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Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.

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Desto freudiger macht mich dies göttliche Urtheil des
Hochseeligen Herrn Rectoris Verdienste zu rühmen.

Und wo wäre das göttliche Urtheil von getreuen Schul-
Männern deutlicher anzutreffen als in denen Worten, die
mir von der Hochbetrübten Frau Wittwe zum Grunde
meiner gegenwärtigen Rede an die Hand gegeben worden
sind? Jch meine das gnädige Urtheil, welches Christus, der
Richter aller Welt an jenem allgemeinen grossen Gerichts-
Tage über alle seine rechtschaffene Diener fällen will, welches
Er Matthäi 25, 23. in dem Gleichnisse von dem getreuen
Knechte vorher verkündiget: Ey du frommer und getreu-
er Knecht, du bist über wenig getreu gewesen, ich
will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn
Freude!
Denn da getreue und gottsfürchtige Schul-Männer
auch unter die getreuen Knechte GOttes gehören, warum
solte es nicht erlaubet seyn, angeführte Worte
als das gnädige Urtheil GOttes über getreue
Schul-Männer, anzusehen.

Jch finde in diesen Worten erstlich, einen Abriß ge-
treuer Schul-Männer. Davor halte ich den göttlichen
Ausspruch: Du bist über wenig getreu gewesen!

Wiewohl es darf niemand meinen, als ob zu einem ge-
treuen Schul-Manne, sonderlich in einer solchen Pflantz-
Stadt, darinnen junge Leute zu höhern Schulen zubereitet
werden, wenige Wissenschaften, und wenigere Gemüths-
Gaben erfordert würden. Dieses Vorurtheil hindert den glück-
lichen Fortgang des Schul-Wesens nicht wenig. Denn daher
wird das Lehr-Amt in Schulen offt Leuten mehr aus Barmher-
tzigkeit gegen ihre Nothdurft, als aus Erkenntniß ihrer Ge-
schicklichkeiten anvertrauet; (*) Vielweniger darf nie-

mand
(*) Haud semel peccari compertum habeo, adeo quidem, ut
qui nulli bonae rei sunt utiles, iis tenera aetas regenda com-
mittatur, qua re non ipsi tantum, sed munus etiam, quod
gerunt, & imposita illis persona, in contemtum & ludibri-
um petulantiae puerilis adducuntur, unde damna maxima in
ipsam rem publicam redundare dolore magis est quam admi-
ratione dignum.
Also klaget über dieß Vorurtheil der berühm-
te Schulmann, Johann Matthias Gesner, in seinen In-
stitutionibus rei Scholasticae [unleserliches Material]

Deſto freudiger macht mich dies goͤttliche Urtheil des
Hochſeeligen Herrn Rectoris Verdienſte zu ruͤhmen.

Und wo waͤre das goͤttliche Urtheil von getreuen Schul-
Maͤnnern deutlicher anzutreffen als in denen Worten, die
mir von der Hochbetruͤbten Frau Wittwe zum Grunde
meiner gegenwaͤrtigen Rede an die Hand gegeben worden
ſind? Jch meine das gnaͤdige Urtheil, welches Chriſtus, der
Richter aller Welt an jenem allgemeinen groſſen Gerichts-
Tage uͤber alle ſeine rechtſchaffene Diener faͤllen will, welches
Er Matthaͤi 25, 23. in dem Gleichniſſe von dem getreuen
Knechte vorher verkuͤndiget: Ey du frommer und getreu-
er Knecht, du biſt uͤber wenig getreu geweſen, ich
will dich uͤber viel ſetzen, gehe ein zu deines Herrn
Freude!
Denn da getreue und gottsfuͤrchtige Schul-Maͤnner
auch unter die getreuen Knechte GOttes gehoͤren, warum
ſolte es nicht erlaubet ſeyn, angefuͤhrte Worte
als das gnaͤdige Urtheil GOttes uͤber getreue
Schul-Maͤnner, anzuſehen.

Jch finde in dieſen Worten erſtlich, einen Abriß ge-
treuer Schul-Maͤnner. Davor halte ich den goͤttlichen
Ausſpruch: Du biſt uͤber wenig getreu geweſen!

