Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701].Das unschuldig vergossene Blut. Verhör. Wie es bey weltlichen Gerichten bräuchlich ist/ daß manwider die Ubelthäter eine scharffe Inqvisition anstellt/ und nach al- len Umständen genau fragt; Gleicher massen finden wir auch dieses in unserm Texte: Da sprach der HErr zu Cain: Wo ist dein Bruder Habel? Er aber sprach: Ich weiß nicht/ soll ich mei- nes Bruders Hüter seyn? Er aber sprach: Was hast du ge- than? Die Stimme deines Bruders Bludt schreyet zu mir von der Erden. Der Richter/ so die Inqvisition allhier anstellt/ und den Thäter genau examinirt/ ist der heilige Dreyeinige GOtt/ GOtt Vater/ Sohn und heiliger Geist/ denn da sprach der HErr zu Cain: Wo ist dein Bruder Habel? Etliche unter den Auslegern wollen davor halten/ GOtt der HErr habe den Cain durch seinen Vater/ den A- dam/ fragen und also hart anreden lassen: Wo ist dein Bruder Habel? (Haec sententia etiam B. Luthero nostro placuit in Comment. in Gen scri- bendi fol. m. 64. b. Admonetur ad Adam parente. Credo enim verba haec ab ipso Adam esse dicta. &c.) Dieweil aber der jenige/ so da fragt/ weiter also redet: Was hastu began-
Das unſchuldig vergoſſene Blut. Verhoͤr. Wie es bey weltlichen Gerichten braͤuchlich iſt/ daß manwider die Ubelthaͤter eine ſcharffe Inqviſition anſtellt/ und nach al- len Umſtaͤnden genau fragt; Gleicher maſſen finden wir auch dieſes in unſerm Texte: Da ſprach der HErr zu Cain: Wo iſt dein Bruder Habel? Er aber ſprach: Ich weiß nicht/ ſoll ich mei- nes Bruders Huͤter ſeyn? Er aber ſprach: Was haſt du ge- than? Die Stim̃e deines Bruders Bludt ſchreyet zu mir von der Erden. Der Richter/ ſo die Inqviſition allhier anſtellt/ und den Thaͤter genau examinirt/ iſt der heilige Dreyeinige GOtt/ GOtt Vater/ Sohn und heiliger Geiſt/ denn da ſprach der HErr zu Cain: Wo iſt dein Bruder Habel? Etliche unter den Auslegern wollen davor halten/ GOtt der HErr habe den Cain durch ſeinen Vater/ den A- dam/ fragen und alſo hart anreden laſſen: Wo iſt dein Bruder Habel? (Hæc ſententia etiam B. Luthero noſtro placuit in Comment. in Gen ſcri- bendi fol. m. 64. b. Admonetur ad Adam parente. Credo enim verba hæc ab ipſo Adam eſſe dicta. &c.) Dieweil aber der jenige/ ſo da fragt/ weiter alſo redet: Was haſtu began-
<TEI> <text> <body> <div type="fsSermon" n="1"> <div type="fsMainPart" n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0020" n="22[20]"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Das unſchuldig vergoſſene Blut.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Verhoͤr.</hi> Wie es bey weltlichen Gerichten braͤuchlich iſt/ daß man<lb/> wider die Ubelthaͤter eine ſcharffe <hi rendition="#aq">Inqviſition</hi> anſtellt/ und nach al-<lb/> len Umſtaͤnden genau fragt; Gleicher maſſen finden wir auch dieſes in<lb/> unſerm <hi rendition="#aq">Texte:</hi> <hi rendition="#fr">Da ſprach der HErr zu Cain: Wo iſt dein<lb/> Bruder Habel? Er aber ſprach: Ich weiß nicht/ ſoll ich mei-<lb/> nes Bruders Huͤter ſeyn? Er aber ſprach: Was haſt du ge-<lb/> than? Die Stim̃e deines Bruders Bludt ſchreyet zu mir von<lb/> der Erden.</hi> Der Richter/ ſo die <hi rendition="#aq">Inqviſition</hi> allhier anſtellt/ und<lb/> den Thaͤter genau <hi rendition="#aq">examini</hi>rt/ iſt der heilige Dreyeinige GOtt/ GOtt<lb/> Vater/ Sohn und heiliger Geiſt/ denn da ſprach der HErr zu Cain:<lb/><hi rendition="#fr">Wo iſt dein Bruder Habel?</hi> Etliche unter den Auslegern wollen<lb/> davor halten/ GOtt der HErr habe den Cain durch ſeinen Vater/ den A-<lb/> dam/ fragen und alſo hart anreden laſſen: <hi rendition="#fr">Wo iſt dein Bruder Habel?</hi></p><lb/> <list> <item> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">(Hæc ſententia etiam B. Luthero noſtro placuit in Comment. in Gen ſcri-<lb/> bendi fol. m. 64. b. Admonetur ad Adam parente. Credo enim verba hæc<lb/> ab ipſo Adam eſſe dicta. &c.)