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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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Schertz-Sonnette.
46. Die schönen grauen Haare.

Du klagest dich/ warum? weil dir so früh/ Melinde/
Durch deiner Haare Gold manch Silber-Faden sticht:
Weil sich der kalte Schnee um deine Scheitel flicht/
Da noch des Sommers Brand erhitzet deine Gründe:
Ich nicht: indem ich noch die alte Glutt empfinde/
Ob schon der kühle Reiff aus deinen Schläffen bricht/
Mein heißes Athem-ziehn und Seufftzen kühlt sich nicht/
Weist dein Gebirge gleich das Zeichen kalter Winde.
Weiß Haar zeigt weißen Sinn/ und krönt ein kluges Haubt.
Damit der Augen Sonn' ein Himmel sey erlaubt/
Sieht man ein graues Haar gleich Wolcken ob ihr prangen.
Drum sag ich offtermahls: Ihr angenehmen Wangen/
(Verwundert übers Haar/ das keinem Schnee giebt nach/)
Hier deckt den Rosen-Stock ein weisses Liljen-Dach.



Nascuntur in juvenibus & viris cani, saepe etiam praeter aetatis
congruum tempus.

Urit in AEtna flamma.

Tectum nitidius argento & coloribus sparsum num mediocre
munus vocabis?

Non est quod quenquam propter canos aut rugas putes diu
vixisse.

Senectutem quidam inviti audiunt, & canos, & alia, ad quae
voto pervenitur.


47. Die
Schertz-Sonnette.
46. Die ſchoͤnen grauen Haare.

Du klageſt dich/ warum? weil dir ſo fruͤh/ Melinde/
Durch deiner Haare Gold manch Silber-Faden ſticht:
Weil ſich der kalte Schnee um deine Scheitel flicht/
Da noch des Sommers Brand erhitzet deine Gruͤnde:
Ich nicht: indem ich noch die alte Glutt empfinde/
Ob ſchon der kuͤhle Reiff aus deinen Schlaͤffen bricht/
Mein heißes Athem-ziehn und Seufftzen kuͤhlt ſich nicht/
Weiſt dein Gebirge gleich das Zeichen kalter Winde.
Weiß Haar zeigt weißen Sinn/ und kroͤnt ein kluges Haubt.
Damit der Augen Sonn’ ein Himmel ſey erlaubt/
Sieht man ein graues Haar gleich Wolcken ob ihr prangen.
Drum ſag ich offtermahls: Ihr angenehmen Wangen/
(Verwundert uͤbers Haar/ das keinem Schnee giebt nach/)
Hier deckt den Roſen-Stock ein weiſſes Liljen-Dach.



Naſcuntur in juvenibus & viris cani, ſæpe etiam præter ætatis
congruum tempus.

Urit in Ætna flamma.

Tectum nitidius argento & coloribus ſparſum num mediocre
munus vocabis?

Non eſt quod quenquam propter canos aut rugas putes diu
vixiſſe.

Senectutem quidam inviti audiunt, & canos, & alia, ad quæ
voto pervenitur.


47. Die
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[237/0337] Schertz-Sonnette. 46. Die ſchoͤnen grauen Haare. Du klageſt dich/ warum? weil dir ſo fruͤh/ Melinde/ Durch deiner Haare Gold manch Silber-Faden ſticht: Weil ſich der kalte Schnee um deine Scheitel flicht/ Da noch des Sommers Brand erhitzet deine Gruͤnde: Ich nicht: indem ich noch die alte Glutt empfinde/ Ob ſchon der kuͤhle Reiff aus deinen Schlaͤffen bricht/ Mein heißes Athem-ziehn und Seufftzen kuͤhlt ſich nicht/ Weiſt dein Gebirge gleich das Zeichen kalter Winde. Weiß Haar zeigt weißen Sinn/ und kroͤnt ein kluges Haubt. Damit der Augen Sonn’ ein Himmel ſey erlaubt/ Sieht man ein graues Haar gleich Wolcken ob ihr prangen. Drum ſag ich offtermahls: Ihr angenehmen Wangen/ (Verwundert uͤbers Haar/ das keinem Schnee giebt nach/) Hier deckt den Roſen-Stock ein weiſſes Liljen-Dach. Naſcuntur in juvenibus & viris cani, ſæpe etiam præter ætatis congruum tempus. Urit in Ætna flamma. Tectum nitidius argento & coloribus ſparſum num mediocre munus vocabis? Non eſt quod quenquam propter canos aut rugas putes diu vixiſſe. Senectutem quidam inviti audiunt, & canos, & alia, ad quæ voto pervenitur. 47. Die

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/337>, abgerufen am 17.05.2024.