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Mahler, Georg Ernst: Entwurff oder Merckbild Eines Gottergebenen Christen-Menschen. Freyberg, 1675.

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Abdanckungs-Rede.
lich sein grosser Nachruhm. Ein solcher durch wohlgeführt und ge-
schlossenes Leben wohl lautender Nachklang übertrifft die funffzehen
hundert und funfftzig Jahre der so lang gebrennten Lampen in dem
Grabe der Tochter Ciceronis, welche zu Zeiten Pabst Pauli IV. ge-
funden/ und bey eröffnung des Grabes verloschen ist. Er ist gleich de-
nen Pyramiden, welchen an ihrer einmahl bestimten Höhe nichts ab-
gehet/ ob man ihren Grund schon tieff in die Erden gelegt; Sondern
deßwegen umb so viel gewisser und fester stehen. Dannenhero wie
die Lacedaemonier ihre wohlverdiente Vorfahren auß Ehrerbietung in
ihre öffentliche Audienz-Stuben setzten mit dieser Uberschrifft an die
Jugend: Wenn ihr werdet seyn wie diese/ so werdet ihr auch stehen
wo diese; Also setzen unsers hochverdienten Herrn Inspectoris hinter-
bliebene Frau Wittib/ wie auch Leibes- und Seelen-Kinder/ seinen ab-
geseelten Cörper billig in dieses ihr öffentl. Göttliches Audienz-Hauß/
allen und ieden zu einer Christlichen Nachfolge seines gelehrten und
gehabten Glaubens und Wandels.

Nun so ruhe wohl in deiner Grufft du Grosser Kirchen-Fürst/
du Geistlicher Fürst und Grosser in Jsrael! Dir ist sehr wohl ge-
schehen/ in dem du anitzo die Hoch-heilige Majestät GOttes mit Eng-
lischer Zunge preisest/ und nach dem du hier deinem GOtt über wenig
getreu gewesen/ von ihm nnmehro dort über viel gesetzet worden/ du
bist nun eingangen zu deines HErrn Freude.

Aber/ wie ist durch deinen Hingang der hochbetrübten Frau Wit-
tib geschehen? Mich deucht/ sie gebraucht sich auch der Worte jenes
treuen Ehegattens zu Wittenberg: Da mir meine Kinder sturben/
schmertzte michs/ als ob mir eine Hand oder Fuß abgelöset würde: Da
mir aber numehro mein lieber Ehe-Herr gestorben/ ist mir nicht an-
ders zu Muthe/ als ob mir mit glüenden Zangen eine Riebe aus dem
Leibe gerissen were; Und saget mit Naemi: Heisset mich Mara,
eine bittere. Denn der Allmächtige hat mich sehr betrübet/ und des
HErrn Hand ist über mich außgangen. Sintemahl auch die Palm-
Bäume/ so lange sie beysammen stehen/ und durch verborgene Wir-

ckung

Abdanckungs-Rede.
lich ſein groſſer Nachruhm. Ein ſolcher durch wohlgeführt und ge-
ſchloſſenes Leben wohl lautender Nachklang uͤbertrifft die funffzehen
hundert und funfftzig Jahre der ſo lang gebrennten Lampen in dem
Grabe der Tochter Ciceronis, welche zu Zeiten Pabſt Pauli IV. ge-
funden/ und bey eroͤffnung des Grabes verloſchen iſt. Er iſt gleich de-
nen Pyramiden, welchen an ihrer einmahl beſtimten Hoͤhe nichts ab-
gehet/ ob man ihren Grund ſchon tieff in die Erden gelegt; Sondern
deßwegen umb ſo viel gewiſſer und feſter ſtehen. Dannenhero wie
die Lacedæmonier ihre wohlverdiente Vorfahren auß Ehrerbietung in
ihre oͤffentliche Audienz-Stuben ſetzten mit dieſer Uberſchrifft an die
Jugend: Wenn ihr werdet ſeyn wie dieſe/ ſo werdet ihr auch ſtehen
wo dieſe; Alſo ſetzen unſers hochverdienten Herrn Inſpectoris hinter-
bliebene Frau Wittib/ wie auch Leibes- und Seelen-Kinder/ ſeinen ab-
geſeelten Coͤrper billig in dieſes ihr oͤffentl. Goͤttliches Audienz-Hauß/
allen und ieden zu einer Chriſtlichen Nachfolge ſeines gelehrten und
gehabten Glaubens und Wandels.