</hi> </hi> </item> </list><lb/> <p>Dieweil aber der jenige/ ſo da fragt/ weiter alſo redet: <hi rendition="#fr">Was haſtu<lb/> gethan? Die Stimme deines Bruders Blut ſchreyet zu mir<lb/> von der Erden;</hi> ſo iſt vielmehr zu glauben/ daß GOtt der HErr<lb/> ſelbſten in <hi rendition="#aq">aſſumptâ formâ viri,</hi> in angenommener Mannes-Ge-<lb/> ſtalt mit Cain geredet habe. Cain gienge nach vollbrachter Mord-<lb/> that fein ſicher in ſeinen Suͤnden dahin/ und mochte wohl durch Ver-<lb/> blendung des Teuffels ſich einbilden/ er habe deswegen keine Straffe<lb/> zu gewarten/ niemand werde wider ihn <hi rendition="#aq">inqvirir</hi>en/ niemand werde<lb/> ihn richten und verdammen. Aber hoͤre/ glaͤubiges Chriſten-Hertze/<lb/> bald <hi rendition="#aq">citi</hi>rte ihn der Richter aller Welt durch die doppelte ſcharffe<lb/> Nachfrage: <hi rendition="#fr">Wo iſt dein Bruder Habel? Was haſt du gethan?</hi><lb/> Es fragt ihn GOtt der HErr nicht zu dem Ende/ als ſey es <hi rendition="#aq">latens<lb/> crimen,</hi> als wuͤſte ers nicht/ wie alſo dort Joſua den Diebiſchen <hi rendition="#aq">Achan</hi><lb/> fragte: <hi rendition="#fr">MeinSohn/ gieb dem HErrn/ demGOttIſrael/ die Eh-<lb/> re/ und gieb ihm das Lob/ und ſage mir an: was haſt du ge-<lb/> than? und leugne mir nichts/</hi> <hi rendition="#aq">Joſ.</hi> 7, 19. ſondern er/ als ein allwiſ-<lb/> ſenderGOtt/ will vielmehr denThaͤter <hi rendition="#aq">convinci</hi>ren/ und ihn in ſeiner<lb/> <fw type="catch" place="bottom">began-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22[20]/0020]
Das unſchuldig vergoſſene Blut.
Verhoͤr. Wie es bey weltlichen Gerichten braͤuchlich iſt/ daß man
wider die Ubelthaͤter eine ſcharffe Inqviſition anſtellt/ und nach al-
len Umſtaͤnden genau fragt; Gleicher maſſen finden wir auch dieſes in
unſerm Texte: Da ſprach der HErr zu Cain: Wo iſt dein
Bruder Habel? Er aber ſprach: Ich weiß nicht/ ſoll ich mei-
nes Bruders Huͤter ſeyn? Er aber ſprach: Was haſt du ge-
than? Die Stim̃e deines Bruders Bludt ſchreyet zu mir von
der Erden. Der Richter/ ſo die Inqviſition allhier anſtellt/ und
den Thaͤter genau examinirt/ iſt der heilige Dreyeinige GOtt/ GOtt
Vater/ Sohn und heiliger Geiſt/ denn da ſprach der HErr zu Cain:
Wo iſt dein Bruder Habel? Etliche unter den Auslegern wollen
davor halten/ GOtt der HErr habe den Cain durch ſeinen Vater/ den A-
dam/ fragen und alſo hart anreden laſſen: Wo iſt dein Bruder Habel?
(Hæc ſententia etiam B. Luthero noſtro placuit in Comment. in Gen ſcri-
bendi fol. m. 64. b. Admonetur ad Adam parente. Credo enim verba hæc
ab ipſo Adam eſſe dicta. &c.)
Dieweil aber der jenige/ ſo da fragt/ weiter alſo redet: Was haſtu
gethan? Die Stimme deines Bruders Blut ſchreyet zu mir
von der Erden; ſo iſt vielmehr zu glauben/ daß GOtt der HErr
ſelbſten in aſſumptâ formâ viri, in angenommener Mannes-Ge-
ſtalt mit Cain geredet habe. Cain gienge nach vollbrachter Mord-
that fein ſicher in ſeinen Suͤnden dahin/ und mochte wohl durch Ver-
blendung des Teuffels ſich einbilden/ er habe deswegen keine Straffe
zu gewarten/ niemand werde wider ihn inqviriren/ niemand werde
ihn richten und verdammen. Aber hoͤre/ glaͤubiges Chriſten-Hertze/
bald citirte ihn der Richter aller Welt durch die doppelte ſcharffe
Nachfrage: Wo iſt dein Bruder Habel? Was haſt du gethan?
Es fragt ihn GOtt der HErr nicht zu dem Ende/ als ſey es latens
crimen, als wuͤſte ers nicht/ wie alſo dort Joſua den Diebiſchen Achan
fragte: MeinSohn/ gieb dem HErrn/ demGOttIſrael/ die Eh-
re/ und gieb ihm das Lob/ und ſage mir an: was haſt du ge-
than? und leugne mir nichts/ Joſ. 7, 19. ſondern er/ als ein allwiſ-
ſenderGOtt/ will vielmehr denThaͤter convinciren/ und ihn in ſeiner
began-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/421583 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/421583/20 |
Zitationshilfe: | Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701], S. 22[20]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/421583/20>, abgerufen am 16.02.2025. |