral und Philosophie im Gedächtnis zurückrief. Manchmal sass ich auf blühendem Rasen, im Schatten dichtbelaubter Bäume und überliess mich einer sanften Melancholie bei der Erinnerung der Leiden und Freuden, die abwechselnd die ersten Zeiten meines Lebens bewegt hatten. Oft bildeten die Schriften Plutarchs und Rousseaus die Beschäftigung und Unterhaltung der Abende, die ich mit einem gleichalterigen Freunde verbrachte, den mir der Tod im Alter von 30 Jahren entriss und dessen immer teueres und verehrtes Angedenken mich vor mancher Verirrung bewahrt hat. Mit diesem Charakter und dieser Veranlagung kam ich, von der Erschütterung menschlicher Leidenschaften aufgeregt, in den Strom der Revolution und in die konstituierende Versammlung. Menschen ertragen können? Den Kopf und das Herz mit der Geschichte Griechenlands, Roms und jener berühmten Männer erfüllt, die in jenen alten Republiken das Menschengeschlecht am meisten ehrten, bekannte ich mich schon seit meiner frühesten Kindheit zu ihren Grundsätzen. Ich erfüllte mich mit dem Studium ihrer Tugenden. Ich wuchs in meiner Jugend fast wild auf; meine Leidenschaften waren in meinem glühenden und empfindsamen Herzen verschlossen, sie waren heftig, übertrieben, aber wenn sie sich auf einen Gegenstand beschränkten, so weihten sie sich ihm ganz. Niemals hat die Ausschweifung meine Seele mit ihrem unreinen Hauch befleckt; die Schlemmerei hat mir immer Abscheu eingeflösst, und bis in mein vorgerücktes jetziges Alter hat nie eine schamlose Rede meine Lippen besudelt. Frühzeitig habe ich indessen das Unglück kennen gelernt und bin dadurch der Tugend umso anhänglicher geblieben, deren Tröstungen meine einzige Zuflucht waren. Mit welchem Entzücken erinnere ich mich noch jener glücklichen Epoche meines Lebens, die nicht wiederkehren kann, wo ich des Tages schweigsam die Berge und Wälder nahe der Stadt, die mich zur Welt kommen sah, durchstreifte, dabei mit Entzücken Werke Plutarchs oder Rousseaus las, oder mir Züge über Moral und Philosophie im Gedächtnis zurückrief. Manchmal sass ich auf blühendem Rasen, im Schatten dichtbelaubter Bäume und überliess mich einer sanften Melancholie bei der Erinnerung der Leiden und Freuden, die abwechselnd die ersten Zeiten meines Lebens bewegt hatten. Oft bildeten die Schriften Plutarchs und Rousseaus die Beschäftigung und Unterhaltung der Abende, die ich mit einem gleichalterigen Freunde verbrachte, den mir der Tod im Alter von 30 Jahren entriss und dessen immer teueres und verehrtes Angedenken mich vor mancher Verirrung bewahrt hat. Mit diesem Charakter und dieser Veranlagung kam ich, von der Erschütterung menschlicher Leidenschaften aufgeregt, in den Strom der Revolution und in die konstituierende Versammlung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="105"/> Menschen ertragen können? Den Kopf und das Herz mit der Geschichte Griechenlands, Roms und jener berühmten Männer erfüllt, die in jenen alten Republiken das Menschengeschlecht am meisten ehrten, bekannte ich mich schon seit meiner frühesten Kindheit zu ihren Grundsätzen. Ich erfüllte mich mit dem Studium ihrer Tugenden. Ich wuchs in meiner Jugend fast wild auf; meine Leidenschaften waren in meinem glühenden und empfindsamen Herzen verschlossen, sie waren heftig, übertrieben, aber wenn sie sich auf einen Gegenstand beschränkten, so weihten sie sich ihm ganz. Niemals hat die Ausschweifung meine Seele mit ihrem unreinen Hauch befleckt; die