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Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701].

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Das unschuldig-vergossene Blut.
begangenen Mord-That überführen/ daß er sich vor der gerechten
Rache des Himmels nicht gefürchtet/ seines leiblichen Bruders nicht
verschonet/ und ihn so jämmerlich ermordet. Ausser Zweiffel wolte
GOtt der HErr bey der angestellten Inqvisition dem mörderischen
Cain durch diese doppelte Frage sein Hertz rühren/ damit er seinen
Bruder-Mord erkennen/ bereuen/ und die gnädige Vergebung seiner
schweren Sünde und Missethat suchen möchte. Aber wie trotzig führet
sich hier der Thäter auf/ er spielet alles auffs Leugnen: Er aber sprach:
Ich weiß nicht/ soll ich meines Bruders Hütter seyn?
Es
will der gottlose Cain gleichsam sagen: Er sey darzu nicht bestellet/ daß
er seinen Bruder hütten und in acht nehmen solle/ er wüste viel/ wo
sein Bruder geblieben.

(Sic Cain hoc in loco putat belle excusatum se, qvod negat, se esse custodem
Fratris sui. At tum fratrem suum nominat, annon fatetur, se debere cu-
stodem ejus esse: Annon etiam accusat se, qvod alieno in Fratrem sit
animo? ita iterum B. Lutherus in Gen. fol. 67. b.
)

Es wuste dieser Mörder aller Lügner ihr Principium: Si fecisti,
nega,
hast du was gethan/ so läugne es nur. Aber der allwissende GOtt/
dessen Augen viel heller sind/ denn die Sonne/ und sehen alles/
was die Menschen thun/ und schauen auch in die heimlichen
Winckel/
nach dem Syr. 23, 28. 29. brachte einen unverwerfflichen
Zeugen wider ihn auff/ sagende: Siehe/ die Stimme deines Bru-
ders Blut schreyet zu mir von der Erden/
das unschuldig vergoßne
Blut deines Bruders ist dein Ankläger worden/ alle Bluts-Tropffen
des unschuldig-getödteten Abels sind gleichsam lauter Zungen worden/
gestalten in der heiligen Ebräischen Sprache der Pluralis zu finden
[fremdsprachliches Material - fehlt], Voxsangvinum, die Stimme der Blute/ oder des vie-
len Bluts/ schreyet von der Erde zu mir gen Himmel umRache.

Diese Redens-Art wird in den Schulen genannt Prosopopaeia, da
man leblosen Dingen eine menschliche Rede zuschreibet: (vid. Glassii
l. 5. Phil. Sacr. Tr. 1. c. 9. p. 194. seqq.
) Es will damit der gerechte
GOtt andeuten/ daß Cains Sünde und Mordthat eine sehr schwere
und Himmel-schreyende Sünde sey/ welche er nach seiner Gerechtigkeit

ernst-

Das unſchuldig-vergoſſene Blut.
begangenen Mord-That uͤberfuͤhren/ daß er ſich vor der gerechten
Rache des Himmels nicht gefuͤrchtet/ ſeines leiblichen Bruders nicht
verſchonet/ und ihn ſo jaͤmmerlich ermordet. Auſſer Zweiffel wolte
GOtt der HErr bey der angeſtellten Inqviſition dem moͤrderiſchen
Cain durch dieſe doppelte Frage ſein Hertz ruͤhren/ damit er ſeinen
Bruder-Mord erkennen/ bereuen/ und die gnaͤdige Vergebung ſeiner
ſchweren Suͤnde und Miſſethat ſuchen moͤchte. Aber wie trotzig fuͤhret
ſich hier der Thaͤter auf/ er ſpielet alles auffs Leugnen: Er aber ſprach:
Ich weiß nicht/ ſoll ich meines Bruders Huͤtter ſeyn?
Es
will der gottloſe Cain gleichſam ſagen: Er ſey darzu nicht beſtellet/ daß
er ſeinen Bruder huͤtten und in acht nehmen ſolle/ er wuͤſte viel/ wo
ſein Bruder geblieben.

(Sic Cain hoc in loco putat belle excuſatum ſe, qvod negat, ſe eſſe cuſtodem
Fratris ſui. At tum fratrem ſuum nominat, annon fatetur, ſe debere cu-
ſtodem ejus eſſe: Annon etiam accuſat ſe, qvod alieno in Fratrem ſit
animo? ita iterum B. Lutherus in Gen. fol. 67. b.
)

Es wuſte dieſer Moͤrder aller Luͤgner ihr Principium: Si feciſti,
nega,
haſt du was gethan/ ſo laͤugne es nur. Aber der allwiſſende GOtt/
deſſen Augen viel heller ſind/ denn die Sonne/ und ſehen alles/
was die Menſchen thun/ und ſchauen auch in die heimlichen
Winckel/
nach dem Syr. 23, 28. 29. brachte einen unverwerfflichen
Zeugen wider ihn auff/ ſagende: Siehe/ die Stimme deines Bru-
ders Blut ſchreyet zu mir von der Erden/
das unſchuldig vergoßne
Blut deines Bruders iſt dein Anklaͤger worden/ alle Bluts-Tropffen
des unſchuldig-getoͤdteten Abels ſind gleichſam lauter Zungen worden/
geſtalten in der heiligen Ebraͤiſchen Sprache der Pluralis zu finden
[fremdsprachliches Material – fehlt], Voxſangvinum, die Stim̃e der Blute/ oder des vie-
len Bluts/ ſchreyet von der Erde zu mir gen Himmel umRache.

Dieſe Redens-Art wird in den Schulen genannt Proſopopæia, da
man lebloſen Dingen eine menſchliche Rede zuſchreibet: (vid. Glaſſii
l. 5. Phil. Sacr. Tr. 1. c. 9. p. 194. ſeqq.
) Es will damit der gerechte
GOtt andeuten/ daß Cains Suͤnde und Mordthat eine ſehr ſchwere
und Him̃el-ſchreyende Suͤnde ſey/ welche er nach ſeiner Gerechtigkeit

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Zitationshilfe: Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701], S. 23[21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/421583/21>, abgerufen am 25.11.2024.