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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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Himmel-Schlüssel.
Ihr erhebet eure Wipffel fast biß an das Sternen-Dach/
Ihr umarmet Lufft und Wolcken/ gebet keinem Sturme nach;
Ich vor Blitz und Donner scheu/ muß das Haubt zur Erden
biegen/
Deren offne Schoß für mich machet Raum und Platz zu lie-
gen.
Sind nun mehr als wir die Bäume/ was erhebt sich unser
Geist?
Was ists/ daß man in Gedancken über Mond und Sternen
reist?
Last uns iede Stund und Tag/ ieden Morgen also leben/
Als wenn auff den Abend wir müsten Gutt und Blutt be-
geben.


Die Zeit läst ihre Flucht uns täg- und stündlich schauen/
Und dennoch wollen wir auff ihre Länge bauen:
Ein Sclave fremder Guust stirbt/ eh er ihm gelebt/
Ein Knecht der blinden Lieb/ ein Diener seiner Gütter/
Macht ihm sein Leben selbst durch Furcht und Hoffnung bit-
ter.
Wer kühner Hitze voll/ nach fremden Blutte strebt/
Sucht offters vor der Zeit sein eignes zu verlieren/
Wer sich den schnöden Dunst der Ehre läst verführen/
Dient vor ein Gauckel-Spiel des Glückes und der Zeit.
Was trachtet ihr denn viel/ ihr Bürger dieser Erden/
Begünstigt/ reich/ geliebt/ gefürcht und hoch zu werden?
Wenn ihr doch Erd aus Erd und Staub und Asche seyd.
Vergleichung des Jahres und menschlichen
Lebens.
Der Winter ist hin/ die Blumen bezieren
Hügel/ Gründe!
Sanffte Winde
Durch bisamte Lüffte sind itzo zu spüren.
Mit Diamanten
Des nassen Zolls bemühn sich einzustellen
In
G 3
Himmel-Schluͤſſel.
Ihr erhebet eure Wipffel faſt biß an das Sternen-Dach/
Ihr umarmet Lufft und Wolcken/ gebet keinem Sturme nach;
Ich vor Blitz und Donner ſcheu/ muß das Haubt zur Erden
biegen/
Deren offne Schoß fuͤr mich machet Raum und Platz zu lie-
gen.
Sind nun mehr als wir die Baͤume/ was erhebt ſich unſer
Geiſt?
Was iſts/ daß man in Gedancken uͤber Mond und Sternen
reiſt?
Laſt uns iede Stund und Tag/ ieden Morgen alſo leben/
Als wenn auff den Abend wir muͤſten Gutt und Blutt be-
geben.


Die Zeit laͤſt ihre Flucht uns taͤg- und ſtuͤndlich ſchauen/
Und dennoch wollen wir auff ihre Laͤnge bauen:
Ein Sclave fremder Guuſt ſtirbt/ eh er ihm gelebt/
Ein Knecht der blinden Lieb/ ein Diener ſeiner Guͤtter/
Macht ihm ſein Leben ſelbſt durch Furcht und Hoffnung bit-
ter.
Wer kuͤhner Hitze voll/ nach fremden Blutte ſtrebt/
Sucht offters vor der Zeit ſein eignes zu verlieren/
Wer ſich den ſchnoͤden Dunſt der Ehre laͤſt verfuͤhren/
Dient vor ein Gauckel-Spiel des Gluͤckes und der Zeit.
Was trachtet ihr denn viel/ ihr Buͤrger dieſer Erden/
Beguͤnſtigt/ reich/ geliebt/ gefuͤrcht und hoch zu werden?
Wenn ihr doch Erd aus Erd und Staub und Aſche ſeyd.
Vergleichung des Jahres und menſchlichen
Lebens.
Der Winter iſt hin/ die Blumen bezieren
Huͤgel/ Gruͤnde!
Sanffte Winde
Durch biſamte Luͤffte ſind itzo zu ſpuͤren.
Mit Diamanten
Des naſſen Zolls bemuͤhn ſich einzuſtellen
In
G 3
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[101/0521] Himmel-Schluͤſſel. Ihr erhebet eure Wipffel faſt biß an das Sternen-Dach/ Ihr umarmet Lufft und Wolcken/ gebet keinem Sturme nach; Ich vor Blitz und Donner ſcheu/ muß das Haubt zur Erden biegen/ Deren offne Schoß fuͤr mich machet Raum und Platz zu lie- gen. Sind nun mehr als wir die Baͤume/ was erhebt ſich unſer Geiſt? Was iſts/ daß man in Gedancken uͤber Mond und Sternen reiſt? Laſt uns iede Stund und Tag/ ieden Morgen alſo leben/ Als wenn auff den Abend wir muͤſten Gutt und Blutt be- geben. Die Zeit laͤſt ihre Flucht uns taͤg- und ſtuͤndlich ſchauen/ Und dennoch wollen wir auff ihre Laͤnge bauen: Ein Sclave fremder Guuſt ſtirbt/ eh er ihm gelebt/ Ein Knecht der blinden Lieb/ ein Diener ſeiner Guͤtter/ Macht ihm ſein Leben ſelbſt durch Furcht und Hoffnung bit- ter. Wer kuͤhner Hitze voll/ nach fremden Blutte ſtrebt/ Sucht offters vor der Zeit ſein eignes zu verlieren/ Wer ſich den ſchnoͤden Dunſt der Ehre laͤſt verfuͤhren/ Dient vor ein Gauckel-Spiel des Gluͤckes und der Zeit. Was trachtet ihr denn viel/ ihr Buͤrger dieſer Erden/ Beguͤnſtigt/ reich/ geliebt/ gefuͤrcht und hoch zu werden? Wenn ihr doch Erd aus Erd und Staub und Aſche ſeyd. Vergleichung des Jahres und menſchlichen Lebens. Der Winter iſt hin/ die Blumen bezieren Huͤgel/ Gruͤnde! Sanffte Winde Durch biſamte Luͤffte ſind itzo zu ſpuͤren. Mit Diamanten Des naſſen Zolls bemuͤhn ſich einzuſtellen In G 3

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/521>, abgerufen am 15.06.2024.