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Heyden, Benjamin: Frommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht. St. Annaberg, 1676.

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Abdanckungs-Rede.
dern nur über das unbewuste Ziel unser Ach und Jammer wie-
derholen und verduppeln.

Sinn ich nach/ was doch wohl an diesen heutigen angestel-
leten Trauer-Tage/ von unseres seel. Herrn Siegels hinter-
lassenen Höchstbetrübten am meisten beklaget und mit Thränen
beseuffzet wird/ so weiß ich nicht ob es etwas anders als eben die-
ses seyn werde. Kaum in dieses elende Leben/ deß Ehestandes/
der Haußhaltung/ der mühesamen Hammerwercks Nah-
rung/ etc. sich recht eingerichtet/ und solches so balde nun mit dem
Tode verwechseln müssen/ sey Schade!

Gewißlich Jammer und Hertzeleid bringet dieser tödtliche
Fall/ allen hinterlassenen Bluts-und Muths-Verwandten.

Ach Schade! Ach Jammer! rufft die hochbetrübte
Frau Wittib: Ich muß allzufrühe das weite Wehe erfahren/
allzufrühe mein Haupt verlieren/ und den blutigen Cörper allei-
ne behalten/ dieses verursachet Winseln und Weinen.

Solte mir vergönstiget seyn/ der Frauen Wittiben ihr bit-
teres Leid in einigen Sinnbilde zu entwerffen/ dürffte ich wohl
das Enydros, ein Edelgestein von Plinio also genannt/ l. 37. c. 11.
hieher setzen. Dann darin soll man sehen/ als ob stetige Thrän-
lein tröpfeten mit der Umbschrifft: Jn meinen Augen für
und für/ die Thränen fliessen wie allhier.

Solten Eberi und Basilii Urtheil von Trennung Eheli-
cher Liebe/ daran doch niemand zweifelt/ bedachtsam abgefasset
seyn/ so würde ietzt ein Theil von dem Hertzen der Fr. Wittib
in den dürren Sand verscharret/ die andere Helffte aber bliebe
blutig hangende: Wie solte Sie dann nicht klagen und sagen:

Ach Schade! Ach Jammer! Ach Hertzeleid! Solte
ich förder gehen und vermögend seyn/ das hochbetrübte Hertz un-
sers Herrn Siegels/ Frauen Mutter/ als einer ohne das ver-
lassenen Wittib zu anatomiren/ lieber! was solte wohl diese für

recht
H

Abdanckungs-Rede.
dern nur uͤber das unbewuſte Ziel unſer Ach und Jammer wie-
derholen und verduppeln.

Sinn ich nach/ was doch wohl an dieſen heutigen angeſtel-
leten Trauer-Tage/ von unſeres ſeel. Herrn Siegels hinter-
laſſenen Hoͤchſtbetruͤbten am meiſten beklaget und mit Thraͤnen
beſeuffzet wird/ ſo weiß ich nicht ob es etwas anders als eben die-
ſes ſeyn werde. Kaum in dieſes elende Leben/ deß Eheſtandes/
der Haußhaltung/ der muͤheſamen Ham̃erwercks Nah-
rung/ ꝛc. ſich recht eingerichtet/ und ſolches ſo balde nun mit dem
Tode verwechſeln muͤſſen/ ſey Schade!

Gewißlich Jammer und Hertzeleid bringet dieſer toͤdtliche
Fall/ allen hinterlaſſenen Bluts-und Muths-Verwandten.

Ach Schade! Ach Jammer! rufft die hochbetruͤbte
Frau Wittib: Ich muß allzufruͤhe das weite Wehe erfahren/
allzufruͤhe mein Haupt verlieren/ und den blutigen Coͤrper allei-
ne behalten/ dieſes verurſachet Winſeln und Weinen.

Solte mir vergoͤnſtiget ſeyn/ der Frauen Wittiben ihr bit-
teres Leid in einigen Sinnbilde zu entwerffen/ duͤrffte ich wohl
das Enydros, ein Edelgeſtein von Plinio alſo genannt/ l. 37. c. 11.
hieher ſetzen. Dann darin ſoll man ſehen/ als ob ſtetige Thraͤn-
lein troͤpfeten mit der Umbſchrifft: Jn meinen Augen fuͤr
und fuͤr/ die Thraͤnen flieſſen wie allhier.

Solten Eberi und Baſilii Urtheil von Trennung Eheli-
cher Liebe/ daran doch niemand zweifelt/ bedachtſam abgefaſſet
ſeyn/ ſo wuͤrde ietzt ein Theil von dem Hertzen der Fr. Wittib
in den duͤrren Sand verſcharret/ die andere Helffte aber bliebe
blutig hangende: Wie ſolte Sie dann nicht klagen und ſagen:

Ach Schade! Ach Jammer! Ach Hertzeleid! Solte
ich foͤrder gehen und vermoͤgend ſeyn/ das hochbetruͤbte Hertz un-
ſers Herrn Siegels/ Frauen Mutter/ als einer ohne das ver-
laſſenen Wittib zu anatomiren/ lieber! was ſolte wohl dieſe fuͤr

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Zitationshilfe: Heyden, Benjamin: Frommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht. St. Annaberg, 1676, S. [57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/510974/57>, abgerufen am 28.04.2024.