Wiewohl es darf niemand meinen, als ob zu einem ge-
treuen Schul-Manne, ſonderlich in einer ſolchen Pflantz-
Stadt, darinnen junge Leute zu hoͤhern Schulen zubereitet
werden, wenige Wiſſenſchaften, und wenigere Gemuͤths-
Gaben erfordert wuͤrden. Dieſes Vorurtheil hindert den gluͤck-
lichen Fortgang des Schul-Weſens nicht wenig. Denn daher
wiꝛd das Lehr-Amt in Schulen offt Leuten mehr aus Barmher-
tzigkeit gegen ihre Nothdurft, als aus Erkenntniß ihrer Ge-
ſchicklichkeiten anvertrauet; (*) Vielweniger darf nie-

mand
(*) Haud ſemel peccari compertum habeo, adeo quidem, ut
qui nulli bonae rei ſunt utiles, iis tenera aetas regenda com-
mittatur, qua re non ipſi tantum, ſed munus etiam, quod
gerunt, & impoſita illis perſona, in contemtum & ludibri-
um petulantiae puerilis adducuntur, unde damna maxima in
ipſam rem publicam redundare dolore magis eſt quam admi-
ratione dignum.
Alſo klaget uͤber dieß Vorurtheil der beruͤhm-
te Schulmann, Johann Matthias Gesner, in ſeinen In-
ſtitutionibus rei Scholaſticae [unleserliches Material]
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[42/0043] Deſto freudiger macht mich dies goͤttliche Urtheil des Hochſeeligen Herrn Rectoris Verdienſte zu ruͤhmen. Und wo waͤre das goͤttliche Urtheil von getreuen Schul- Maͤnnern deutlicher anzutreffen als in denen Worten, die mir von der Hochbetruͤbten Frau Wittwe zum Grunde meiner gegenwaͤrtigen Rede an die Hand gegeben worden ſind? Jch meine das gnaͤdige Urtheil, welches Chriſtus, der Richter aller Welt an jenem allgemeinen groſſen Gerichts- Tage uͤber alle ſeine rechtſchaffene Diener faͤllen will, welches Er Matthaͤi 25, 23. in dem Gleichniſſe von dem getreuen Knechte vorher verkuͤndiget: Ey du frommer und getreu- er Knecht, du biſt uͤber wenig getreu geweſen, ich will dich uͤber viel ſetzen, gehe ein zu deines Herrn Freude! Denn da getreue und gottsfuͤrchtige Schul-Maͤnner auch unter die getreuen Knechte GOttes gehoͤren, warum ſolte es nicht erlaubet ſeyn, angefuͤhrte Worte als das gnaͤdige Urtheil GOttes uͤber getreue Schul-Maͤnner, anzuſehen. Jch finde in dieſen Worten erſtlich, einen Abriß ge- treuer Schul-Maͤnner. Davor halte ich den goͤttlichen Ausſpruch: Du biſt uͤber wenig getreu geweſen! Wiewohl es darf niemand meinen, als ob zu einem ge- treuen Schul-Manne, ſonderlich in einer ſolchen Pflantz- Stadt, darinnen junge Leute zu hoͤhern Schulen zubereitet werden, wenige Wiſſenſchaften, und wenigere Gemuͤths- Gaben erfordert wuͤrden. Dieſes Vorurtheil hindert den gluͤck- lichen Fortgang des Schul-Weſens nicht wenig. Denn daher wiꝛd das Lehr-Amt in Schulen offt Leuten mehr aus Barmher- tzigkeit gegen ihre Nothdurft, als aus Erkenntniß ihrer Ge- ſchicklichkeiten anvertrauet; (*) Vielweniger darf nie- mand (*) Haud ſemel peccari compertum habeo, adeo quidem, ut qui nulli bonae rei ſunt utiles, iis tenera aetas regenda com- mittatur, qua re non ipſi tantum, ſed munus etiam, quod gerunt, & impoſita illis perſona, in contemtum & ludibri- um petulantiae puerilis adducuntur, unde damna maxima in ipſam rem publicam redundare dolore magis eſt quam admi- ratione dignum. Alſo klaget uͤber dieß Vorurtheil der beruͤhm- te Schulmann, Johann Matthias Gesner, in ſeinen In- ſtitutionibus rei Scholaſticae _

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508578/43>, abgerufen am 29.03.2024.