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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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GUARINI
Die Mutter Silviens nahm sie mit Thränen an/
Ich weiß nicht ob vor Freud/ ich weiß nicht ob vor
Schmertzen.
Lieb war ihr ihren Sohn verliebt verlobt zu sehn/
Leid aber/ daß dabey das Unglück war geschehn/
Daß sie zwey Schnürgen nun und keine sicher hätte;
Die eine wäre todt/ die andre läg im Bette.
C. Ist Amarille todt?
L. Ich weiß wohl nicht recht eigen:
Doch glaub ichs/ und geh hin dem Priester anzuzeigen/
Daß er an der verlohrnen statt
Bereits ein andre Tochter hat.
C. So ist Dorinde nicht gestorben?
L. Hat sich wol:
Sie lebt vergnügt/ als man iemanden finden soll.
C. War sie nicht auff den Todt verwundt?
L. Ein neues
Leben
Hätt ihr des Silviens Erbarmnis können geben/
Geschweige sie zn heiln.
C. Wie ward sie denn so bald
gesund?
L. Du wirst dein Wunder hörn: Ich will dir alles machen
kund.
Es stunden Mann und Weib um der Verwundten La-
ger her/
Die Hände warn bereit zu helffen/ nur das Hertze schwer
Doch ließ sie sich niemand als Silvien berühren;
Sie sprach: Die Hand/ die mich verlezt hat/ heile mich
So blieben wir allein/ die Mutter/ er und ich:
Er muste Wund-Arzt seyn/ wir gaben alles an.
Der kühne Jüngling ließ sich unerschrocken spüren/
Nachdem er sachte Kleid und Hemmet weg gethan/
Wolt er den Pfeil ausziehn: Nicht weiß ich wies geschach
Daß ihm das falsche Rohr in seiner Hand zerbrach/
Das Eisen stecken blieb/ da war nun Angst verhanden:
Durch keinen Handgriff nicht/ mit keiner Art von Zangen
Durch sonst kein Mittel war das Eisen zu erlangen.
Man solte/ wie es schien/ die Wunde grösser schneiden/
(Was hätte sie dabey vor Schmertzen müssen leiden!)
Diß konte Silvio nicht übers Hertze bringen/
Und zu so harter Cur die treuen Hände zwingen.
D[ie]
GUARINI
Die Mutter Silviens nahm ſie mit Thraͤnen an/
Ich weiß nicht ob vor Freud/ ich weiß nicht ob vor
Schmertzen.
Lieb war ihr ihren Sohn verliebt verlobt zu ſehn/
Leid aber/ daß dabey das Ungluͤck war geſchehn/
Daß ſie zwey Schnuͤrgen nun und keine ſicher haͤtte;
Die eine waͤre todt/ die andre laͤg im Bette.
C. Iſt Amarille todt?
L. Ich weiß wohl nicht recht eigen:
Doch glaub ichs/ und geh hin dem Prieſter anzuzeigen/
Daß er an der verlohrnen ſtatt
Bereits ein andre Tochter hat.
C. So iſt Dorinde nicht geſtorben?
L. Hat ſich wol:
Sie lebt vergnuͤgt/ als man iemanden finden ſoll.
C. War ſie nicht auff den Todt verwundt?
L. Ein neues
Leben
Haͤtt ihr des Silviens Erbarmnis koͤnnen geben/
Geſchweige ſie zn heiln.
C. Wie ward ſie denn ſo bald
geſund?
L. Du wirſt dein Wunder hoͤrn: Ich will dir alles machen
kund.
Es ſtunden Mann und Weib um der Verwundten La-
ger her/
Die Haͤnde warn bereit zu helffen/ nur das Hertze ſchwer
Doch ließ ſie ſich niemand als Silvien beruͤhren;
Sie ſprach: Die Hand/ die mich verlezt hat/ heile mich
So blieben wir allein/ die Mutter/ er und ich:
Er muſte Wund-Arzt ſeyn/ wir gaben alles an.
Der kuͤhne Juͤngling ließ ſich unerſchrocken ſpuͤren/
Nachdem er ſachte Kleid und Hemmet weg gethan/
Wolt er den Pfeil ausziehn: Nicht weiß ich wies geſchach
Daß ihm das falſche Rohr in ſeiner Hand zerbrach/
Das Eiſen ſtecken blieb/ da war nun Angſt verhanden:
Durch keinen Handgriff nicht/ mit keiner Art von Zangen
Durch ſonſt kein Mittel war das Eiſen zu erlangen.
Man ſolte/ wie es ſchien/ die Wunde groͤſſer ſchneiden/
(Was haͤtte ſie dabey vor Schmertzen muͤſſen leiden!)
Diß konte Silvio nicht uͤbers Hertze bringen/
Und zu ſo harter Cur die treuen Haͤnde zwingen.
D[ie]
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[166/0266] GUARINI Die Mutter Silviens nahm ſie mit Thraͤnen an/ Ich weiß nicht ob vor Freud/ ich weiß nicht ob vor Schmertzen. Lieb war ihr ihren Sohn verliebt verlobt zu ſehn/ Leid aber/ daß dabey das Ungluͤck war geſchehn/ Daß ſie zwey Schnuͤrgen nun und keine ſicher haͤtte; Die eine waͤre todt/ die andre laͤg im Bette. C. Iſt Amarille todt? L. Ich weiß wohl nicht recht eigen: Doch glaub ichs/ und geh hin dem Prieſter anzuzeigen/ Daß er an der verlohrnen ſtatt Bereits ein andre Tochter hat. C. So iſt Dorinde nicht geſtorben? L. Hat ſich wol: Sie lebt vergnuͤgt/ als man iemanden finden ſoll. C. War ſie nicht auff den Todt verwundt? L. Ein neues Leben Haͤtt ihr des Silviens Erbarmnis koͤnnen geben/ Geſchweige ſie zn heiln. C. Wie ward ſie denn ſo bald geſund? L. Du wirſt dein Wunder hoͤrn: Ich will dir alles machen kund. Es ſtunden Mann und Weib um der Verwundten La- ger her/ Die Haͤnde warn bereit zu helffen/ nur das Hertze ſchwer Doch ließ ſie ſich niemand als Silvien beruͤhren; Sie ſprach: Die Hand/ die mich verlezt hat/ heile mich So blieben wir allein/ die Mutter/ er und ich: Er muſte Wund-Arzt ſeyn/ wir gaben alles an. Der kuͤhne Juͤngling ließ ſich unerſchrocken ſpuͤren/ Nachdem er ſachte Kleid und Hemmet weg gethan/ Wolt er den Pfeil ausziehn: Nicht weiß ich wies geſchach Daß ihm das falſche Rohr in ſeiner Hand zerbrach/ Das Eiſen ſtecken blieb/ da war nun Angſt verhanden: Durch keinen Handgriff nicht/ mit keiner Art von Zangen Durch ſonſt kein Mittel war das Eiſen zu erlangen. Man ſolte/ wie es ſchien/ die Wunde groͤſſer ſchneiden/ (Was haͤtte ſie dabey vor Schmertzen muͤſſen leiden!) Diß konte Silvio nicht uͤbers Hertze bringen/ Und zu ſo harter Cur die treuen Haͤnde zwingen. Die

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/266>, abgerufen am 23.11.2024.