Schlemmerei hat mir immer Abscheu eingeflösst, und bis in mein vorgerücktes jetziges Alter hat nie eine schamlose Rede meine Lippen besudelt. Frühzeitig habe ich indessen das Unglück kennen gelernt und bin dadurch der Tugend umso anhänglicher geblieben, deren Tröstungen meine einzige Zuflucht waren. Mit welchem Entzücken erinnere ich mich noch jener glücklichen Epoche meines Lebens, die nicht wiederkehren kann, wo ich des Tages schweigsam die Berge und Wälder nahe der Stadt, die mich zur Welt kommen sah, durchstreifte, dabei mit Entzücken Werke Plutarchs oder Rousseaus las, oder mir Züge über Moral und Philosophie im Gedächtnis zurückrief. Manchmal sass ich auf blühendem Rasen, im Schatten dichtbelaubter Bäume und überliess mich einer sanften Melancholie bei der Erinnerung der Leiden und Freuden, die abwechselnd die ersten Zeiten meines Lebens bewegt hatten. Oft bildeten die Schriften Plutarchs und Rousseaus die Beschäftigung und Unterhaltung der Abende, die ich mit einem gleichalterigen Freunde verbrachte, den mir der Tod im Alter von 30 Jahren entriss und dessen immer teueres und verehrtes Angedenken mich vor mancher Verirrung bewahrt hat. Mit diesem Charakter und dieser Veranlagung kam ich, von der Erschütterung menschlicher Leidenschaften aufgeregt, in den Strom der Revolution und in die konstituierende Versammlung.</p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0124]
Menschen ertragen können? Den Kopf und das Herz mit der Geschichte Griechenlands, Roms und jener berühmten Männer erfüllt, die in jenen alten Republiken das Menschengeschlecht am meisten ehrten, bekannte ich mich schon seit meiner frühesten Kindheit zu ihren Grundsätzen. Ich erfüllte mich mit dem Studium ihrer Tugenden. Ich wuchs in meiner Jugend fast wild auf; meine Leidenschaften waren in meinem glühenden und empfindsamen Herzen verschlossen, sie waren heftig, übertrieben, aber wenn sie sich auf einen Gegenstand beschränkten, so weihten sie sich ihm ganz. Niemals hat die Ausschweifung meine Seele mit ihrem unreinen Hauch befleckt; die Schlemmerei hat mir immer Abscheu eingeflösst, und bis in mein vorgerücktes jetziges Alter hat nie eine schamlose Rede meine Lippen besudelt. Frühzeitig habe ich indessen das Unglück kennen gelernt und bin dadurch der Tugend umso anhänglicher geblieben, deren Tröstungen meine einzige Zuflucht waren. Mit welchem Entzücken erinnere ich mich noch jener glücklichen Epoche meines Lebens, die nicht wiederkehren kann, wo ich des Tages schweigsam die Berge und Wälder nahe der Stadt, die mich zur Welt kommen sah, durchstreifte, dabei mit Entzücken Werke Plutarchs oder Rousseaus las, oder mir Züge über Moral und Philosophie im Gedächtnis zurückrief. Manchmal sass ich auf blühendem Rasen, im Schatten dichtbelaubter Bäume und überliess mich einer sanften Melancholie bei der Erinnerung der Leiden und Freuden, die abwechselnd die ersten Zeiten meines Lebens bewegt hatten. Oft bildeten die Schriften Plutarchs und Rousseaus die Beschäftigung und Unterhaltung der Abende, die ich mit einem gleichalterigen Freunde verbrachte, den mir der Tod im Alter von 30 Jahren entriss und dessen immer teueres und verehrtes Angedenken mich vor mancher Verirrung bewahrt hat. Mit diesem Charakter und dieser Veranlagung kam ich, von der Erschütterung menschlicher Leidenschaften aufgeregt, in den Strom der Revolution und in die konstituierende Versammlung.
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