Nun ſo ruhe wohl in deiner Grufft du Groſſer Kirchen-Fuͤrſt/
du Geiſtlicher Fürſt und Groſſer in Jſrael! Dir iſt ſehr wohl ge-
ſchehen/ in dem du anitzo die Hoch-heilige Majeſtaͤt GOttes mit Eng-
liſcher Zunge preiſeſt/ und nach dem du hier deinem GOtt über wenig
getreu geweſen/ von ihm nnmehro dort über viel geſetzet worden/ du
biſt nun eingangen zu deines HErrn Freude.

Aber/ wie iſt durch deinen Hingang der hochbetruͤbten Frau Wit-
tib geſchehen? Mich deucht/ ſie gebraucht ſich auch der Worte jenes
treuen Ehegattens zu Wittenberg: Da mir meine Kinder ſturben/
ſchmertzte michs/ als ob mir eine Hand oder Fuß abgeloͤſet würde: Da
mir aber numehro mein lieber Ehe-Herr geſtorben/ iſt mir nicht an-
ders zu Muthe/ als ob mir mit glüenden Zangen eine Riebe aus dem
Leibe geriſſen were; Und ſaget mit Naëmi: Heiſſet mich Mara,
eine bittere. Denn der Allmaͤchtige hat mich ſehr betruͤbet/ und des
HErrn Hand iſt uͤber mich außgangen. Sintemahl auch die Palm-
Baͤume/ ſo lange ſie beyſammen ſtehen/ und durch verborgene Wir-

ckung
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[0045] Abdanckungs-Rede. lich ſein groſſer Nachruhm. Ein ſolcher durch wohlgeführt und ge- ſchloſſenes Leben wohl lautender Nachklang uͤbertrifft die funffzehen hundert und funfftzig Jahre der ſo lang gebrennten Lampen in dem Grabe der Tochter Ciceronis, welche zu Zeiten Pabſt Pauli IV. ge- funden/ und bey eroͤffnung des Grabes verloſchen iſt. Er iſt gleich de- nen Pyramiden, welchen an ihrer einmahl beſtimten Hoͤhe nichts ab- gehet/ ob man ihren Grund ſchon tieff in die Erden gelegt; Sondern deßwegen umb ſo viel gewiſſer und feſter ſtehen. Dannenhero wie die Lacedæmonier ihre wohlverdiente Vorfahren auß Ehrerbietung in ihre oͤffentliche Audienz-Stuben ſetzten mit dieſer Uberſchrifft an die Jugend: Wenn ihr werdet ſeyn wie dieſe/ ſo werdet ihr auch ſtehen wo dieſe; Alſo ſetzen unſers hochverdienten Herrn Inſpectoris hinter- bliebene Frau Wittib/ wie auch Leibes- und Seelen-Kinder/ ſeinen ab- geſeelten Coͤrper billig in dieſes ihr oͤffentl. Goͤttliches Audienz-Hauß/ allen und ieden zu einer Chriſtlichen Nachfolge ſeines gelehrten und gehabten Glaubens und Wandels. Nun ſo ruhe wohl in deiner Grufft du Groſſer Kirchen-Fuͤrſt/ du Geiſtlicher Fürſt und Groſſer in Jſrael! Dir iſt ſehr wohl ge- ſchehen/ in dem du anitzo die Hoch-heilige Majeſtaͤt GOttes mit Eng- liſcher Zunge preiſeſt/ und nach dem du hier deinem GOtt über wenig getreu geweſen/ von ihm nnmehro dort über viel geſetzet worden/ du biſt nun eingangen zu deines HErrn Freude. Aber/ wie iſt durch deinen Hingang der hochbetruͤbten Frau Wit- tib geſchehen? Mich deucht/ ſie gebraucht ſich auch der Worte jenes treuen Ehegattens zu Wittenberg: Da mir meine Kinder ſturben/ ſchmertzte michs/ als ob mir eine Hand oder Fuß abgeloͤſet würde: Da mir aber numehro mein lieber Ehe-Herr geſtorben/ iſt mir nicht an- ders zu Muthe/ als ob mir mit glüenden Zangen eine Riebe aus dem Leibe geriſſen were; Und ſaget mit Naëmi: Heiſſet mich Mara, eine bittere. Denn der Allmaͤchtige hat mich ſehr betruͤbet/ und des HErrn Hand iſt uͤber mich außgangen. Sintemahl auch die Palm- Baͤume/ ſo lange ſie beyſammen ſtehen/ und durch verborgene Wir- ckung

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Zitationshilfe: Mahler, Georg Ernst: Entwurff oder Merckbild Eines Gottergebenen Christen-Menschen. Freyberg, 1675, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508321/45>, abgerufen am 25.11.2024.